Rechtsextremismus

Wie die AfD den Antisemitismus in Deutschland nährt

Christian Wolff10. Oktober 2019
Der Überfall auf die Synagoge und die Morde in Halle zeigen: Die Terrortaten sind die Spitze der Eisberge Rechtsextremismus und Antisemitismus. Die Grundlage legen Pegida und AfD.

Waren die Morde und der Angriff auf die Synagoge in Halle/Saale ein „Alarmzeichen“, wie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer meint oder ein „Anfang“, dem man wehren muss? Nein, das offensichtlich beabsichtigte Massaker in der Hallenser Synagoge am Feiertag Jom Kippur ist der dramatische Tiefpunkt einer Entwicklung, die seit mindestens drei Jahrzehnten anhält: das Wachsen des Rechtsextremismus, der wesensmäßig im Antisemitismus verankert ist, und seine Verleugnung bzw. Verdrängung („Die Sachsen sind immun gegen den Rechtsextremismus“ Kurt Biedenkopf).

Bei Pegida und der AfD wird die Saat gelegt

Es sind die kleinen Erlebnisse, die die politische Katastrophe offenbar machen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es sind nicht mehr die „kleinen“ Ereignisse, die man doch bitteschön nicht so aufbauschen soll. Zwei Tage vor dem antisemitischen Gewaltakt eines rechtsextrem eingestellten Menschen geschah in Dresden Folgendes: Pegida hatte wieder einmal zum montäglichen „Abendspaziergang“ aufgerufen. Teilnehmer u.a.: Jörg Urban, Landesvorsitzender der AfD Sachsen, und André Wendt, der gerade mit CDU-Stimmen gewählte neue AfD-Vizepräsident des sächsischen Landtages. Damit wird zum wiederholten Mal in aller Öffentlichkeit dokumentiert, dass es zwischen der rechtsextremistischen Pegida-Bewegung und der AfD einen engen Schulterschluss gibt.

Lutz Bachmann, der Sprecher von Pegida, rief auf der Kundgebung am 7. Oktober dazu auf, die „links-grünen Volksschädlinge und Volksfeinde“ in „den Graben“ zu stoßen und diesen dann „zuzuschütten“. Ein Aufschrei in Sachsen war nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Landtagspräsident Matthias Rößler, der selbst ernannte Patriotismusbeauftragte der CDU, beschwichtigt, dass Wendt „nicht im Rahmen seines Amtes als Vizepräsident teilgenommen (habe), sondern als Abgeordneter“. Macht es das harmloser?

Zwar ermittelt der Staatsschutz gegen Lutz Bachmann. Doch der eigentliche Skandal sind nicht die sattsam bekannten Hasstiraden eines Lutz Bachmann. Skandalös wie aufschlussreich ist die Teilnahme der AfD-Repräsentanten an der Pegida-Veranstaltung und ihre damit zum Ausdruck gebrachte inhaltliche Übereinstimmung mit den Rechtsextremisten von Pegida und dem mehrfach vorbestraften Lutz Bachmann.

Jede Stimme für die AfD nährt den Antisemitismus

Nun wissen wir seit bald 100 Jahren, dass wesentliche Säulen des Rechtsextremismus Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind. Darum besteht zwischen der Tatsache, dass mit der AfD Rechtsextremisten und Faschisten wie Jörg Urban und Björn Höcke (und viele andere) in den Parlamenten sitzen, und dem Erstarken eines wieder gewalttätigen Antisemitismus ein unmittelbarer Zusammenhang. Denn mit jedem Mandat, mehr noch: mit jeder Stimme, die bei Wahlen für die AfD abgegeben wird, und mit bald jedem Post eines AfD-Abgeordneten erfährt der Antisemitismus neue Nahrung.

Das wird auf schreckliche Weise durch die Gewalttat in Halle offenbar. Daraus kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Nicht die Morde in Halle sind ein „Alarmzeichen“, nein: sie sind ein aus dem Rechtsextremismus heraus gewachsenes Verbrechen – und sie sind die schreckliche Konsequenz aus jahrelang übersehenen, verharmlosten Alarmzeichen wie

  • die Wahlerfolge für die NPD, DVU und jetzt AfD seit 2000;
  • die Auftritte und Reden der Rechtsnationalisten um Urban, Bachmann, Höcke, Kalbitz, Weidel, Gauland;
  • das von Anfang an menschenfeindliche Wirken von Pegida;
  • die rechtsextremistischen Kapitalverbrechen, denen seit 1990 in Deutschland über 200 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Mit ihrem unsäglichen Treiben geben die Rechtsnationalisten der AfD ein Signal an alle aus, die sich im rechtsextremistischen Denken verstrickt haben und in sich den Drang verspüren, zur Tat zu schreiten und zur Waffe zu greifen: Wenn es all die Fremden, die von Merkel gerufenen „Messermigranten“, all die links-grün versifften „Volksschädlinge“, und dann auch all die Juden und ihre weltumspannende Macht nicht geben würde, dann ginge es den Deutschen gut, dann hätte Herr Gauland jeden gerne zum Nachbarn.

Wer Hasst schürt, macht sich mitschuldig

Deswegen verfolgt die AfD ein Ziel: Sollte sie an die Macht kommen, „dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet“ (Markus Frohnmaier, AfD-Bundestagsabgeordneter). Alles andere, was die AfD gerade heute verlautbaren lässt, ist nur Ausfluss ihrer perfiden Strategie der „Selbstverharmlosung“. Im Kern verfolgt sie die Ziele, die schon einmal Europa in den Abgrund geführt hat.

Hieraus kann es nur eine Konsequenz geben: Jede Stimme für die AfD, jedes Gewährenlassen oder widerspruchlose Hinnehmen ihrer Hetze und Häme, ist eine aktive Unterstützung all dessen, was den Rechtsextremismus ausmacht: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Demokratieverachtung, Verherrlichung autokratischer Systeme, Nationalismus, Antipluralismus, Religionsfeindlichkeit und: Antisemitismus. Darum gilt es schnörkellos zu kommunizieren: Jede Stimme für die AfD ist ein Pflasterstein auf dem Weg in einen zuletzt militanten Rechtsextremismus. Darum ist nur zu begrüßen, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute in Halle unmissverständlich klargestellt hat: „Wer jetzt noch einen Funken Verständnis für Rechtsextremismus und Rassenhass zeigt, wer Hass schürt, wer politisch motivierte Gewalt gegen Andersdenkende und Andersgläubige rechtfertigt, der macht sich mitschuldig.“

Der Text erschien zuerst im Blog des Autors.

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Kommentare

Was nährt AFD, Pegida und Co ?

Wenn weiterhin, natürlich zu Recht, beklagt wird dass AFD, Pegida und Co der Nährboden für rechten Terror sind, so darf natürlich die Antwort auf die Frage nicht aufgespart werden, wer denn den Nährboden für die AFD bereitet ! Da blickt man dann gerne mehr als 30 Jahre zurück und macht die DDR-Gesellschaft und ihre strukturellen Schwächen für die mangelnde Beschäftigung mit mehr oder weniger verdeckten rechrsextremistischen Umtrieben verantwortlich, deren Auswirkungen bis in die Gehirne heute 25-jähriger reichen.
Ein wenig zu kurz kommen bei der Geschichtsaufarbeitung die strukturelle Schwächen, Versäumnisse, Fehlentwicklungen und Notstände (insbes. auch Personal Bildung, Prävention Sicherheit etc. ) der Gegenwart und das trotz oder wegen des politisch gehypten, beschleunigten technologischen u. digitalen "Fortschrittes" eingetretene Vereinsamungsphänomen. Auch deutsche Technik kann eben nicht alles! Vielleicht kümmern sich künftig chinesische Kommunikationsroboter auch um Abgehängte, Vergessene, Eigenbrödler und Hassprediger?

Was wäre, wenn man die AfD

Was wäre, wenn man die AfD wegzaubern könnte? Dann wäre die AfD morgen oder übermorgen unter anderem Namen wieder da! Die AfD ist eine Protestpartei, bei der die Menschen ihren Unmut äußern.

Da ist kein Balken im Auge

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AfD und Antisemitismus

Laut einem Verwaltungsgerichts-Urteil aus Meiningen/Thür. von Ende September, darf Björn Höcke als Faschist bezeichnet werden!! Wenn das kein "Hoffnugsschimmer" ist.
Fragt sich nur ob daraus Konsequenzen "erwachsen"?