Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Warum ich meinen Wahlkreis direkt gewinnen will

Stefan Schneidt22. Februar 2022
Nach acht Stunden steht der Spitzenkandidat, das Programm und die Landesliste der NRWSPD für die Landtagswahl fest. Mit Thomas Kutschaty wollen wir zurück an die Spitze in NRW und die wichtigen Themen mit der notwendigen Entschlossenheit angehen. Es eilt.

Es ist Samstag, 6:30 Uhr. Nach nicht einmal vier Stunden Schlaf werde ich durch einen fremden Wecker wach. Okay, das war ehrlicherweise anders geplant. In dreieinhalb Stunden wird der Landesparteitag beginnen und ich spüre eine gewisse Nervosität. Der Landesparteitag könnte für mich uninteressant sein – so ist zumindest der Wortlaut einiger Genoss*innen im Vorfeld. Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall. Seit 2020 brenne ich für Parteitage, egal ob im Kreis, Land oder Bund. Sie bieten mir die Bühne, Positionen – insbesondere im ökologischen Bereich der SPD – zu erneuern. Die Arbeit, die dem voraus geht, wird selten gesehen.

Warum Antragsberatung für mich wichtig ist

Doch fangen wir von vorne an. Es ist der 4. September 2021 und auf dem Kreisparteitag sind einige Genoss*innen sichtlich genervt von den Jusos und mir. Erst lehnen wir die Antragskommission und deren Empfehlungen ab, dann fängt das Antragsfest an. „Die Anträge gehören in die Mitte der Partei und sollten nicht vorher von einer Kommission geprüft werden. Das beeinflusst die Entscheidungen der Delegierten. Auf einem Kreisparteitag mit einer geringen Zahl von Anträgen sollte man sich die Zeit nehmen und die Anträge in offener Debatte konstruktiv diskutieren, damit sich jeder seine Meinung bilden kann,“ werde ich im Nachgang von der Lokalpresse zitiert.

Die Debatte und die über 100 Stunden für das Schreiben der Anträge haben sich bezahlt gemacht. Vieles wird angenommen, selten verwaschen Änderungsanträge die ursprünglichen Forderungen. 13 Anträge, die teilweise fünf Seiten lang sind und über 80 Quellen besitzen. Anträge, die in der Tiefe unbedingt gestellt werden mussten. Es geht um weitreichende Reformen: Mitbestimmung von Schüler*innen in der Bildungspolitik, Prävention von psychischen Krankheiten in Bildungseinrichtungen, einen drastischen Kurswechsel bei der Landwirtschaft und viele weitere Anträge zur Bekämpfung der ökologischen Krise.  

Und nun, was hat das mit dem Landesparteitag zu tun?

Im Sommer 2021 startete ich die ersten Gespräche mit den Fachpolitiker*innen und Referent*innen über das Wahlprogramm der NRWSPD. Anfang des Jahres erhielt ich den ersten Entwurf des Programms und war gemischter Gefühle. Einiges hat mich positiv überrascht, einiges negativ. Was macht man also? Zwei Nächte und einige Änderungsanträge später hofft man, dass die Antragskommission möglichst viel übernimmt. Und siehe da, ich bin sehr zufrieden:

„Kommunale und landeseigene Gebäude werden wir verpflichtend klimaneutral bauen und möglichst ökologisch betreiben.“

„Wir wollen die Lehren aus der Flutkatastrophe aufnehmen und in unsere Politik einbinden. Deshalb setzen wir uns für klimaresiliente Städte und das Konzept der Schwammstadt ein.“

„Auch als Land möchten wir als Vorreiter vorangehen. Wir möchten in der Zukunft auf landeseigenen Flächen und Veranstaltungen auf Einwegmüll verzichten und Mehrwegbehältnisse priorisieren. Zudem setzen wir uns für Steuervorteile bei reinen Unverpackt-Läden ein und streben eine Verpflichtung für Unverpackt-Abteilungen bei Supermärkten und Discountern an.“

„Umweltkriminalität ist gemessen am Geldwert weltweit das viertgrößte Verbrechen. Die aktuelle Landesregierung hat die Stabsstelle zur Bekämpfung der Kriminalität aufgelöst. Wir werden sie reaktivieren.“

„Wir wollen neue Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven schaffen und fördern. Deshalb werden wir wenn nötig das Baurecht ändern, um Agri-PV im großen Stil zu ermöglichen.“

„Gleichzeitig haben wir eine Pflicht neben der Reduktion von Emissionen auch dafür zu sorgen, dass Kohlenstoffsenken wie Wälder und Moore schnellstmöglich renaturiert und dem Klimawandel angepasst werden. Reine Monokulturen haben aufgrund des Borkenkäfers und den klimatischen Veränderungen keine Chance mehr. Der Nutzen der Kohlenstoffsenken muss im Vordergrund stehen – nicht die Rohstoffe wie Torf. Deswegen werden wir den Torfabbau verhindern.“

Bringt euch ein!

Wieso ich das aufliste? Weil es einige meiner Beispiele sind, die direkt ins Wahlprogramm übernommen wurden. Zu einigen dieser Themen hätten wir uns sonst eventuell gar nicht so klar positioniert. Für mich als Genosse, aber auch in diesem Jahr als Kandidat, ist es unglaublich wichtig, dass ich mich mit dem Wahlprogramm wohlfühle. Deshalb der Aufruf an alle Genoss*innen: Bringt euch in der Zukunft unbedingt ein!

Liste, aber bitte solidarisch und fair.

Und die Landesliste? Ich kandidiere in meinem Wahlkreis gegen zwei Mitglieder des Landtages. Meinen Wahlkreis haben wir unnötigerweise 2017 an die CDU verloren und ich habe mich frühzeitig bewusst gegen eine gute Listenplatzierung entschieden. Einen Wahlkreis, den man direkt gewinnen kann, sollte man nicht absichern. Es ist ein Anspruch, den ich an die Partei und mich selbst habe. Wer überzeugt von seiner Arbeit ist und seinen Wahlkreis schon einmal direkt gewonnen hat, sollte sich nicht absichern.

Wenn wir so auch in Ostwestfalen-Lippe verfahren würden, hätten wir mehr Bundes- und Landtagsabgeordnete. Wer strukturschwache Regionen stärken will, gibt ihnen gute Listenplätze. Wer es nie macht, muss sich nicht wundern, wenn es dort bald niemanden mehr gibt, der Plakate aufhängt, Infostände organisiert oder kandidiert. Die Streitigkeiten um die Landesliste sind einer sozialdemokratischen Partei oft nicht würdig. Es ist längst Zeit, dass wir hier umdenken.

Wahlkampf, direkt vor Ort.

Der Bundes- und Landestrend ist definitiv wichtig, aber die letzten Wahlen haben uns gezeigt, dass der Wahlkampf auf der Straße gewonnen wird. Seit Anfang Januar organisieren mein Team und ich wöchentlich Infostände. Seit einigen Wochen sind die Flyer da und mein Team und ich möchten bis zum 15. Mai an über 30.000 Haustüren klingeln. Dafür sind wir unter der Woche jeden Tag vier Stunden unterwegs. Also, ich zieh dann mal weiter.

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