Als sich Politiker*innen damals bei uns in der Schule vorstellten, traute ich mich nicht, ihnen Fragen zu stellen. Die Politik war noch zu weit weg von mir und ich wusste nicht, was ich fragen sollte. Und nun sitze ich auf der anderen Seite vor fast 100 Schüler*innen des Ernst-Abbe-Gymnasiums in der Sonnenallee in Neukölln. Eine Schule, in der fast 90 Prozent der Schüler*innen eine Migrationsgeschichte haben. Sie sind ein Teil unseres Bezirks, unserer Gesellschaft und unserer Zukunft
Junge Menschen sind politischer als viele denken
Damit wir uns alle besser kennenlernen, gibt es Stuhlkreise, in denen jeweils 20 bis 25 Jugendliche sitzen. „Hakan abi“, ruft ein Schüler, als er erfährt, dass meine Großeltern aus der Türkei stammen. Ich muss lächeln, denn das hatte ich so nicht erwartet. Mit „abi“ redet man etwas ältere männliche Personen an. Die Stimmung ist sofort sehr locker. Ich bin plötzlich nicht mehr 36 Jahre alt, sondern ein bisschen jünger, ein Schüler wie sie, der Antworten liefern muss.
Es geht um Waffenexporte, um das Neutralitätsgesetz, Bildung, Luftfilter und natürlich auch um die Klimapolitik. Es ist meine erste Podiumsdiskussion überhaupt und sie zeigt mir, dass junge Menschen politischer sind als viele denken. Ich antworte auf ihre Fragen, wechsele die Stuhlkreise und treffe auf andere Schüler*innen.
Die Bedürfnisse der Jungen ernst nehmen
Am Ende gibt es wieder eine Zusammenkunft mit Vertreter*innen von anderen Parteien. Es gibt wieder Fragen aus dem Publikum. Es geht um die Frage, warum man die SPD statt der Grünen wählen sollte. Ich antworte. Im Hintergrund ruft jemand zustimmend „Hakan abi“ und klatsch so laut, dass alle mitmachen.
Sie, die jungen Menschen, sollten viel häufiger gehört werden. Deshalb setze ich mich für die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre ein, ich setze mich dafür ein, dass es überall Kinder- und Jugendparlamente und einen Jugendcheck gibt, der alle Gesetze danach beleuchtet, welchen Effekt sie auf junge Menschen haben.
Wir haben allzu lange die Bedürfnisse der Jugendlichen nicht ernst genommen. Es wird Zeit, dass wir das ändern.
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