Neue Bundesregierung

Machtwechsel: Das neue Blitztempo der Ampel

Martin Kaysh24. Dezember 2021
SPD, Grüne und FDP haben ihren Koalitionsvertrag in wenigen Wochen erarbeitet. Respekt! In der Zeit wären in den USA nicht einmal die Stimmen ausgezählt.

Politik finde ich spannender als Fußball. Das Beste kriege ich hier live und unverschlüsselt: auf Phoenix. Phoenix, das Sky, die Sportschau, DAZN und der kicker der Politik auf einen Klick. 

Zum Glück keine Ampelhymne

Die Spitzenbegegnung läuft bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages unter dem Titel: „Mehr Fortschritt wagen“. Zum Glück hat niemand eine offizielle Ampelhymne dazu komponiert. 

Die Anspielung des Mottos auf Willy Brandts Regierungserklärung versteht heute längst nicht mehr jeder. Im Fußball würde der Mann am Mikro es mir trotzdem erklären. Ewiger Hit ist ein Satz von Heribert Faßbender: Die Fans rufen „Türkye, Türkye!“, was soviel bedeutet wie: „Türkei! Türkei!“ 

Viele Jahre waren bayerische Tagesthemen-Kommentare von ähnlicher Güte, wenn es galt, Beschlüsse aus dem CSU-Vorstand noch einmal mit eigenen Worten zu „kritijubeln“. Immerhin setzen Polit-Reporter*innen erst ein, wenn das Ding gelaufen ist, wenn Olaf Scholz fertig hat.

In Berlin braucht es große Türen

Schon der Einlauf der Teams in die Westhafen-Arena liefert ein mächtiges Bild. Neun Verhandler*innen laufen da gleichberechtigt nebeneinander auf. Wenn das so weitergeht, braucht man auf Dauer in Berlin große Türen. Immerhin haben sie keine Einlaufkinder an der Hand. 

Die Stunde am Nachmittag ist geprägt von Nüchternheit. Wo 1998 Rot-Grün mit Sekt angestoßen hat, stehen jetzt Wasserkaraffen auf der Bühne. Gut, wer hier nicht säuft, wacht am nächsten Morgen auch nicht mit Kater beim Regieren auf. 

Eine Blitzpartie zu dritt

Es ist eine linke Leidenschaft, dem kurzen Rausch möglichst rasch lange Kopfschmerzen folgen zu lassen. Fast muss man sich dieses Mal um die linke Identität der SPD sorgen, das Dröhnen setzt schnell nur bei den Grünen ein.

Rückblickend erscheinen die Verhandlungen übrigens als Blitzpartie.

Das neue Triumvirat hatte seinen Vertrag schnell fixiert. In den USA hätte man in der Zeit nicht einmal die Stimmen ausgezählt.

Wann kommt die nächste Bazooka?

Das ist gut. Denn wie die politischen Kommentator*innen können wir Kleinkünstler*innen erst loslegen, wenn die Politik fertig hat. Ich habe da so einen Premierentermin Anfang Januar im Nacken. Das heißt, hoffentlich habe ich den im Nacken. Denn dank der wechselguten Coronapolitik der Vorgängerregierung samt Fachminister aus dem Münsterland sind die Inzidenzzahlen ebenso hoch wie die Vorverkaufszahlen im Theater- und Kabarettbereich niedrig.

Da wir Bühnenmenschen wenig Geld für teure Lobbyistenpartys in Berlin haben, versuche ich es mal auf dem Textweg, ehe schärfere Lobbygesetze auch das unterbinden. Olaf Scholz weiß bestimmt, dass man bestens gewappnet, aber besser nicht bewaffnet ins Kanzleramt einzieht.

Die berühmte Bazooka mit den Hilfen im Kulturbereich aus dem vorigen Winter, die könnte doch der Nachfolger im Finanzministerium übernehmen. Als Jagdscheininhaber sollte Christian Lindner ja in diesem Sektor eigentlich Sachkunde und Eignung nachweisen können.

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