Arbeitskräfte

Fachkräftemangel: Vorsicht vor den Lockrufen aus Bayern!

Martin Kaysh18. April 2023
In Bayern hat der Mangel an Fachpersonal Tradition. Der Freistaat löst das Problem am liebsten auf Kosten der anderen Bundesländer. Das ist ganz schön dreist, findet unser Kolumnist Martin Kaysh.

Bayern ist traditionell Land des Mangels, des Fachkräftemangels. Um Siege einzufahren, kauft ein gewisser Fußballverein aus München seit Jahren im Westen alles, was trotz verbundener Augen und Beine zielsicher das Tor trifft.

Diese Abwerbetaktik wird gerade von Markus Söder (CSU, Ministerpräsident) auf den Lehrermarkt übertragen. Zumindest versucht er das. Fehlendes Personal soll nicht in Nürnberg, Augsburg und Passau ausgebildet, sondern fertig von den Nordländern (besser bekannt als „Preißn“) übernommen werden.

Söder hat nur Geringschätzung für andere

Das scheint cool gedacht, ist aber sehr problematisch. Der heimische Bayerische Elternverband (BEV) erinnerte Söder dann auch umgehend: „Für die Bildung anderer Bundesländer hatten Sie bisher kaum mehr als Geringschätzung übrig.“ Schon paradox, wenn er das wertvolle bajuwarische Bildungsglück plötzlich den vermeintlich irrlichternden Nordlichtern anvertrauen will.

Der Fachkräftemangel im nationalen Süden hat Tradition. Schon vor genau 50 Jahren, 1973, umwarb ein dortiger Autobauer eher ungelenk Fachleute aus dem Ruhrpott. BMW rief flächendeckend zwischen Duisburg und Hamm per Inserat: „Jupp, komm’ nach Bayern!“ und argumentierte durchschlagend: „Mehr Bier fürs Geld!“

Um wen geht es eigentlich?

Ähnlich basal versuchte es unlängst auch Christian Lindner (FDP, als Christian Lindner) in Accra (Ghana). Im spärlich besetzten Hörsaal hoben nur ein paar Studierende zögernd die Hand, als der Bundesfinanzminister fragte, für wen Arbeiten in Deutschland eine Option sei. Das sah mehr nach Höflichkeit oder Mitleid aus als nach Euphorie oder dem Run in die Sozialsysteme.

Zwischendurch muss mal geklärt werden, um wen es eigentlich geht: Fachleute, das sind jene, die können, worüber Experten in Talkshows immerzu nur reden. Diese Art der Rede können wahrscheinlich bald Chatroboter übernehmen, jene Künstliche Intelligenz, die auf Knopfdruck zu allem etwas zu sagen hat. Über ChatGPT redet derzeit ja jeder, in Talkshows zumindest.

Nicht ganz so clever

Die Facharbeit müssen derweil andere übernehmen. Nebenher ist es da nicht ganz so clever, auf ein Pflichtjahr für alle zu setzen. Denn während sich so etwa 700.000 junge Menschen ein Jahr lang durch soziale, ökologische oder militärische Welten wurschteln, fehlen gleichzeitig anderswo 700.000 Profis, die Wärmepumpen bauen, Busse fahren oder Impfstoffe entwickeln. Ob es etwa Pflegebedürftigen guttäte, von zwangsfreundlichen Pflichtjahrlern versorgt zu werden, wäre ein spannendes Experiment. Die ethischen Grundlagen dafür klären dann Talkshowler mit ChatGPTs stiller Hilfe.

Vor 50 Jahren kamen übrigens nur gut zwei Dutzend Jupps in die bayerische Provinz. Für die Fabrikarbeit mussten schließlich heimische Vieh- zu Autobauern umgeschult werden.

Kommentare

ja , die Bayern- versuchen es immer wieder

aber aus dem Norden kommen nicht genug, war ja schon seinerzeit so, als Jupp angefordert wurde mit der Aussicht auf viel Bier.
Wenn Jupp nicht kommt, kommt Jaroslav, aus dem Böhmischen, vielleicht auch aus Mähren, oder aus Kroatien kommen auch sehr viele, so dass Bayern seinen Arbeitskräftebedarf immer noch hat decken können, dies sogar noch gepaart mit einer im großen und Ganzen gelungenen Integration. Davon könnte man lernen, aber nun ist es ja mal Bayern, und dass schliesst per se ein Vorbildfunktion aus, wie wir alle wissen. Daher: Gute gegeben, hier im Artikel, immer drauf und nicht locker lassen gegen Söder und Konsorten