1. Schulz hat keine Inhalte! (Aber die sind total teuer!)
„Inhaltlich unkonkret“ sei Schulz, kritisiert CDU-Generalsekretär Peter Tauber, und andere Kommentatoren springen ihm fleißig bei. Das ist ein bequemer Vorwurf, denn die SPD hat in der Tat noch kein Wahlprogramm vorgelegt. Die CDU dummerweise aber auch nicht. Da könnte man mit gleicher Logik der CDU “keine Inhalte” vorwerfen.
Obwohl Schulz gar keine Wahlversprechen macht (keine Inhalte!), sind diese nicht vorhandenen Wahlversprechen aber sehr, sehr, sehr teuer. Das findet zumindest JU-Chef Paul Ziemiak: „Seine Wahlversprechen werden die hart arbeitenden Menschen zahlen!” – Da passt was nicht zusammen.
2. Schulz ist Populist!
Christian Wohlrabe bloggt, Schulz sei „ein Lehrstück in Sachen Populismus”. Denn: “Kein ernst zu nehmender Politiker hatte Schulz je wegen seines fehlenden Abiturs oder seiner Alkoholkrankheit angegriffen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, das in seiner Rede zu suggerieren.” (stimmt, die hielten sich vornehm zurück – andere, wie Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart, befanden indes, ein trockener Alkoholiker ohne Abitur dürfe niemals Kanzler werden!).
Auch Henryk M. Broder schreibt in der Welt, Schulz sei “ein lupenreiner Populist”. Bei der Deutschen Welle meint Journalist Gero Schließ, Schulz mache “Populismus salonfähig”. Der stern findet immerhin, er sei ein “netter Populist”. RT Deutsch, der deutsche Ableger der “Russia Today”, hält Schulz ebenfalls für einen Populisten.
Die Kritiker hätten lieber mal das Buch „Was ist Populismus?“ lesen sollen. Dann hätten sie gewusst: Populisten zeichnen sich dadurch aus, dass sie „wahres Volk“, ein „moralisch reines, homogenes Volk“ konstruieren, zu dem „der Andere" wie Eliten oder Menschen mit anderer Hautfarbe, Nation oder Religion nicht gehören.
Schulz aber gehört wahrlich nicht zu einer solchen Sorte Politiker, wie übrigens die BBC klar erkennt. Wenn die Kritiker mäkeln: “Schulz ist ein Populist!”, dann meinen sie in Wahrheit: “Schulz kämpft für die kleinen Leute!”
3. Schulz macht zu viel Party!
Schulz geht „lieber auf eine Party, statt Politik zu machen”, beschwerte sich ZEIT Online. CDU-Fraktionschef Volker Kauder kritisierte, Schulz “denkt nur an Wahlkampf. Sein Verhalten grenzt an Arbeitsverweigerung.“ Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer meinte, Schulz sei eine „SPD-Party wichtiger“ als „konkrete politische Arbeit“.
Was war passiert? Eine Sitzung des Koalitionsausschusses war verschoben worden auf einen Abend, an dem Schulz bereits zugesagt hatte, beim Frühlingsempfang der SPD-Bundestagsfraktion den Otto-Wels-Preis zu überreichen. Schulz hatte daher mitteilen lassen, er lasse sich von dem Vizekanzler und ehemaligem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel sowie von Fraktionschef Thomas Oppermann vertreten.
Eigentlich nicht tragisch, denn: Neue Gesetze werden in dieser Legislaturperiode ohnehin kaum noch auf den Weg gebracht, denn die Formulierung eines Gesetzes, die Verhandlungen zwischen Ministerien und Fraktionen usw. dauern – und dann ist schon Wahl. Alles, was zu besprechen ist, können CDU/CSU genauso gut mit Gabriel und Oppermann besprechen.
Seltsam ist der Vorwurf, Schulz würde stattdessen lieber „Party“ machen. Der Frühlingsempfang ist nicht als ausschweifende Party bekannt, sondern findet auf der Fraktionsebene des Reichstags neben den Sitzungssälen statt. Musik gibt es nicht, man trinkt ein Bier und geht wieder nach Hause. Außerdem trinkt Schulz bekanntlich keinen Alkohol. Und: Die Verleihung des Otto-Wels-Preises (benannt nach dem SPD-Abgeordneten, der die Rede gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz hielt) ist alles andere als Party: sondern Engagement gegen faschistische Kräfte, heute wichtiger denn je. Das „Party“ zu nennen, ist fast schon menschenverachtend. Am Ende wurde der Koalitionsausschuss einfach etwas nach hinten verschoben, und Schulz hat teilgenommen. So einfach geht’s.
4. Schulz löst Frühlingsgefühle aus!
Die Kolumnistin Margarete Stokowski schreibt auf SPIEGEL Online, dass an Schulz zwar „im Grunde nichts so völlig verkehrt“ ist, aber dass trotzdem Schulz irgendwie blöd sei, weil, naja, das weiß sie auch nicht so recht. Aber dass die SPD nun Schulz gefunden habe wie „ein langjähriger Single einen heiratswilligen Partner”, erregt ihr Missfallen. Schade, dass es Leute gibt, die einem nicht mal Frühlingsgefühle gönnen.
5. Die SPD regiert doch auch jetzt schon! Die soll sich mal nicht beschweren!
Immer wieder kommt der Vorwurf, die SPD habe doch auch jetzt schon mitregiert! Sie solle doch nicht so tun, als sei sie nicht verantwortlich für die Politik der Bundesregierung!
Naja. Die SPD ist eben nur der kleine Koalitionspartner. In einer Koalition kann sich der kleine Koalitionspartner eben seltener durchsetzen. Er muss immer Kompromisse machen. Daher kann auch die SPD unzufrieden sein mit einer Regierung, der sie selbst angehört – vor allem, wenn sie eben nicht den Kanzler stellt. (Das ist zwar Grundwissen für Demokratie-Neueinsteiger, aber muss wohl trotzdem gesagt werden.)
Die Vorwürfe an Schulz werden immer absurder. Dieser Wahlkampf auf Trump-Niveau schadet am Ende nicht Martin Schulz, sondern uns allen.