Als ich das erste Mal überlegte, für den Landtag in Nordrhein-Westfalen zu kandidieren, war der Auslöser nicht eine gewöhnliche Klima-Demo, wie wir sie seit mehr als drei Jahren von Fridays for Future kennen. Es war im Dezember 2019. Ich kam von der UN-Weltklimakonferenz aus Madrid. Ich war frustriert, fühlte mich machtlos, vollkommen unterlegen und verspürte ein Gefühl von Ohnmacht. Ich zweifelte, inwieweit führende Politiker*innen noch Teil der Lösung der Klimakrise sein könnten. Sie waren es schließlich auch, die die Krise mitverursacht, kleingeredet und ignoriert hatten.
2020 entschied ich mich gegen eine Kandidatur
Der Gedanke zu kandidieren entstand erstmalig in einer Situation, in der ich mich hoffnungslos wie noch nie fühlte. Ich wollte mehr bewegen, Teil der Lösung sein, gestalten. Wo ist das besser möglich als im Parlament? In den darauffolgenden Monaten verankerte sich die Idee in meinem Kopf. Ich sprach mit meiner Familie und guten Freund*innen, doch der Entschluss, es wirklich durchzuziehen, bröckelte nach und nach.
Wer für ein höheres politisches Amt kandidiert, zahlt einen hohen Preis, auch wenn darüber keiner öffentlich redet. Inwieweit verändert die Kandidatur mich und bin ich dafür bereit? Das waren die Fragen, die ich für mich beantworten musste. Ich war 19 Jahre alt, durch Fridays for Future und andere Aktivitäten – z.B. gegen den Schlachtkonzern Tönnies – medial schon des Öfteren in Erscheinung getreten. Die Öffentlichkeit und Verantwortung habe ich nie gescheut. Das wäre nicht neu, aber eine Landtagskandidatur ist ein anderes Level. Das war mir bewusst, deshalb entschied ich mich im Sommer 2020 gegen eine Kandidatur.
Der sozialdemokratische Sommer
Ein Jahr nach meinem inneren Beschluss nicht zu kandidieren, klebte die SPD bei 14 Prozent, die Bundestagswahl rückte immer näher und die Partei lag laut den Medien am Boden. Mein Eindruck war gänzlich anders, aber am Ende zählen Prozente. Zu dieser Zeit führten die fünf Ortsvereine in meinem Landtagswahlkreis Gespräche über mögliche Kandidat*innen für die Landtagswahl. Bei den Verantwortlichen gab es eine klare Vorstellung, dass die Erneuerung der Partei vorangetrieben werden müsse. Nach einer Vorstandssitzung des Ortsvereins Gütersloh rief mich der SPD-Stadtverbandsvorsitzende an und fragte, ob ich mir das nicht vorstellen könnte. Ich lachte und legte auf. Der Entschluss, nicht zu kandidieren, war fast zwölf Monate alt. Doch es war jenes Telefonat, das meinen inneren Entschluss ins Wanken brachte.
Im Sommer habe ich mich inhaltlich auf die Weltklimakonferenz in Glasgow vorbereitet. Über Umwege bin ich schon vor der Veröffentlichung an den Entwurf des neuen Berichts vom Weltklimarat gekommen. Was ich gelesen hatte, war für mich erschreckend, aber definitiv nicht neu. Wir könnten global bereits in zehn Jahren das 1,5-Grad-Ziel verfehlen. Es war der Moment – ähnlich wie 2019 – an dem ich realisierte, dass die nächste Legislaturperiode im Bund und Land die letzte Chance ist, Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad zu lenken. Nie war es dringender, nie war es so entscheidend, dass engagierte Menschen in den Parlamenten sitzen. Menschen, die die Herausforderungen, die die Klimakrise mit sich bringt, verstehen und bereit sind zu handeln.
Ich hörte auf mein Bauchgefühl und warf meinen Entschluss von 2020 über Bord. Im Sommer stand fest, ich werde kandidieren. Einige Monate später, am 26. Oktober 2021 wurde ich als jüngster Landtagskandidat der NRWSPD aufgestellt. Drei Tage später ging es weiter nach Glasgow zur UN-Weltklimakonferenz und derweil wurde es langsam klar: Wir werden den nächsten Bundeskanzler stellen; die SPD ist wieder da!
Vorwärts Klimaschutz!
Mit meiner Kandidatur möchte ich alle Generationen ansprechen und zeigen, dass die SPD vielfältig ist. Die kommenden Jahre erfordern Mut, rasches Handeln und authentische Politiker*innen. Sie sind es nämlich, die über die Gegenwart entscheiden – und leider auch viel zu oft über die Zukunft von heranwachsenden Menschen, ohne sie einzubinden. Ich möchte einer jungen Generation eine Stimme geben, die sich in den letzten Jahren zu häufig von der Politik nicht verstanden oder nicht gehört gefühlt hat.
Die ökologische Krise ist die größte Herausforderung des Jahrhunderts. Für uns als SPD ist es naturgemäß wichtig, den Klima- und Umweltschutz sozial gerecht zu gestalten. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass dies in Deutschland gelingt. Dafür muss Nordrhein-Westfalen der Motor der Energiewende werden. Ich freue mich sehr, dass ich hier in den kommenden Monaten von meiner Reise berichten darf und ihr mich dabei begleiten könnt. Hoffentlich dann bald aus Düsseldorf!