Europa-Abend der SPE

Was die Zeitenwende für den europäischen Klimaschutz bedeutet

Kai Doering28. September 2022
„Paris gilt weiter.“ SPD-Fraktionsvize Matthias Giersch bei der Diskussion mit Linn Selle und Anke Hassel
„Paris gilt weiter.“ SPD-Fraktionsvize Matthias Giersch bei der Diskussion mit Linn Selle und Anke Hassel
Kaum noch Gas, dafür mehr Kohle und Atom: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Energieversorgung über Nacht auf den Kopf gestellt. Das hat Auswirkungen auch auf den Klimaschutz. Ohne Zusammenarbeit – auch mit Russland – geht es dabei nicht.

Matthias Miersch ist nicht dafür bekannt, Alarmismus zu verbreiten. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion ist eher als Sachpolitiker bekannt, akribisch, gut informiert, ruhig. Am Dienstagabend schlägt Miersch aber deutliche Töne an. „Europa muss aufpassen, dass hier keine Deindustrialisierung stattfindet“, warnt der SPD-Politiker bei einem Empfang der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE).

Die veranstaltet Mitte Oktober in Berlin ihren nächsten Kongress mit sozialdemokratischen Partei- und Regierungschef*innen aus ganz Europa. Zwei Tage lang soll über die aktuellen Herausforderungen Europas und progressive Gestaltungsideen für die Zukunft diskutiert werden. Der ehemalige schwedische Ministerpräsident Stefan Lövfen soll zum neuen SPE-Vorsitzenden gewählt werden.

Die Brücke Gas wackelt

Zur Einstimmung hat die SPE am Dienstag zur einem „Europa-Abend“ eingeladen. Mierschs Satz fällt in einer Diskussion mit der Co-Direktorin des Jacques Delors Centres Anke Hassel und der Präsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), Linn Selle. Es geht um die Frage, was die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“ für die Europäische Union bedeutet.

„Paris gilt weiter“, sagt Matthias Miersch und meint damit das historische Abkommen zum Klimaschutz, das 2015 in der französischen Hauptstadt unterzeichnet wurde. Russlands Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Unsicherheiten bei der Energieversorgung machten es aber deutlich schwerer, die Vorgaben des Abkommens einzuhalten, gibt Miersch zu. Es sei immer klar gewesen, „dass Gas unsere Brücke zu den Erneuerbaren Energien sein wird“, sagt Miersch. Da das nun aber spärlich fließe und deutlich teurer geworden sei, müsse kurzfristig nach Alternativen gesucht werden. „Die Unfähigkeit des Einstiegs in das erneuerbare Zeitalter macht uns jetzt das Leben schwer“, sagt Miersch.

Es kommt auch auf Russland an

Dabei gehe es nicht allein um den Energiepreis. „Energiepolitik ist auch von höchster sicherheitspolitischer Relevanz“, betont Matthias Miersch. Der Klimaschutz könne aber nicht warten, bis der Krieg in der Ukraine beendet sei. „Wir werden die Pariser Ziele nicht in einer Blockstellung erreichen“, sagt Miersch. Auch wenn es schwerfalle, komme es dabei auch um eine Zusammenarbeit mit Russland an.

Wie die künftig aussehen kann, steht jedoch in den Sternen. „Das Modell Wandel durch Handel ist krachend gescheitert“, gibt Linn Selle zu bedenken. Die Schuld daran sieht die EBD-Präsidentin auch innerhalb der Europäischen Union. „Wir haben nicht zugehört, wenn unserer osteuropäischen Partner gewarnt haben“, erinnert Selle. Die hätten aber mit vielen ihrer Warnungen vor Russland Recht gehabt.

Aus Selles Sicht wäre es deshalb auch besser gewesen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz seine „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar nicht allein, sondern gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dessen polnischem Kollegen Andrzej Duda gehalten hätte. „Eine wirkliche europäische Zeitenwende wäre gewesen, wenn sie gemeinsam eine europäische Verteidigungspolitik verkündet hätten“, so Selle. Immerhin: Dass Olaf Scholz ein paar Monate später seine Rede über die europäische Dimension der Zeitenwende in Prag gehalten hat, findet Linn Selle gut. „Wir brauchen jetzt etwas mehr Demut gegenüber unseren Partnern.“

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Kommentare

die Zeitenwende?

gibt es die noch? Wir haben doch auch noch die Wirklichkeit, die- so hat es den Anschein- seit Monaten im Vordergrund steht und die Zeitenwende ins Archiv verdrängt hat

Klimaschutz Es kommt auch auf Russland an

Auf meinen Kommentar vom 24.09.2022 12.29 h darf ich verweisen:

https://www.vorwaerts.de/artikel/kanzler-rede-uno-so-hart-rechnet-olaf-s...