Sexismus

Gekündigter Google-Mitarbeiter – Was Meinungsfreiheit bedeutet

Julia Korbik15. August 2017
James Damore verbreitete bei seinem Arbeitgeber Google ein Memo, in dem er fragwürdige Ansichten über Frauen vertrat. Im Anschluss verlor er seinen Job – und sieht sich nun natürlich als Opfer von Zensur.

Sein Twitter-Name sagt eigentlich schon alles: @Fired4Truth, also „Für die Wahrheit gefeuert“ nennt James Damore sich auf dem Kurznachrichtendienst. Seine Timeline besteht fast ausschließlich aus Tweets über Interviews, die er gegeben hat oder aus Retweets von Menschen, die ihn unterstützen. Ihn, der die Wahrheit sagte und dafür bei Google rausgeschmissen wurde. Angeblich.

Kritik an Google

Was davor geschah ist schnell erzählt: Anfang August schickte Programmierer Damore an seine Kolleginnen und Kollegen bei Google ein internes Memo mit dem Titel „Google‘s Ideological Echo Chamber“. Darin kritisierte er die Bemühungen des Unternehmens, Frauen und Minderheiten stärker zu fördern – in einer Branche, die bekannt ist für ihren Sexismus und ihren geringen Frauenanteil. Damore findet diese Bemühungen falsch und legt in seinem Memo ausführlich dar, warum: Frauen seien in der Tech-Branche nicht aufgrund von Diskriminierung und Vorurteilen unterrepräsentiert, sondern weil sie sich in ihrer Persönlichkeit von Männern unterscheiden würden. Frauen, so sieht es Damore, sind biologisch nicht so geeignet für bestimmte Jobs wie Männer.

Das Verblüffende an James Damores Memo ist, dass er selbst immer wieder betont, er sei ja sehr für „Vielfalt und Inklusion“, er leugne nicht, „dass Sexismus existiert“. Aber gewisse Dinge müssten einfach mal angesprochen werden, Dinge, die bei Google nicht offen diskutiert werden könnten. Für Damore bedeutet das vor allem: „Wir müssen damit aufhören anzunehmen, dass Geschlechterlücken Sexismus bedeuten“. Obwohl er angeblich ein so großer Verfechter von Vielfalt und Inklusion ist, lehnt Damore quasi alles ab, was tatsächlich zu mehr Gerechtigkeit führen könnte, wie Mentoring-Programme für benachteiligte Menschen.

Die „political correctness“ ist schuld

Immer wieder betont er, wie wichtig die „Standpunkt-Vielfalt“ sei, das Recht darauf, eine bestimmte Meinung zu vertreten. Dass er seine Meinung vertreten hat, so sieht es Damore, hat nun zu seiner Kündigung geführt – und nicht etwa die Tatsache, dass er diese Meinung in Form eines internen Memos verbreitet und damit die Kompetenz seiner Kolleginnen in Frage gestellt hat. Yonatan Zunger, der bis vor kurzem eine Führungsposition bei Google inne hatte, schreibt in einem offenen Brief an Damore: „Verstehst du, dass ich an dieser Stelle niemanden guten Gewissens anweisen könnte, mit dir zusammenzuarbeiten?“. Versteht James Damore vermutlich nicht.

Die Schuldige ist also mal wieder die „political correctness“, die verhindert, dass Männer wie Damore einfach mal sagen können, was sie denken. Wenig überraschend ist James Damore nun ein Held all der anderen Männer, die glauben, ihre Ansichten zum Thema Gleichberechtigung würden unterdrückt, ja, zensiert. Immer überzeugt davon, dass eigentlich viele so denken wie sie, es sich aber nicht zu sagen trauen. Dass Damore seit seiner Kündigung zahlreiche Interviews gegeben hat, in denen er ausführlich seine Meinungen diskutieren durfte? Oder dass er mehrere Jobangebote bekommen hat, unter anderem von WikiLeaks-Gründer Julian Assange? Dass er also seine Meinung sehr wohl frei verbreiten darf, in verschiedenen Medien? Ändert nichts. Damore fühlt sich trotzdem als Opfer der zensierten Meinungsfreiheit.

Was Meinungsfreiheit bedeutet

Was Männer wie James Damore dabei nicht begreifen, ist folgendes: Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass das freie Äußern der eigenen Meinung keine Konsequenzen hat. Es bedeutet nicht, dass man für die geäußerte Meinung nicht kritisiert wird. Damore mag sich als Opfer sehen, doch die vielen positiven Reaktionen auf sein Memo und das Medieninteresse zeigen mal wieder sehr deutlich: Männer wie er können im Prinzip so frei wie niemand sonst ihre Meinung äußern. Ihnen wird zugehört. Immer.

weiterführender Artikel

Kommentare

Verständnis zur Meinungsfreiheit

„Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass das freie Äußern der eigenen Meinung keine Konsequenzen hat.“ – In seinem Fall war die Konsequenz, dass er gefeuert wurde. Musste er normal mit rechnen. Richtig verstanden? Ist das das Verständnis der SPD zur Meinungsfreiheit?

Meinungsfreiheit

Der Blogbeitrag gibt ausschließlich die Meinung der Autorin wieder, nicht die Position der SPD.

Danke für den Hinweis.

Aus dem Artikel ist es nicht unmittelbar ersichtlich, sondern man könnte es für einen offiziellen Standpunkt des Vorwärts (und damit der SPD) halten.

Wenn der Vorwärts schon derart unsägliche Texte an die Öffentlichkeit "durchreicht", statt sie zur Autorin zurückzuweisen, solle er "Meinungsartikel" dazu schreiben.

Platz - bzw. Steigbügelhalter

Nein, natürlich ist das NICHT die Meinung der SPD - ihr unterstützt sie nur.

Die Autorin tritt ja in Sachen Gender auch nur in die Fußstapfen von Schwesig und Barley.

Meinungsfreiheit

Bei diesem Verständnis von Meinungsfreiheit darf die SPD sich nicht wundern, wenn sie unter 20% rutscht. Diese "Meinungsfreiheit" gab es bis 1989 im östlichen Teil von Deutschland. Es ist bezeichnend, dass die SPD unter Meinungsfreiheit versteht, dass man seine Meinung ohne Konsequenzen nur sagen darf, wenn sie mit der Parteilinie übereinstimmt.

Was für ein unsäglicher und erbärmlicher Artikel.

Argumente?

Eine Klarstellung zum Anfang: Blogbeiträge geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors/der jeweiligen Autorin wider. Diese auf "die SPD" zu übertragen, geht an der Wirklichkeit vorbei. Davon abgesehen: Haben Sie auch Argumente, warum der Text aus Ihrer Sicht "unsäglich" und "erbärmlich" sein soll?

Die Haltung der SPD zur

Die Haltung der SPD zur Meinungsfreiheit, die Nichtbeachtung von Männeranliegen und die reine Konzentration auf Frauenfragen sind auch Gründe dafür, dass ich mich von der SPD abgewendet habe.

Weiter so!

Dann hat die SPD bald das Ziel der FDP erreicht und ist bei 18%.

"Was Männer wie James Damore

"Was Männer wie James Damore dabei nicht begreifen, ist folgendes: Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, dass das freie Äußern der eigenen Meinung keine Konsequenzen hat. Es bedeutet nicht, dass man für die geäußerte Meinung nicht kritisiert wird."

Sie verwechseln Kritik mit sozialer Vernichtung, genau das von Google und vielen deutschen Medien mit ihm versucht. Menschen mit Meinungen, die vom Mainstream abweichen (bzw. was Sie dafür halten, Frau Korbig), mit dem Verlust des Arbeitsplatzes zu bestrafen und deren Reputation zu vernichten, hat nichts mit Demokratie, aber eine Menge mit Faschismus zu tun.

"genau das von Google und

"genau das von Google und vielen deutschen Medien mit ihm versucht"

genau das wurde von Google und vielen deutschen Medien mit ihm versucht.

Verständnis der Autorin von Meinungsfreiheit

Erich und Margot hätten ihre helle Freude daran gehabt.
"Natürlich dürfen sie alles sagen - entweder sie kommen nach Bautzen oder verlieren ihre Arbeit"

"Damore mag sich als Opfer sehen, doch die vielen positiven Reaktionen auf sein Memo und das Medieninteresse zeigen mal wieder sehr deutlich: Männer wie er können im Prinzip so frei wie niemand sonst ihre Meinung äußern."

Und das ist auch gut so - denn hätte die Autorin vielleicht mal einige der "vielen positiven Reaktionen" gelesen, z.B. die von Wissenschaftlern - hätte sie vielleicht nicht so ein Pamphlet geschrieben.

Der Rant kommt auch schon ein bisschen zu spät

Selbst in der ZEIT kommen ja schon zustimmende Artikel:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-08/sexismusvorwuerfe-...

"Wissenschaftliche Fakten interessierten aber weder den Google-Chef noch viele Journalistinnen und Journalisten, die über das vermeintlich skandalöse Memo Damores berichteten."

Da kann man sich schon die Frage stellen, ob das ignorieren von wissenschaftlichen Erkenntnissen durch Journalistinnen biologisch oder ideologisch begründet ist.

Aber vielleicht wäre die SPD ja bereit,

Frau Korbig ein 3-monatiges Ergänzungsstudium der Kommunikationswissenschaften in Nord Korea, China oder dem Iran zu finanzieren.
Dort kann sie dann den Wert der Meinungsfreiheit kennen lernen.

Aber ich schätze mal, soweit würde ihr persönlicher Einsatz dann doch nicht gehen.

Besserer Vorschlag:

Feuern.

Was wäre wenn...

Ach, Frau Korbik,
was wäre, wenn in Deutschland die AfD an die Regierung käme, und Menschen, die dann immer noch "Willkommenskultur" hoch halten oder was von mehr als zwei Geschlechtern erzählen, ebenfalls aus ihren Jobs geschasst werden würden? Würden Sie dann immer noch schulterzuckend behaupten, wer seine Meinung sage, müsse eben mit Konsequenzen rechnen? Wohl kaum.

Aber hey, wie sind die Linken, wir sind die Guten, für uns gelten andere Maßstäbe, wir dürfen, was wir anderen nicht durchgehen lassen. Wenn wir ein wenig totalitär und repressiv sind, dann ist das schon ganz ok.

Genau das ist die Doppelmoral, die die Leute auf die andere Seite treibt. Macht nur ruhig weiter so und arbeitet an Projekt 18.

Liebe Julia,

hast du wirklich gelesen was James Damore geschrieben hat?
Ich bezweifle es ... sorry.

Zu deinen letzten Absatz: wenn man wirklich gelesen hat was Damore geschrieben hat, dann kann man es auch als Drohung verstehen, das Männer prinzipiell den Mund halten sollen. Meinst du das so und ist das mit den Werten der SPD zu vereinbaren?

PS: Ich war früher Juso etc... und immer noch Mitglied.

Debatte und Monolog

Nach dem Elaborat von Sara Clasen vor ein paar Tagen über "emanzipierte Männer", die ja niemals nicht Gewalt erleiden und deshalb Frauen schützen müssen und 5 Tage später diesem Demokratieverständnis habe ich in meinem Browser das Lesezeichenden des "Vorwärts" unter "Gender/Femfuck/Prawda/" einsortiert.

Ihr schafft noch die 18%, die Möllemann mal angepeilt hatte. *daumenhoch!*

Ich verrat Euch mal was, die ihr denkt "mehr Frauen, mehr Wähler": Auch Frauen sind nicht so plump gestrickt, wie ihr meint. Aus der überraschenden Nichtwahl von Hillary Clinton, die von der etablierten veröffentlichten Meinung schon inthronisiert war, habt ihr nichts mitbekommen, nichts gelernt. Sie wurde nämlich auch mehrheitlich von Frauen abgestraft. Es freut sie zwar, wie Männer, wenn sie gebauchpinselt werden, aber Menschen strebt es mehr nach Gerechtigkeit.

Die setzt aber eine offene Debatte voraus. Die besteht aber aus Meinung und Gegenmeinung und nicht, wie hier einem Monolog aus einem von den Realitäten unbeleckten Safe-Space. Ein Monolog bleibt ein Monolog, auch wenn man "Debatte" drüber schreibt.

Debatte

Dass Gegenmeinungen bei uns ausdrücklich erwünscht sind, beweist doch Ihr Kommentar. Jede Menge Meinungen gibt es übrigens in unserer Debatte vorwärts.de/feminismus.

Meinungsfreiheit

Die von Frau Korbik beschriebene Meinungsfreiheit hat es schon immer und überall gegeben. Kim Jong Un in Nordkorea kritisieren? Kein Problem, das dürfen sie. Die zu erwartenden Konsequenzen - Arbeitslager oder gar Exekution - sind keine Beschränkung der Meinungsfreiheit!
Damore hat tatsächlich Jobangebote erhalten, weil sein Fall international grosse Beachtung fand. So ist es selbstverständlich nur in den seltensten Fällen. Und in ein Arbeitslager muss er schon mal gar nicht. Disziplinierung wird im Kapitalismus etwas subtiler eingefordert und sagen darf man alles. Hat man massig Kapital, ja dann kann man sich frei äussern. Das hat Frau Körbik schön verinnerlicht.

Völlig richtiger Debattenbeitrag

Die Kommentare hier gehen m.E. etwas in die falsche Richtung bzw. am Thema vorbei. Meinungsfreiheit schützt vor meinungsbezogenen Eingriffen des Staates, nicht direkt - schon gar nicht in den USA - privater Akteure.

Natürlich dürfen Meinungsäußerungen Folgen haben. Die Meinungsäußerungen der Autoren in einem SPD-Parteiblatt werden schließlich auch Folgen für die SPD haben (Damore sprach übrigens nur für sich selbst).
Die Autorin hat ebenso vollkommen Recht, dies auf die Beschäftigungsfähigkeit eines Menschen bei Privatunternehmen auszudehnen. Hätten wir keinen Sozialstaat, müsste man jemandem, der "European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus" studiert hat, für soviel Mut sogar höchsten Respekt zollen. Ein James Damore hingegen wird wahrscheinlich spätestens zum 1.9. wieder mit sechsstelligem Jahresgehalt beschäftigt sein und kann zwischenzeitlich etwas Popularität genießen.

Letzteres fehlt der hiesigen Publikation noch. Ohne einen Link-Tipp wäre ich nie auf diesen Schatz von dokumentierter Parteikultur gestoßen. Deshalb ist es so wichtig, wirklich allen zuzuhören und allen Meinungsäußerungen Folgen einzuräumen, gerade so kurz vor der Bundestagswahl.

Fem okraten

"Censorship is for losers." (J. Assange)

Überdies: Noch vor wenigen Tagen hatte Frauenministerin Barley die Behauptung, sie habe sich auch mit Väterverbänden getroffen, als "Frechheit" zurückgewiesen. Und NATURGEMÄSS haben jene höchst fragwürdigen Ansichten von vorgestern bzgl Männer und Frauen nach aller Erfahrung mit den frauenquotierten Genoss_*(I)nnen keinerlei Konsequenzen – schließlich soll die 'männliche Gesellschaft überwunden werden'.
Konsequenz 'auf Augenhöhe': frau redet am besten gar nicht erst MIT Männern/Vätern, sondern nur über sie – und zwar ausschließlich mit dem Ziel der Stigmatisierung, Pathologisierung und Dämonisierung. So läuft sie, die 'Debatte' im sozialfemokratischen Diskursreservat.

Wer wählt so etwas? Die Verfechter der menschlichen Gesellschaft jedenfalls nicht.