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Warum der Eintritt von Wölfi Wendland die SPD hoffen lassen kann

Martin Kaysh19. Dezember 2018
Martin Kaysh findet, dass sich die SPD nicht erneuern, sondern veraltern müsse. Er träumt von vergangenen Zeiten, als man noch auf ein besseres Morgen hoffte und die SPD diese Visionen verkörperte. Deswegen ist der Eintritt des Punk-Rockers Wölfi Wendland ein Hoffnungsschimmer.
Man kann sich freuen. Es gibt kleine Geschichten, die hoffen lassen. Soeben trat ein ehemaliger Kanzlerkandidat der SPD bei, ein gescheiterter, aber einer von der Basis, ohne Diäten, Dienstwagen und Talkshowgesicht. Wölfi Wendland heißt er, ein Punksänger aus Wattenscheid, ehedem Spitzenkandidat der APPD, ja, der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands.

Der Punk ist nur aus Versehen keine Erfindung der SPD

Jetzt nicht gleich zum Lesertelefon greifen oder zum Likörchen, der Mann ist in Ordnung. Wenn man 40 Jahre nach Geburt dieses rauen Rock’n’Roll-Stils noch um Sitte und Ordnung fürchtet, dann soll man an einen ehemaligen Vorsitzenden der schönsten Partei der Welt denken, an Sigmar Gabriel. Der sagte mal, man müsse dahin gehen, „wo es laut ist, wo es manchmal riecht, dahin, wo es anstrengend ist“. Da ist der Punk zu Hause. Nur aus Versehen ist er keine Erfindung von SPD oder Labour, aber immer gegen die Konservativen, gegen Nazis manchmal entschiedener als manch Genosse.

Jetzt also Erneuerung. Ein Fest für viele Genossen. Genossen ist bekanntlich wie genießen, nur später. Genüsslich fordert man, was man immer forderte, weiß man besser, weil man schon immer besser wusste, das jetzt aber in neuen Schläuchen oder Facebookgruppen. Schon gilt das Wort „Erneuerung“ als die SPD-Variante des Falken-Grußes „Freundschaft!“

Mehr Ideen als die Partei Mitglieder hat

Ganz ehrlich, liebe SPD, ganz toll, ich mag es aber nicht mehr hören. Denn unter dieser Überschrift finden sich mehr Meinungen und ­Ideen, als die Partei Mitglieder hat. Hartz IV wird unter dem Motto sofort abgeschafft, bald erhöht, alternativ weiterentwickelt oder verteidigt. Mal soll die GroKo weitergeführt, mal neu belebt, mal verlassen werden. Die SPD selbst braucht eine neue Führung, muss Kurs halten und dabei nach links rücken.

Glücklich wären selbst dann nicht ­alle, wenn Andrea Nahles direkte Nachfolgerin von Angela Merkel würde, als Kanzlerin natürlich, der Mindestlohn auf 13 Euro 40 stiege und Hartz IV modernisiert würde zu Hartz 4.0. Allen, die beim Wettbewerb „Wer ist mal so richtig ehrlich, offen links und radikal?“ die SPD nur auf Rang zwei sehen, reiche ich die Hand. Wenn der Zusammenbruch des Kapitalismus unausweichlich noch vor dem Klimakollaps erfolgen wird, dann lasst uns bis dahin noch ein wenig Politik machen, und sei es nur aus Langeweile.

„Wer Visionen hat, sollte in die SPD gehen.“

Vielleicht muss sich die SPD aber gar nicht erneuern, sondern veraltern, muss zurück zu einer Zeit, als man noch hoffen konnte auf eine bessere Zukunft, aber auch die Kraft fand, an dieser Hoffnung zu arbeiten. Das war noch vor dem großen Pragmatiker der Partei, der in dieser Ausgabe geehrt wird. Vielleicht kann man bald ganz unblöd sagen: „Wer Visionen hat, sollte in die SPD gehen.“

Als die Lokalzeitung nach dem Eintritt des Punk-Kanzlerkandidaten herumtelefonierte, fand sie schnell ein Partei-Urgestein, das von einem Armutszeugnis sprach. Ach, SPD.

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