Im Ruhrgebiet haben sie ja ihren eigenen Zungenschlag. Der gehört dazu wie die Currywurst an der Bude. Oder eben der Fußball. Und manchmal kommt all das zusammen. Da spricht zum Beispiel ein lokaler Fleischfabrikant, der nebenbei Aufsichtsratsvorsitzender des FC Schalke 04 ist, mal ganz frei von der Leber weg. „Unüberlegt“ sollte der Redner es später selber nennen. Passiert ist das beim diesjährigen Tag des Handwerks in Paderborn, die Rede ist von Clemens Tönnies. Dieser schwätzte insgesamt recht unfundiert daher und verstieg sich schließlich zu der Aussage, man solle gegen den Klimawandel Kraftwerke in Afrika bauen, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“. So weit, so schlecht, könnte man sagen. Dem Herrn Tönnies sein Rassismus eben könnte man sagen und sich wieder seiner Wurst zuwenden.
Generalverdacht wäre falsch
Am Montag, 5. August, verlässt Daniel Frahn das Gelände des Chemnitzer FC, voraussichtlich zum letzten Mal. Der Verein hat sich fristlos vom bisherigen Mannschaftskapitän getrennt. Eine im Fußball sehr seltene Maßnahme. Grund war die Tatsache, dass Frahn wiederholt Sympathien zu eindeutig rechten Hooliganvereinigungen gezeigt hatte. Der Verein reagierte darauf deutlich, auch weil man sich in der Vergangenheit wiederholt wegen rechter Ideologien der eigenen Fanszene in der überregionalen Presse wieder fand. Ein Einzelfall? Typisch Ostverein? Andere werden beim Blick auf Tönnies und Frahn dem Fußball ein generelles Rassismusproblem attestieren und Vereinen und Verbänden zu wenig Handlungsbereitschaft ankreiden. All das ist genauso generalisierend, wie es unzureichend ist.
In vielen Kommentarspalten liest man jetzt wieder, das werde alles zu hoch gehängt. Warum diskutieren Kolumnisten landauf, landab über die Äußerungen eines Industriellen bei einer Tagung. Jetzt sei es doch auch mal wieder gut. Diese Reflexe sind bekannt, das Beschwichtigen, das Abwiegeln. Wirklich interessant ist die Argumentation dahinter. Ein Fußballfunktionär sei schließlich nicht bedeutend genug, um lange über ihn zu sprechen. Auf der anderen Seite gibt es solche Stimmen, oft aus dem eher linken Lager, die Fußball generell zu prominent in der Gesellschaft platziert finden. Hier ist die Rede von „strukturellen Problemen“, die der Fußball habe. Der Vorwurf lautet, dass Fußball insgesamt ausgrenzendes Verhalten kultiviert, Diskriminierung schon durch das Grundkonzept auf den Tribünen und auf dem Platz angelegt sei. Kurz gesagt: Dicht machen den Laden, ist eh nicht zu retten.
Fußball tansportiert politische Botschaften
Leider ist beides nicht wirklich zutreffend. Natürlich kann man kritisieren, dass Persönlichkeiten wie Tönnies oder Frahn derartig viel öffentliche Bühne geboten wird für das, was sie „Meinung“ nennen. Natürlich gibt es strukturelle Schwierigkeiten im organisierten Fußball, die Rassismus ermöglichen. Clemens Tönnies wurde schließlich auch gewählt. Fakt ist aber auch, dass der Fußball gesellschaftlich wirkmächtig ist und deshalb Dinge anhand des Fußballs verhandelt werden. Er ist das Vehikel, das politische Botschaften transportiert und damit zugleich der Ort, an dem Meinungsbildung stattfindet. Eindrücklich konnte das Fußballdeutschland bereits im vergangenen Sommer in Bezug auf Mesut Özil erleben.
Sport, und der Fußball im Besonderen, bilden die Gesellschaft ab und tragen zum politischen Diskurs bei. Es darf nicht mehr der Eindruck entstehen, dass politische Themen, Ausgrenzung und Diskriminierung nur Randerscheinungen des Fußballs sind, die von Zeit zu Zeit in ihn „einbrechen“.
Solidarität mit Jatta
Wer die Leidtragenden sind, wenn derlei Dinge nicht berücksichtigt werden, muss derzeit Bakery Jatta erfahren. Der Profi des Hamburger SV wird verdächtigt, unter falschen Namen nach Deutschland eingereist zu sein und ein falsches Geburtsdatum angegeben zu haben. Nachdem die Sportbild die Geschichte öffentlich gemacht hatte, entluden sich bei Twitter Hass und Beschimpfungen über Jatta.
Der Fall zieht ein besonderes mediales Interesse auf sich, weil der Spieler einer großen Öffentlichkeit bekannt ist. Häufig bleiben die Opfer von diskriminierenden Äußerungen unsichtbar, weil der Fokus auf den Verursachenden liegt. Clemens Tönnies hielt es bisher nicht für notwendig sich mit einer Entschuldigung an die zu wenden, die er beleidigt hat. Kaum jemand fragt, was es für schwarze Spieler, Mitarbeiter oder Fans des Chemnitzer FC bedeutet, dass Daniel Frahn Kapitän dieses Vereins sein konnte.
Immerhin: Sowohl der HSV als auch viele seiner Mitspieler haben sich öffentlich solidarisch mit Bakery Jatta gezeigt und unterstützen ihn. Es sind genau die Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, die im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen sollten und für die wir als politische Menschen einstehen sollten.
Kommentare
Was ist zu tun? Vielleicht
Was ist zu tun? Vielleicht auch mal den Ball flach halten. Und nicht nur da "nachtreten", wo es einem gerade in den Kram passen. Also auch Norbert Dickel und Patrick Owomoyela nicht unerwähnt lassen. Was Bakery Jatta angeht, muß untersucht werden, was Sache ist.