Konflikt in Israel und Palästina

Eine Entscheidung ist immer auch ein Risiko

Hakan Demir17. Mai 2021
Längst ist der Konflikt in Israel und Palästina auch in Deutschland angekommen. Sich dazu zu äußern, ist nicht leicht. Politiker*innen sollten es trotzdem tun, denn es ist ihre Aufgabe, sich zu positionieren – gerade, wenn die Antworten nicht eindeutig sind.

„Hakan, das ist ein Wespennest“, sagte eine Parteikollegin und riet mir davon ab. Aber ich glaube, dass es die Aufgabe von Politiker*innen ist, sich zu positionieren – gerade, wenn die Antworten nicht eindeutig sind. Die Regel ist, dass man immer differenziert bleiben muss.

Doch wie treffen wir eigentlich gute Entscheidungen? In den letzten Tagen habe ich mich das öfter gefragt. 20.000 Entscheidungen treffen wir laut Wissenschaft jeden Tag – T-Shirt oder Pulli, Müsli oder doch Gözleme, Bus oder Tram, Tweet oder Insta-Post. Die Zahl der Alternativen nimmt zu. Forscher*innen sprechen von „Multioptionalität“. Die Entscheidung an sich setzt immer Freiheit voraus. Und diese Freiheit kann auch eine Last sein. Das habe ich jetzt wieder gespürt.

Ich kann nicht wegschauen

Sollte ich mich zum Konflikt in Israel und Palästina äußern? Was schreibe ich über die Opfer auf beiden Seiten? Was wird mein Hauptgedanke sein? Das war eine schwierige Entscheidung und ich will hier gar nicht inhaltlich werden, sondern nur darüber schreiben, was ich mir vorher für Gedanken gemacht habe. Vielleicht erging es auch vielen anderen so?

Fakt ist: Wüssten wir immer vorher Bescheid, was richtig oder falsch ist, bräuchten wir uns nicht zu entscheiden. Eine Entscheidung ist also immer auch ein Risiko, sich zu täuschen, falsch zu liegen. Und das passiert auch natürlich mir. Oder anders gesagt: „Prepare to be wrong.“

Ich habe anfangs gezögert, weil ich ein schlechtes Gefühl hatte. Egal, was man schrieb, man wurde von der einen oder anderen Seite kritisiert. Das gehört dazu. Hinzu kommt, dass ich als Neuköllner Bundestagskandidat, also eines Bezirks, in dem Menschen aus 150 Staaten leben und als Bürger dieses Landes, das eine besondere Verantwortung für den Staat Israel hat, mich positionieren muss. Ich kann nicht wegschauen.

Zu vielschichtig für Tweets

Ich hatte vorher bei anderen Kolleg*innen gesehen, dass sie häufig nur die eine Seite beleuchteten und die andere Seite erst gar nicht nannten. Entweder wurde nur von Israel gesprochen oder nur von Palästina. Das wurde in den vielen Kommentaren kritisiert. Ich konnte das ehrlich gesagt nachvollziehen.

Also schrieb ich auf Twitter:

Ich bekam keinen Shitstorm – weder von der einen noch der anderen Seite. Das heißt nicht, dass es ein guter Tweet war, aber ich hatte das Gefühl, dass die menschliche Dimension der Opfer auf beiden Seiten klarer wurde und meine absolute Position, dass ich den Antisemitismus in Deutschland ablehne. Am Ende bleibt ein schlechtes Gefühl, nicht wegen meines Statements, sondern wegen der Menschen vor Ort. Sie leiden weiterhin. In Gedanken bin ich bei ihnen.

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