
Seit einigen Jahren wird, nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Medienberichte, zunehmend über die Notwendigkeit einer Reform der Krankenhausfinanzierung diskutiert. Dabei sollte sich die Politik allerdings nicht mit einer Überarbeitung des Systems begnügen, sondern die Frage einer Abschaffung des Fallpauschalensystems auf die Tagesordnung setzen. Denn die zahlreichen, in den letzten 15 Jahren zunehmend deutlicher zutage tretenden Probleme sind nicht durch graduelle Überarbeitungen zu lösen. Sie haben ihre Ursache in den zentralen Konstruktionsgrundsätzen des Fallpauschalensystems.
Das Fallpauschalensystem als Umverteilungssystem
Nehmen wir als fiktives Beispiel zwei Krankenhäuser und zwei Fälle, die beide mit ein und derselben Fallpauschale vergütet werden, und das Gesamtausgabenvolumen würde 100 Euro betragen. Vor Einführung des Fallpauschalensystems wären davon 60 Euro auf Krankenhaus A und 40 Euro auf Krankenhaus B entfallen.
Krankenhaus A erhielt 60 Euro, weil es eine überdurchschnittlich gute Personalbesetzung hatte, sowohl was die Anzahl als auch die Qualifikationsstruktur betrifft. Zudem hatte Krankenhaus A, anders als Krankenhaus B, noch nicht alle sogenannten Servicebereiche wie Reinigungsdienst, Küche, Wäscherei, Handwerker etc. an private Unternehmen ausgelagert. All dies verursacht höhere Personalkosten, die von besonderer Bedeutung sind, da es sich bei Krankenhäusern um sehr personalkostenintensive Einrichtungen handelt (gut 60 Prozent ihrer Kosten entfallen auf Personalkosten). Krankenhaus B hingegen erhielt 40 Euro, weil es deutlich weniger sowie schlechter qualifiziertes und zudem auch schlechter bezahltes Personal beschäftigte, und es hatte nicht nur alle Servicebereiche an externe Unternehmen ausgelagert, sondern auch das Labor, die Röntgenabteilungen etc..
Private Klinikketten als Gewinner
Nach der Umstellung auf Fallpauschalen wird beiden Krankenhäusern eine einheitliche Fallpauschale gezahlt, die auf Grundlage der Durchschnittskosten beider Kliniken berechnet wird. Somit erhält Krankenhaus A statt 60 Euro nur noch 50 Euro, Krankenhaus B hingegen erhält 50 Euro, obwohl es nur Selbstkosten in Höhe von 40 Euro hat. Krankenhaus A macht folglich einen Verlust, muss Personalkosten einsparen und Stellen abbauen. Krankenhaus B hingegen erzielt einen Gewinn. Dies ist, stark vereinfacht, der zentrale Umverteilungsmechanismus des DRG-Fallpauschalensystems. Dieser Umverteilungsmechanismus gilt auch heute noch. Es finden jedes Jahr aufs Neue solche Umverteilungen statt, die zu Verlusten und Gewinnen führen.
Der hier skizzierte Mechanismus trug wesentlich dazu bei, dass mit Einführung der Fallpauschalen eine Vielzahl öffentlicher und auch freigemeinnütziger Krankenhäuser Verluste machte und Kliniken für private Investoren attraktiv wurden. Öffentliche Träger, vor allem Kommunen, verkauften verlustreiche Kliniken und private Klinikketten kauften sie auf.
Kosteneinsparungen ohne Nutzen für die Krankenkassen
Die Auswirkungen des Fallpauschalensystems auf die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind zudem anders als vielfach angenommen. Seit 2006 ist die Höhe der Fallpauschalen von der Entwicklung der tatsächlichen durchschnittlichen Ist-Kosten abgekoppelt. Die Fallpauschalen sind seitdem nur noch ein Instrument zur Umverteilung der Gesamtausgaben zwischen den Krankenhäusern. Die Höhe der Gesamtausgaben richtet sich nicht mehr nach den Ist-Kosten, sondern nach gesetzlichen Vorgaben. Diese Ausgabendeckelung setzt vor allem auf der Ebene der Bundesländer an. Damit sollen die Krankenkassen vor starken Ausgabensteigerungen geschützt werden. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass Kostensenkungen im Krankenausbereich den Krankenkassen nicht zugute kommen. Wenn ein Teil der Krankenhäuser seine Kosten senkt, kommt dies – wie oben dargestellt – Krankenhäusern mit unterdurchschnittlichen Kosten zugute, und das sind vor allem private Kliniken
Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip als Perspektive
Deshalb ist es an der Zeit, dass dieses System nicht nur überarbeitet, sondern abgeschafft wird. Antworten auf die Frage nach einer Alternative kann das 1972 eingeführte System bieten, insbesondere das Selbstkostendeckungsprinzip. Es wurde in den letzten Jahren auch bereits mehrfach reaktiviert, zuletzt bei der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen und Einführung eines auf Grundlage der Selbstkosten zu vereinbarenden Pflegebudgets.
Die Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip würde auch das Problem der Privatisierung eines zunehmenden Teils der Krankenhäuser und des Abflusses von Gewinnen lösen. Wenn mit dem Betrieb eines Krankenhauses keine Rendite zu erzielen ist, werden Krankenhäuser unattraktiv für private Investoren.
Dieser Beitrag basiert auf den Ergebnissen einer Studie für die Hans Böckler Stiftung zum DRG-Fallpauschalensystem für Krankenhäuser.