Datenschutzgesetz

Wie ein zeitgemäßer Datenschutz für Beschäftigte aussehen muss

Lothar Schröder04. Mai 2016
Arbeitnehmer geraten immer mehr unter Kontroll- und Anpassungsdruck. Deshalb brauchen wir einen Datenschutz, der die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten schützt. Höchste Zeit, dass der Gesetzgeber handelt.

Die Digitalisierung ermöglicht eine neue Dimension der Kontrolle von Beschäftigten. Urlaubsbilder im Netz werden zur Begründung herangezogen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Telearbeit zu versagen. Die Kontakte von Betriebsräten in Facebook zum Personal des eigenen Betriebes werden arbeitgeberseitig benutzt, betriebsrätliche Hilfe in Rechtstreitigkeiten zu diskreditieren, Firmen interessieren sich für die Daten von ­Fitness-Armbändern, um das private Gesundheitsverhalten von Beschäftigten unter Kontrolle zu nehmen.

Datenschutz für Persönlichkeitsrechte

Handscanner bei Amazon werden zur lückenlosen Bewegungskontrolle des eigenen Personals benutzt. In den Betrieben drohen Benchmarkingsysteme die Totalisierung des Zählbaren zu verwirklichen. Arbeitende Menschen reklamieren Wertschätzung, sie wollen mehr sein als ein Parameterset in wirtschaftlichen Optimierungsalgorithmen. In den Betrieben entstehen neue Herrschaftskonflikte um Daten.

Mit Bildungsangeboten und öffentlichen Aktionen macht ver.di auf das Thema aufmerksam, aktuell bereiten wir die 3. Digitalisierungskonferenz vor. Wir brauchen ein zeitgemäßes Beschäftigtendatenschutzgesetz, das umfassend die Persönlichkeitsrechte schützt, das aber auch ausufernde Konflikte eingrenzt. Notwendig ist die Modernisierung der Mitbestimmung, damit be­triebliche Arbeitnehmervertreter sich umfassend um die Persönlichkeitsrechte der Menschen kümmern können, die für die Betriebe die Werte schaffen.

Immer mehr Kontrolle und Anpassungsdruck

Notwendig ist ein transparenter und einfacher Gütemaßstab für den Beschäftigtendatenschutz im Betrieb. Und gebraucht wird auch ein Expertengremium beim Bundesarbeitsministerium, das sich der immer neuen Herausforderungen für die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten annimmt. Arbeit hat die Betriebe verlassen. Sie wird zum Teil heute über Plattformen vermittelt und elektronische Begleiter liefern immer mehr Daten, die über Big-Data-Anwendungen ausgewertet werden. Aus den Daten der Beschäftigten der Gegenwart und der Vergangenheit können Prognosen für die Zukunft abgeleitet werden.

Die Gefahren sind groß, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darüber noch unter weiteren Kontroll- und Anpassungsdruck geraten. Sie hinterlassen immer mehr Datenschatten. Die Kontrollpotenziale wachsen und mit ihnen wächst das Misstrauen. Aber wir reden seltsamerweise öffentlich in Deutschland erst über Gefahren, wenn die Missbräuche der Möglichkeiten in den Zeitungen stehen – wie beim Datenschutzskandal der Telekom, der Bahn und bei Lidl. Was wir brauchen ist aber solide, kontinuierliche Gestaltungsarbeit beim Beschäftigtendatenschutz und Grenzen für das technisch Mögliche.

Private Daten müssen privat bleiben

Private Daten müssen für die Berufstätigkeit privat bleiben, auch wenn sie in sozialen Netzwerken verbreitet werden. Die Daten von Fitness-Armbändern von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollten für Arbeitgeber unantastbar sein. Das persönliche Kennenlernen einer Person sollte bedeutsamer bleiben als das Scannen ihrer digitalen Reputation. Wir sollten im Arbeitsleben achtsam praktizieren, was Vorgesetzte über Jahrhunderte praktiziert haben – das Vergessen.

Überhaupt, wir sollten alles daransetzen, die Totalisierung des Zählbaren zu vermeiden. Menschen sind mehr als ihre wirtschaftlichen Zahlen. Viele menschliche Eigenarten sind schwer in Zahlen auszudrücken. Unser Mitgefühl, unsere Umsicht, unser Glaube, unsere Launen, unsere Leidenschaften, unsere Zuversicht und unser Selbstbehauptungswille. Der Mensch ist mehr als die ökonomischen Daten, die er liefert. Das sollten wir bei unseren Gestaltungsbemühungen nicht vergessen.

Die europäische Datengrundverordnung gibt Möglichkeiten, spezifische nationale Schutzregelungen zu schaffen, die technische Entwicklung begründet die Erfordernisse. Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber handelt – wann, wenn nicht jetzt?

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Kommentare

Die Bürger müssen selbst verantwortlich handeln.

Niemand muss sein Privatleben in "sozialen Netzwerken" ausbreiten. Man hat über die Software-Plattformanbieter und die physichen Netzwerkbetreiber keine Kontrolle. Sie gehören einem als Nutzer auch nicht.

Vor dem Datenschutz kommen kompetente Bürger, die wissen, was sie tun. Dazu bedarf es rechtlicher wie technischer Aufklärung. Beides kann und muss vom Bürger selbst geleistet werden.

Schon 2002 veröffentlichte dazu Hartmut von Hentwig sein Buch Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben.

Die Gewerkschaften können die Arbeitnehmer bei der rechtlichen wie technischen Aufklärung durch Schulungsangebote. unterstützten.

Die Arbeitnehmer müssen sich gegenüber den Unternehmern als Vertragspartner verstehen lernen, die sich bestimmte Dinge durch den Vertragspartner nicht gefallen lassen. Das können sie nur über die Gewerkschaften durchsetzen.

Der Gesetzgeber kann das aufnehmen und in Gesetzesform gießen. Der Anstoß dazu muss aber von den als Arbeitnehmern tätigen Bürgern selbst kommen.

Es ist also an der Zeit, für ein neues Bewußtsein bei Arbeitnehmern zu sorgen. Sich als vom Gesetzgeber zu betreuendes Mündel darzustellen, ist nicht hilfreich. Ganz das Gegenteil.