Auch Wochen, nachdem Medien das erste Mal über den Fall Weinstein berichteten, kommen in den USA täglich neue Vorwürfe gegen Schauspieler und Regisseure ans Licht. Politiker werden beschuldigt, Angestellte sexuell belästigt zu haben – oder sogar, wie im Fall des republikanischen Senatskandidaten Roy Moore, Minderjährige bedrängt zu haben. In den sozialen Medien teilen Betroffene unter dem Hashtag #MeToo immer noch ihre Erlebnisse mit Belästigung und sexualisierter Gewalt.
Jagd auf vermeintlich Unschuldige
Dass da der Backlash nicht lange auf sich warten lässt, war klar. So befand Schauspieler Bryan Cranston („Breaking Bad“), der in einem Interview mit der BBC auf die Fälle Harvey Weinstein und Kevin Spacey angesprochen wurde: „Wir sollten das nicht abriegeln und sagen ‚Zur Hölle mit ihm, verrecke, und halte dich für den Rest deines Lebens von uns fern.‘ Lasst uns das nicht tun. Lasst uns größer sein als das.“ In anderen Worten: Weinstein und Spacey haben genug gelitten, sie haben bezahlt, nun müsse es auch mal genug sein.
Dabei drückt Cranston sich noch gewählt aus – andere sprechen von einer „Hexenjagd“, die nun in Hollywood und anderen Branchen auf Männer gemacht werde. Eine nicht nur deshalb falsche Metapher, weil während der Hexenverfolgung im Mittelalter vor allem Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder zu Tode gefoltert wurden. Sie impliziert außerdem, dass Unschuldige gejagt werden. Harvey Weinstein? Okay, der Typ war richtig schlimm. Aber es ist doch nicht jeder Mann, der übergriffig geworden ist, ein Weinstein!
Alles nicht so schlimm
Natürlich nicht. Belästigung und auch sexualisierte Gewalt können in den verschiedensten Situationen passieren, sie können von ungewollten Avancen bis hin zur Vergewaltigung reichen. Doch mittlerweile gilt für viele: Alles, was nicht an das Weinstein-Niveau sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt heranreicht, ist eigentlich gar nicht so schlimm. Alles, wo nicht zahlreiche Frauen an die Öffentlichkeit gehen und ihre Geschichte teilen, hat quasi nicht stattgefunden.
Und so hat die Erlösungs-Erzählung bereits begonnen. Lautstark wird gefordert, doch bitte nicht die Karrieren großartiger Männer zu zerstören, nur weil die sich ein paar „Fehltritte“ geleistet haben. Man solle ihnen doch noch eine Chance geben. Die Wahrheit ist: Diese Männer werden ihre Chance bekommen, so oder so. Weil sie Männer sind. Roy Moore, der Senatskandidat aus Alabama, hat die offizielle Unterstützung von Präsident Trump. Der ist übrigens Präsident geworden, obwohl ihn mehrere Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigten und obwohl seine misogynen Ansichten bekannt waren. Roman Polanski und Woody Allen werden weiterhin für ihre Filme gefeiert, obwohl gegen beide Belästigungs- und Vergewaltigungsvorwürfe vorliegen (Polanski wurde in den USA sogar angeklagt, entzog sich aber einer möglichen Haftstrafe). Es ist nicht unrealistisch, dass ein Kevin Spacey in einigen Jahren das Comeback schafft – wenn er denn genug Demut zeigt sowie den Willen, sich zu ändern.
Pranger statt Scheiterhaufen
Während der Hexenjagd im Mittelalter endete die Jagd meistens auf eine Weise: mit dem Tod der Hexe. Wenn Männer sich also nun über eine angeblich Hexenjagd in Hollywood und anderen Branchen beschweren, vergessen sie eins: Sie mögen zwar an den Pranger gestellt werden – aber nicht auf den Scheiterhaufen. Sie werden gerettet, sie leben, sie kommen zurück. Weil das für Männer, vor allem in Hollywood, immer so ist.
Kommentare
Ungerechtigkeit
Ich muss sagen das es der Begriff "Hexenjagd" doch übertrieben ist. Dennoch kann der #MeToo dafür verwendet werden um schnell Karrieren zu beenden. Egal ob es stimmt oder nicht. Und man hört tatsächlich in den Medien nur von Männern. Von Sexuellen übergriffen die von der Frau auf den Mann abzielen hört man gar nicht. Da finde ich fängt es schon mit der Gleichberechtigung an. Wir entscheiden zu schnell was sehr gefährlich sein kann. Nur weil es Behauptungen sind, heißt es nicht das der Täter automatisch schuldig ist. Und das finde ich gefährlich und nicht fair eine Person zu schnell zu verurteilen. Eine Person ist so lange unschuldig bis sie Schuldig gesprochen wurde. Deswegen sollte man auch fair bei der Debatte bleiben.
"sexistisch" me too
ich bin 71 Jahre und finde diese Anschuldigungen nach Jahrzehnten gegenüber Männern, bei denen gerade Karriereentwicklungen sind, abstossend vonseiten der
Frauen. Man muss die Sache im Zusammenhang sehen: Vor Jahrzehnten gab es die
"Lolitas", junge Mädchen, die sich älter machten und Männer regelrecht betörten.
Als Künstlerin weiß ich, wie oft Künstlerinnen sich reichen Männern regelrecht darboten. Wie sich Trump äußerte, was er als "Bekannter reicher Mann machen kann", - kann ich nur bestätigen aus dem, was um mich herum geschah. Ich hatte
auch Angebote, die ich ablehnte. Es hat mich nicht meine Karriere gekostet. Aber ich
wollte mich auch nicht "hochschlafen". Das bekannte "Karrieresofa" war für jeden in
Kunst, Schauspiel bekannt.
Billy Graham zog es vor, niemals mit einer Frau allein zu sein. Ebenso kann ich es als Frau halten, mich nicht in Situationen zu begeben, in denen ich mit einem Mann allein bin. Das ist meine Entscheidung. Ich finde es widerlich, Dinge öffentlich zu behaupten, die niemand beweisen kann, nach sovielen Jahren. Ich frage mich auch, in wieweit das frustrierte Retourkutschen sind, weil Manager Schauspielerinnen Rollen ablehnten. Übel gegen Männer.
Richtig, falsche Motivation
Bei der Hexenjagd wurden Menschen Eigenschaften unterstellt die physikalisch nicht möglich sind.
Bei der jetzigen Hetze melden sich aber die üblichen Verdächtigen gleich wieder zu Wort. Die Ziele sind dann auch bekannt. Im Dschungel-Camp will man seine Karriere wieder anschieben. Bei Metoo die Karriere anderer Menschen vernichten.
Es ist der Aufschrei nach neuen Gesetzen schon da, Berater stehen schon bereit ( seltsamerweise viele Psychologinnen) um neue Regeln in Unternehmen einzuführen und natürlich sind hunderte von Expertinnen bereit den armen Opfern zu helfen.
Nein es ist keine Hexenjagd, aber es herrscht die gleiche Hysterie.
Es soll Frauen wieder eine Möglichkeit mehr geschaffen werden durch Lügen, Betrug und unredliche Machenschaften sich zu bereichern.
Das ist eine Schande für alle Frauen die versuchen nicht als "Quoteschickse" sich eine Position zu erarbeiten, selbstbewusste, gebildete und starke Frauen werden gleichfalls diskriminiert.
Silvester 2015, Köln, 1200 Anzeigen. NEIN, nicht alles sexuelle Übergriffe, Diebstahl und Körperverletzung waren der größte Teil. Bei den ANzeigen von sexuellen Übergriffen waren dann etliche die frei erfunden waren.