Sein Twitter-Name sagt eigentlich schon alles: @Fired4Truth, also „Für die Wahrheit gefeuert“ nennt James Damore sich auf dem Kurznachrichtendienst. Seine Timeline besteht fast ausschließlich aus Tweets über Interviews, die er gegeben hat oder aus Retweets von Menschen, die ihn unterstützen. Ihn, der die Wahrheit sagte und dafür bei Google rausgeschmissen wurde. Angeblich.
Kritik an Google
Was davor geschah ist schnell erzählt: Anfang August schickte Programmierer Damore an seine Kolleginnen und Kollegen bei Google ein internes Memo mit dem Titel „Google‘s Ideological Echo Chamber“. Darin kritisierte er die Bemühungen des Unternehmens, Frauen und Minderheiten stärker zu fördern – in einer Branche, die bekannt ist für ihren Sexismus und ihren geringen Frauenanteil. Damore findet diese Bemühungen falsch und legt in seinem Memo ausführlich dar, warum: Frauen seien in der Tech-Branche nicht aufgrund von Diskriminierung und Vorurteilen unterrepräsentiert, sondern weil sie sich in ihrer Persönlichkeit von Männern unterscheiden würden. Frauen, so sieht es Damore, sind biologisch nicht so geeignet für bestimmte Jobs wie Männer.
Das Verblüffende an James Damores Memo ist, dass er selbst immer wieder betont, er sei ja sehr für „Vielfalt und Inklusion“, er leugne nicht, „dass Sexismus existiert“. Aber gewisse Dinge müssten einfach mal angesprochen werden, Dinge, die bei Google nicht offen diskutiert werden könnten. Für Damore bedeutet das vor allem: „Wir müssen damit aufhören anzunehmen, dass Geschlechterlücken Sexismus bedeuten“. Obwohl er angeblich ein so großer Verfechter von Vielfalt und Inklusion ist, lehnt Damore quasi alles ab, was tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit führen könnte, wie Mentoring-Programme für benachteiligte Menschen.
Die „political correctness“ ist schuld
Immer wieder betont er, wie wichtig die „Standpunkt-Vielfalt“ sei, das Recht darauf, eine bestimmte Meinung zu vertreten. Dass er seine Meinung vertreten hat, so sieht es Damore, hat nun zu seiner Kündigung geführt – und nicht etwa die Tatsache, dass er diese Meinung in Form eines internen Memos verbreitet und damit die Kompetenz seiner Kolleginnen in Frage gestellt hat. Yonatan Zunger, der bis vor kurzem eine Führungsposition bei Google inne hatte, schreibt in einem offenen Brief an Damore: „Verstehst du, dass ich an dieser Stelle niemanden guten Gewissens anweisen könnte, mit dir zusammenzuarbeiten?“. Versteht James Damore vermutlich nicht.
Die Schuldige ist also mal wieder die „political correctness“, die verhindert, dass Männer wie Damore einfach mal sagen können, was sie denken. Wenig überraschend ist James Damore nun ein Held all der anderen Männer, die glauben, ihre Ansichten zum Thema Gleichberechtigung würden unterdrückt, ja, zensiert. Immer überzeugt davon, dass eigentlich viele so denken wie sie, es sich aber nicht zu sagen trauen. Dass Damore seit seiner Kündigung zahlreiche Interviews gegeben hat, in denen er ausführlich seine Meinungen diskutieren durfte? Oder dass er mehrere Jobangebote bekommen hat, unter anderem von WikiLeaks-Gründer Julian Assange? Dass er also seine Meinung sehr wohl frei verbreiten darf, in verschiedenen Medien? Ändert nichts. Damore fühlt sich trotzdem als Opfer der zensierten Meinungsfreiheit.
Was Meinungsfreiheit bedeutet
Was Männer wie James Damore dabei nicht begreifen, ist folgendes: Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass das freie Äußern der eigenen Meinung keine Konsequenzen hat. Es bedeutet nicht, dass man für die geäußerte Meinung nicht kritisiert wird. Damore mag sich als Opfer sehen, doch die vielen positiven Reaktionen auf sein Memo und das Medieninteresse zeigen mal wieder sehr deutlich: Männer wie er können im Prinzip so frei wie niemand sonst ihre Meinung äußern. Ihnen wird zugehört. Immer.