Frauenfußball

Warum Frauen und Fußball schon immer zusammengehören

Jan Duensing07. Juni 2019
Heute startet die Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Frankreich. Unser Blogger Jan Duensing fordert Männer auf, sich aktiv gegen Sexismus im Fußball zu stellen.

„Fußball ist ein Abbild der Gesellschaft“, wird oft gesagt und das stimmt bisweilen sogar. Wenn wir davon ausgehen, dass wir in einer sexistischen Gesellschaft leben – und das tue ich –, dann ist Sexismus etwas, womit sich alle Beteiligten im Fußball auseinandersetzen müssen. Da hilft es nicht, zu behaupten, dass der Sport an sich unpolitisch sei und man ihn mit einem solchen Thema nicht belasten dürfe. Schließlich geht es nicht darum, eine bestimmte politische Agenda durchzubringen, sondern vielmehr um das grundsätzliche Recht auf Teilhabe. Oder anders ausgedrückt: Dass alle den Sport, auf den sie Bock haben, betreiben, feiern oder von mir aus auch kritisieren dürfen und anschließend nicht wegen ihres Geschlechts dafür beurteilt oder gar beschimpft werden.

Wir befinden uns im Jahr 2019 und da ist das ja wohl kein Problem mehr? Schön wär‘s! Beispiel gefällig? Europameisterschaft der Männer 2016, das ZDF setzt bei zwei Partien auf Claudia Neumann als Kommentatorin. Die Folge: ein Sturm an sexistischen Beschimpfungen in den sogenannten Sozialen Netzwerken. Immerhin, das ZDF stellte sich entschieden vor seine Mitarbeiterin. Anderes Beispiel: Bibiana Steinhaus. Seit 2017 leitet die Schiedsrichterin als erste Frau Bundesligaspiele der Männer. In Interviews muss sie sich immer wieder fragen lassen, wie das denn sei „als Frau im Fußball“. Unabhängig davon, dass sie kaum für 3,5 Milliarden Geschlechtsgenossinnen sprechen kann, wäre die vernünftigere Frage doch, warum sie immer noch die Einzige ist. Sonst sollte sie einfach als das behandelt werden, was sie ist – als Weltklassereferee.

Lottes Erbinnen

Frauen und Fußball – das gehörte natürlich schon immer zusammen: Schon aus dem Jahr 1881 sind in England Frauenfußballspiele verzeichnet. In Deutschland kann man immerhin schon 1922 erste organisierte Spiele von Frauen bei Hochschulmeisterschaften belegen. Genauso früh begegneten die Frauen aber auch Widerständen und strukturellen Ausschlüssen. Viele Vereine wollten Frauen nicht aufnehmen, sodass diese gezwungen waren, eigene Vereine zu gründen. So entstand zum Beispiel in Frankfurt am Main der 1. Deutsche Damen Fußballclub unter der Ägide der Pionierin Lotte Specht. 1955 beschloss der Bundestag des Deutschen Fußballbundes (DFB) Fußball unter dem Dach des Verbandes ganz zu verbieten. Fortan durften Vereine, die eine Frauenfußballabteilung unterhielten, nicht mehr Mitglied des DFB sein.

Dieses Verbot hielt bis 1970, da hob der Deutsche Fußball-Bund es unter Vorbehalt auf. Die Frauen ließen sich aber ohnehin nie vom Fußballspielen abhalten. Schon 1956 hatte ein inoffizielles Länderspiel einer deutschen Frauenschaft gegen die Niederlande stattgefunden. Auf das erste offizielle Länderspiel mussten sie bis 1982 warten, 5:1 siegten sie gegen die Schweizerinnen. Ein endscheidender Schritt aus dem Schatten heraus gelang den deutschen Frauenfußballerinnen durch den Sieg bei der Europameisterschaft 1989 im eigenen Land. Im Anschluss erhielten die Spielerinnen als „Prämie“ ein inzwischen schon legendär gewordenes Kaffeeservice, das seither als Sinnbild für das Fehlverhalten von Offiziellen gegenüber dem Frauenfußball herhalten muss.

Hoch die anti-sexistische Solidarität!

Und heute? Erleben Frauen, die in irgendeiner Form im Fußball unterwegs sind, noch Benachteiligung oder Diskriminierung? Nach allem, was ich lese und höre, werden Frauen in nahezu allen Bereichen des Fußballs bisweilen immer noch als Fremdkörper wahrgenommen. Als Mann empfehle ich eins: Solidarität. Denn auch wenn das dem weitverbreiteten männlichen Dominanzbedürfnis widerstrebt: Männer werden das Problem mit dem Sexismus, selbst wenn sie wollten, nicht allein lösen. Aber sie können ihren Beitrag leisten und dann versuchen zurückzutreten, ohne die Lorbeeren für irgendwas einheimsen zu wollen.

Es lohnt sich hingegen, die Frauen zu unterstützen, die bereits zahlreich da sind und sich engagieren: Seit einigen Jahren gibt es das Netzwerk „F_in Frauen im Fußball“, das Forschung über sexualisierte Gewalt im Fußball betreibt. Oder es gibt „Discover Football“, die sich für Frauenrechte weltweit einsetzen und dafür 2017 den Julius-Hirsch-Preis des DFB erhielten. Oder den Podcast „FRÜF“, ein Akronym für „Frauen reden über Fußball“, wo genau das sehr spannend getan wird.

Frauenfußball? Schaue ich mir gerne an!

In diesem Sommer ist übrigens Weltmeisterschaft: Fußball-WM der Frauen in Frankreich! Wer sich damit beschäftigt, wird sehen, dass woanders auch nicht alles rosig ist, aber es doch zumindest spannende Ansätze gibt, Dinge anders zu machen. In England haben sie sich zur Kaderpräsentation etwas Besonderes einfallen lassen: In einem Video bei Twitter lasen 23 Prominente die 23 Namen der Spielerinnen des WM-Kaders vor, darunter Prince William oder David Beckham. Eine starke Aktion, die den Spielerinnen den Rücken stärkt!

Ein guter Anfang wäre es, sich zu informieren. In meinem Umfeld gibt es viele Männer, die jeden Kick von Männern verfolgen, aber nicht wissen, gegen wen das deutsche Frauennationalteam in der Vorrunde bei der WM spielt, geschweige denn fünf Nationalspielerinnen aufzählen können. Wer das schon von sich behaupten kann, darf den nächsten Schritt gehen: Einschreiten gegen sexistische Kommentare! Wenn beim Mittagessen im Büro mal wieder ein Kollege behauptet „Frauenfußball ist einfach nicht so athletisch und attraktiv!“, können Sie mit ihrem neu gewonnen Fachwissen glänzen und sagen: „Ich finde es gut, dass die Netto-Spielzeit bei den Frauen viel höher ist, weil dort durchschnittlich weniger gefoult und lamentiert wird. Das schaue ich mir gerne an!“

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