Europäische Union

Das will die SPD in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erreichen

Lars Haferkamp01. Juli 2020
Hohe Erwartungen: Am 1. Juli 2020 beginnt die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands.
Hohe Erwartungen: Am 1. Juli 2020 beginnt die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands.
Am 1. Juli beginnt die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands. Für die SPD sind dabei der solidarische Wiederaufbau Europas und die Stärkung von Arbeitnehmerrechten das Wichtigste. Ein heißes Eisen dürfte die angestrebte Reform des EU-Asylrechtes sein.

Die SPD hat ehrgeizige Ziele für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Sie startet am 1. Juli und dauert bis zum 31. Dezember 2020. In einem Beschluss hat der SPD-Parteivorstand im Juni die wichtigsten Ziele definiert. Danach sieht die Sozialdemokratie die drängendste Aufgabe darin, die EU „mit klarem Kurs durch die Krise zu führen“ und deren Folgen „gerecht und nachhaltig zu gestalten“.

SPD: Brücken bauen, EU vertiefen

Deutschland übernehme angesichts der Corona-Pandemie die Ratspräsidentschaft „in einer Zeit existenzieller Herausforderungen“. Die SPD will die EU-Präsidentschaft nutzen, damit „Deutschland mit einem verlässlichen und integrativen Krisenmanagement Zusammenhalt fördert“ und „Brücken in Europa“ baut. „Kein Land, keine Region und kein Mensch darf bei der Bewältigung der Krise zurückgelassen werden“, heißt es im Beschluss des Parteivorstandes.

Die Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 und der Durchbruch für ein starkes europäisches Recovery-Programm seien „vor allem ein Ergebnis sozialdemokratischer Politik“. Man sei zu einer „außerordentlichen und gemeinsamen Kraftanstrengung“ bereit. Damit leiste Deutschland einen solidarischen Beitrag für den Wiederaufbau Europas. „Wir lassen die Politik der roten Linien hinter uns und sind bereit, auf dem Weg der Einheit Europas jetzt voranzuschreiten“, heißt es im SPD-Vorstandsbeschluss. Während der deutschen Ratspräsidentschaft werde daher auch über die „institutionelle Weiterentwicklung und Vertiefung der EU“ gesprochen, insbesondere über „die Schaffung genuiner Einnahmequellen“ für die Europäische Union.

Für europäische Mindestlöhne

Um die EU krisenfester zu machen, plädiert die SPD für einen europäischen Rahmen für Mindestlöhne und Grundsicherungssysteme zur Armutsbekämpfung. Angesichts der Krise sei die Stabilisierung niedriger Einkommen nicht nur unter sozialen Gesichtspunkten notwendig, sondern auch eine wichtige Stütze für die europäische Wirtschaft. „Auch die Durchsetzung von geltendem Arbeitsrecht und Arbeitsschutz bei Saisonarbeitnehmerinnen und Saisonarbeitnehmern muss dringend verbessert werden“, heißt es in der Beschlussvorlage. Durch ein „europäisches Lieferkettengesetz“ müsse auch die Unternehmensverantwortung gestärkt werden, denn Freiwilligkeit „reicht längst nicht mehr aus“.

Als weiteres Stabilisierungsinstrument auf europäischer Ebene sei eine dauerhafte Arbeitslosenrückversicherung nötig. Erforderlich sei „mehr Risikoteilung in Krisenzeiten“. Dem solle auch die Vollendung der europäischen Digitalunion sowie der Banken- und Kapitalmarktunion dienen.

Besteuerung der digitalen Großkonzerne

Für die SPD kann europäische Solidarität nur dann gelingen, „wenn neben den EU-Mitgliedstaaten auch multinationale Unternehmen ihren Beitrag zur Bewältigung der Krise und der Finanzierung des Gemeinwohls leisten“. Nötig sei daher eine stärkere Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, sowie eine Besteuerung der digitalen Großkonzerne. „Die Finanztransaktionssteuer, die auf Drängen der SPD in naher Zukunft in die erste Phase ihrer Umsetzung gehen wird, wird ebenfalls einen entscheidenden Beitrag leisten“, heißt es im Beschluss des Parteivorstandes.

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union garantiert sein. „Wir wollen die Ratspräsidentschaft nutzen, um verbindliche Mechanismen zur Überprüfung europäischer Grundwerte und zur Sanktionierung von fundamentalen Verstößen auf den Weg zu bringen.“ Die Covid-19-Pandemie dürfe „in einigen Mitgliedstaaten“ nicht als Vorwand missbraucht werden, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzuschränken. Schließlich setzt sich die SPD für europäische Regelungen ein, um strafbare Online-Hassreden effektiv zu bekämpfen. 

Lasten in Asylpolitik fair aufteilen

In der europäischen Asylpolitik will der SPD-Vorstand nach der Beschlussvorlage, „ungleichmäßig verteilte Herausforderungen unter den Mitgliedstaaten fair aufteilen“. Nötig sei „ein funktionsfähiges europäisches Asylsystem mit dem notwendigen Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität“. Das müsse auch eine Reform des Dublin-Systems beinhalten. Es sollten „legale Migrationswege geschaffen, Schleuserkriminalität weiter bekämpft und gleichzeitig die Ursachen von Flucht und Vertreibung angegangen werden“.

Eine weitere Priorität der deutschen EU-Ratspräsidentschaft müsse „die Stärkung der EU als internationaler Akteur“ haben. In Zeiten der Corona-Pandemie seien multilaterale Ansätze wichtiger denn je. „Wir sind besorgt zu sehen, dass einflussreiche Staaten, wie USA, Russland und China, sich zunehmend internationalen Verpflichtungen entziehen und einem unilateralen Kurs folgen“, so der SPD-Beschluss. „Einen Rückfall in eine Zeit selbstsüchtiger Großmachtpolitik darf es nicht geben.“

Verhältnis zu Peking und London klären

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Konkurrenz zwischen USA und China werde sich die deutsche EU-Präsidentschaft auch mit dem richtigen Umgang mit China beschäftigen. Die SPD fordert, „dass Europa geschlossen und zielführend gegenüber China agiert“. Es gelte, „die europäische Souveränität in einer regelbasierten Ordnung“ zu stärken.

Da in die deutsche Präsidentschaft wohl auch der Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien fällt, betont die SPD das Ziel eines engen Verhältnisses zum Vereinigten Königreich. „Von zentraler Bedeutung ist für uns aber der Zusammenhalt der EU27 und die Wahrung fairer Wettbewerbsbedingungen“, heißt es im Beschluss des SPD-Vorstands. „Dabei gilt es auch zu verhindern, dass das Vereinigte Königreich die erwartbaren Nachteile des EU-Austritts zum Anlass nimmt, sich als Steueroase zu positionieren.“

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Kommentare

Besteuerung der digitalen Großkonzerne

Jetzt wird das auf die EU ("europäische") Ebene verschoben, was der aktuelle Finanzminister national nicht zustande bringt. Andere EU Länder sind da schon weiter.
Ich hoffe, daß damit nicht nur Aktionismus vorgetäuscht wird, sondern endlich mal was konkretes (Milliarden !) herauskommt. Bei den Steueroasen sind wir ja auch noch nicht sehr weit.