
Ein Taxi ist mehr als nur ein Beförderungsmittel. Es ist ein Ort der Kommunikation, geradezu ein eigener Kosmos. Aus reinem Zufall treffen Menschen aufeinander und teilen womöglich Erfahrungen aus völlig konträren Lebenswelten. Nach ein paar Minuten ist alles wieder vorbei. Ob in Deutschland oder am anderen Ende der Welt.
Von derlei Erfahrungen in verschiedensten Ecken der Welt ließ sich der deutsche Dokumentarfilmer Philipp Majer zu einer aktuellen Arbeit „World Taxi“ inspirieren. Bangkok, Dakar, El Paso, Pristina und Berlin: In fünf Großstädten begleitete er vier Taxifahrer und eine Taxifahrerin bei ihrer Arbeit, trug Geschichten, Gedanken und Eindrücke vom Privatleben der Menschen am Steuer zusammen. Breiten Raum nehmen auch die Gespräche mit den Fahrgästen ein.
Bunte Welt am Airport
Am Flughafen von Bangkok herrscht ein ebenso farbenfrohes wie unübersichtliches Durcheinander aus Zelten und Autos. Männer stehen in Schlangen vor improvisierten Küchen, vergnügen sich beim Brettspiel oder halten sich mit Boxen fit. Diese für Außenstehende skurril anmutende Zeltstadt ist für viele Menschen ein zweites Zuhause. Hier, am wohl größten Taxistand der Acht-Millionen-Metropole, erholen sich die Menschen (zu sehen sind ausschließlich Männer), die keine Zeit haben, zwischen ihren Schichten nach Hause zu fahren.
Auch Tony, einer der Protagonist*innen, kommt regelmäßig vorbei. An sechs Tagen pro Woche kurvt der frühere Hotelmanager durch die Mega-City, nicht selten mit ausländischen Party- und Sextourist*innen an Bord. An Tonys Beispiel wird der besagte Kontrast zwischen dem Alltagsleben von Beförderer*innnen und Beförderten besonders deutlich. Aber auch das Verlorensein und der wirtschaftliche Druck, der mit diesem Job verbunden ist. Freilich nicht nur in Thailand: Online-Fahrdienste wie Uber, jüngst allerdings auch die Coronakrise, setzen dem klassischen Taxigewerbe massiv zu. Der Film entstand vor der Pandemie, und doch könnten manche Zuschauenden wehmütig werden.
Gemeinsamkeiten betont
Das Erstaunliche an dem Film ist, dass trotz der so unterschiedlichen Schauplätze und Menschen kein Bruch in der Erzählung entsteht. Das mag im Wesentlichen am längst globalisierten Mikrokosmos Taxi liegen. Unterstützt wird das Ambiente des Gemeinsamen durch eine Bildsprache, die fließende Übergänge zwischen ähnlichen Einstellungen und Motiven schafft. Folgt das Auge der oft in Richtung Frontscheibe gerichteten Kamera, ist es nur ein Wimpernschlag von Senegals Hauptstadt Dakar bis an die texanisch-mexikanische Grenze.
Nicht nur an diesen beiden Schauplätzen wird deutlich, dass sich Menschen gerade im Taxi die Freiheit nehmen, sich über all das zu beschweren, was in der Welt, die draußen an ihnen vorüberzieht, schiefläuft. „Im Taxi gelten andere Regeln, überall auf der Welt“, so Majer. „Die Straßen sind weit, aber die Herzen sind eng“, sagt Mamadou, Taxifahrer in Dakar, über die dortige Ellbogengesellschaft. Korruption und Misswirtschaft zählen – neben Verhandlungen über den Fahrpreis – bei seinen Touren über staubige Straßen zu den Dauerthemen der Gespräche, doch lässt sich auch einiges über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen lernen. Und auch darüber, was es bedeutet, zu den Bessergestellten zu gehören, obwohl man in einem Elendsviertel lebt.
Das „echte“ Leben
Philipp Majer, der neben Regie und Kamera auch den Schnitt übernahm, führt sein Konzept für diese Dokumentation auch auf Jim Jarmuschs fiktiven, ebenfalls in Taxis in verschiedenen Metropolen verorteten Episodenfilm „Night on Earth“ zurück. Mit diesem verdichteten Kaleidoskop aus Skurrilitäten und Düsternis will und kann sich „World Taxi“ nicht messen. Umso beeindruckender ist es, was Majer über das „echte“ Leben der Männer und Frauen mit dem Taxameter ans Licht bringt, selbst wenn nicht jeder Handlungsstrang die gleiche Tiefe besitzt.
Info: „World Taxi“ (Deutschland 2019), ein Film von Philipp Majer, 82 Minuten, OmU.
Ab sofort in einigen deutschen Städten im Kino. Infos unter www.jip-film.de/world-taxi.