Freie Unterkunft gegen Mitarbeit im Hotel. Mit dieser einfachen Formel hat das Hotel »Arcona« in Potsdam gut ein Dutzend Menschen vor der Obdachlosigkeit bewahrt.
Potsdam ist reich: an Kultur und Geschichte, an wunderbarer Architektur. Und an Nobelhotels: Fünfzehn Häuser tragen vier Sterne. Eines davon liegt direkt am Havelufer. Selbst in der kalten Jahreszeit besticht hier der Blick über den breiten Fluss in die üppige Natur der Flusslandschaft.
Beate Fernengel ist die Direktorin des „Arcona-Hotels“ und immer in Aktion. Ist das Haus mal nicht ausgebucht, hält sie ein Kongress auf Trab. Oder es treibt sie eine Idee um. So wie im Winter 2012. „Das war ein sehr kalter Winter“, erinnert sich die Managerin. Wie jedes Jahr wurde über Obdachlose berichtet, die auf der Straße erfrieren. Und im Nobelhotel an der Havel standen Zimmer leer.
„Ich habe mit den Behörden und anderen gesprochen und Hilfe angeboten“, sagt Fernengel, die als Vizepräsidentin der IHK in Potsdam gut vernetzt ist. Klar war, dass das Hotel kein großes Notquartier werden konnte. Aber einzelnen Menschen im entscheidenden Moment die richtige Unterstützung zu bieten, das konnte klappen.
Obdach mit vier Sternen
Kurze Zeit später hatte das „Arcona“ -einen Gast, der weder zahlen, noch eine Heimatadresse angeben konnte. Dafür war seine Mitarbeit gefragt. „Der Gedanke war, eine Wiedereingliederung ins Berufsleben zu starten“, sagt -Fernengel, die weiß, dass Arbeit auch Wertschätzung bedeutet.
Seit dem ersten wohnungslosen Gast haben gut ein Dutzend Menschen in der Vier-Sterne-Herberge für ein paar Wochen ein Obdach gefunden. Oft waren es die entscheidenden Wochen -ihres Lebens. So wie bei Heinz Roock. Der 60-Jährige ist mittlerweile in Rente und hat wieder eine eigene Wohnung. Obst- und Gemüsebauer war er vor der Wende. Dass er danach nur insgesamt sechs Monate arbeitslos war, darauf ist er stolz. Doch dann schlug das Schicksal zu, und er wurde krank, musste eine schwere Operation überstehen. Danach hätte er wieder arbeiten können – doch niemand wollte ihn. Ohne Job kein Geld für die Miete. Der Rauswurf stand schon fest, das Obdachlosenheim wäre die nächste Adresse gewesen. Doch es wurde das „Arcona“ an der Havel.
Die Arbeit gab ihm neuen Mut
„Das war schon komisch, auf einmal darin zu wohnen“, sagt Heinz Roock. Das Hotel kannte er: Bei der Errichtung des Neubaus vor Jahren hatte er Kernbohrer durch den Beton getrieben. Nun konnte er sich wieder nützlich machen. Er übernahm vor allem Hausmeister--Tätigkeiten, etwa Reparaturen, verstopfte Abflüsse reinigen und ähnliches. Auch heute hilft Roock noch aus und weiß, dass seine Mitarbeit geschätzt wird, auch von den Kollegen. Vor zwei Jahren hat ihm die Arbeit neuen Mut gegeben und den Absturz verhindert.
Nur Nachahmer fehlen noch
Von allen Seiten gibt es Lob für das Projekt im „Arcona“ – nur Nachahmer fehlen. „Dafür muss man sich erstmal vom Schubladendenken befreien“, so Fernengel. Auch sie selbst musste zunächst das Klischee eines Obdachlosen beiseite schieben, um die realen Schicksale zu begreifen. „Und dann“, sagt die Hoteldirektorin, „setzt so ein Helfersyndrom ein.“