Achtung Satire

Nach Fridays for Future: Warum gibt es eigentlich keinen „Social Sunday“?

Martin Kaysh25. Februar 2021
Das Soziale hat es gegen das Ökologische gerade nicht so leicht. Dabei sind Mensch und Umwelt doch kein Widerspruch. Oder?

Wer erklärt meiner Vermieterin, dass sie in meiner Garage eine Ladestation fürs E-Auto einrichten muss? Sie sollte aber dafür nicht gleich brutal die Miete erhöhen. Nebenbei könnte man sie davon überzeugen, auf dem Dach Solarzellen zu montieren. Das hat sie bei der letzten Renovierung vor acht Jahren irgendwie vergessen.

Sparsamkeit muss man sich leisten können

Toll wäre, wenn es dann noch gelingt, meine Heizung umzustellen. Ich kann es mir als Mieter ja nicht aussuchen. Die Wärme könnte statt im Kohlekraftwerk nebenan mit der Reibungswärme der Windradgetriebe am Stadtrand erzeugt werden. Gut, durch den Klimawandel sollen die Winter mittelfristig milder werden. Wenn wir nichts tun, erledigt sich das Problem der Winterkälte irgendwann von alleine.

Es ist etwas peinlich, aber ich kann da wie Zigmillionen anderer Wenigergutverdiener in Umweltfragen nicht frei entscheiden. Das war schon in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts so. Zwar gab es tolle Umweltvorschriften, aber ich musste als Student mit einem spritfressenden Hubraumriesen der vorletzten PKW-Generation rumgurken. Sparsamkeit muss man sich erst mal leisten können.

Das Soziale hat es gegen das ­Ökologische gerade nicht so leicht. Ihm fehlen magische Bilder für die ­sozialen Netzwerke. Mag sein, dass ein Amazon-Saisonarbeiter in ­einer Schlichtwohnung haust. Will er auf die Not hinweisen, sollte er sich jedoch ­einen schwer ­abbaubaren Plastikstrohhalm ins Nasenloch stechen und dieses Bild bei Instagram posten. Auch das würde scheitern. Zwecks Skandalisierung müsste er dabei auch noch im smaragdgrünen Wasser der Malediven dümpeln. Allein, mit elf Euro Stundenlohn brutto schaffst Du es gerade mal zum Möhnesee im Sauerland.

Umwelt und Soziales kein Widerspruch

Wir feiern die Fridays for Future und vergessen darüber, dass die Woche sieben Tage hat. Warum gibt es eigentlich keinen „Wednesday for Workers“, den Mittwoch der Malocher, oder einen ­„Social Sunday“? Umwelt und Soziales sind kein Widerspruch, sie sind ja nicht Kapital und Arbeit. Dabei betreibt etwa Bundesumweltministerin Svenja Schulze ihre Arbeit konsequent fachkundig. Wäre man geschichtslos, könnte man sie dabei für eine Fastgrüne halten.

Dass es beim Schutz der Umwelt nicht zuerst um bedrohte Insekten geht, sondern um Menschen in der bedrohlichen Welt, weiß man in der SPD spätestens seit dem 28. April 1961. Vielleicht wurde an dem Tag nicht der Umweltschutz erfunden, aber er bekam ein megastarkes Bild.
„Erschreckende Untersuchungsergebnisse zeigen, dass im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Luft und Wasser eine Zunahme von Leukämie, Krebs, Rachitis und Blutbildveränderungen sogar schon bei Kindern festzustellen ist“, sagte Willy Brandt beim Parteitag. „Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“ Acht Jahre später wurde er Bundeskanzler, erst 19 Jahre später gründete sich die Partei mit dem Grünen im Namen.

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