Viele waren erst Virologen, dann Bundestrainer, zuletzt Katastrophenschützer, ich bin dann mal Avantgarde, Verfassungsrichter, besser: Verfassungsfreund.
Wahlen in Zeiten der Pandemie können aus guten Gründen Briefwahlen sein. Toll ist das nicht. Persönlich mag ich es, wenn ich einen Spaziergang zum Wahllokal unternehmen muss. Es heißt schließlich wählen gehen, nicht wählen fahren oder „sich vom Fahrdienst des Ortsvereins wählen fahren lassen“.
Haben wir im Grunde drei Wahlen?
Massenweise genutzt, macht mir diese Vor-Wahl Sorgen. Das Grundgesetz sagt, dass wir „in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl“ entscheiden. Das Gleiche meint hier zwar etwas anderes. Aber schön ist es nicht, wenn die einen schon Mitte August, die anderen erst am 26. September, kurz vor 18 Uhr, ihre Stimme abgeben. Denn dann haben wir im Grunde zwei bis drei Wahlen.
Wer zu früh wählt, den bestraft schnell mal die Wirklichkeit. Der verpasst vielleicht das Beste, das bekanntlich gern zum Schluss kommt. Armin Laschet, der parlamentarische Arm des rheinischen Frohsinns, wird noch manche Gelegenheit nutzen, sich als Durchwurschtler der deutschen Politik zu zeigen. Da könnte man verpassen, dass es als Gegenstück zum Wechselwähler den Aachener Wechselpolitiker gibt. Der ändert Meinung und Wahlversprechen öfter als Schalke in Krisenzeiten den Trainer.
Der August-Armin und der September-Laschet
Es könnte sein, dass der September-Laschet wenig zu tun hat mit dem August-Armin. Auch bei der grünen Spitzenkandidatin sollte man damit rechnen, dass die letzten Wochen vor der Wahl noch manch unbekannte Facette ihrer Biografie oder ihrer beruflichen Tätigkeiten offenbaren.
Bei Amazon kannst du dank des Fernabsatzgesetzes 14 Tage lang alles zurückschicken. Bei Fernabstimmungen kannst du nichts zurücknehmen. Was einmal in der Urne liegt, fischt dir da keiner mehr raus.
Jeder Depp darf kandidieren
Dazu kommen Nebenbedenken. Schon lange frage ich mich, warum jeder, auch Depp, für den Bundestag kandidieren darf, wo du für alles in Deutschland Nachweise und Bescheinigungen brauchst. Man könnte für den Nachweis politischen Grundwissens den Einbürgerungstest nutzen. Fraglich, ob jeder AfD-Kandidat da glänzen würde, zumindest bei Fragen, die sich mit der Zeit nach 1945 beschäftigen.
Auf Volkes Seite sieht es oft nicht besser aus. Zum Wählen muss man zwar volljährig sein, darf dabei aber durchaus volltrunken sein. Warum gibt es da keine Promillegrenze? Ich frage, weil US-Psychologen festgestellt haben, dass Betrunkene konservativer wählen. Die dürfen dann zwar nicht mit dem Auto zur Wahl fahren. Aber an der Urne dürfen sie dann ungebremst politischen Schaden anrichten. Da reicht es, wenn sie den Stimmzettel nur irgendwie eigenhändig in den Schlitz der Urne stecken.
Keine Sorge, nicht deshalb gehe ich zu Fuß zur Wahl. Ich schreite mit glühendem Herzen, aber vollkommen nüchtern.