Wer glaubt, die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sei überwunden, der liegt gründlich daneben. Ihre Folgen sind nicht nur ökonomischer und sozialer Natur – auch die freiheitliche Demokratie und die Europäische Integration geraten in Gefahr. Dies machte der Journalist Harald Schumann beim Plenum der „Berliner Linken“ deutlich.
Der Tagesspiegel-Journalist ist Autor des globalisierungskritischen Buchs „Der globale Countdown“. In einem engagierten Vortrag machte er das ganze Ausmaß der Krise deutlich und zog zugleich politische Schlussfolgerungen aus dem Geschehen der vergangenen Jahre: „Die Krise hat einen wirtschaftlichen Schaden von einem Weltjahres-Bruttosozialprodukt hinterlassen“, rechnete Schumann vor. Noch verheerender sei aber der demokratische Verfalle: „Es geht Macht von der demokratisch legitimierten Politik auf Manager über!“
Mit anschaulichen Vergleichen erklärte der Wirtschafts-Experte Schumann seinen Zuhörern die absurden Vorgänge in der Welt des Investmentbankings: Spätestens 2006 sei Goldman Sachs und der Deutschen Bank klar gewesen, dass ihre Finanzprodukte kollabieren mussten. Doch sie hätten diese munter weiterverkauft und zusätzlich auch noch auf deren Verfall gewettet. Schlüsselinstrument waren „Credit Default Swaps“, also Derivate, die es erlauben, Ausfallrisiken zu handeln. „Das ist“, führte Schumann aus, „als wenn man den Leuten wissentlich Autos ohne Bremsen verkauft und zugleich automatisch Begünstigter einer Lebensversicherung dieser Menschen wird“.
Mangelnde Kontrolle
Wenig gute Worte fand Schumann für das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Er kritisierte deutlich, dass die Finanzmarktstabilisierungsanstalt,die den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) verwaltet, unzureichender öffentlicher Kontrolle unterliegt: „Der Bundestag hat keine Kontrolle über den Fonds, er hat nur ein neunköpfiges Kontrollgremium ohne Rechte!“ Das sei der eigentliche skandalöse Kern: „Die Bürger müssen haften, aber sie erfahren nicht, für wen.“
Damit wies Schumann auf ein grundlegendes Problem hin: Durch die Krise sei ein Grundprinzip unserer Gesellschaftordnung ausgehebelt worden. Gewinnerwartungen stehen in der Marktwirtschaft immer auch Verlustrisiken gegenüber. Wenn Banken aber als systemrelevant gelten, sind sie zu groß, um sie allein den Mechanismen des Marktes zu überlassen, sie unter Umständen also auch pleite gehen zu lassen. Für Harald Schumann sind die Geldinstitute in diesem Fall zu groß: „Too big to fail is too big!“ –brachte er es unter dem Applaus des Plenums der linken Berliner SPD-Mitglieder auf den Punkt.
Der schwarz-gelben Bundesregierung stellte Schumann ein verheerendes Zeugnis aus: „Da wird viel versprochen und nur wenig gehalten. Und der Fiskalpakt ist finanzpolitischer Unfug auf höchstem Niveau.“ Doch auch Ex-Finanzminister Peer Steinbrück bekam sein Fett ab: Dieser sei selbst im Nachhinein unfähig zuzugeben, dass er keineswegs der Retter der Nation war, sondern in der Krise schwere Fehler gemacht habe.