US-Präsidentschaftswahl

Wahlmänner und Schlachtfelder

Thomas Greven04. November 2008

Präsident und Vizepräsident sind in den USA die einzigen bundesweit gewählten Ämter. Andere Positionen wie z.B. Senatoren und Abgeordnete werden nach relativer Mehrheitswahl ("winner takes
all") in Einzelwahlkreisen besetzt. Selbst Speaker Nancy Pelosi, die Präsidentin des Repräsentantenhauses, muss ihren Wahlkreis in San Francisco alle zwei Jahre verteidigen, denn Parteilisten
o.ä. sind unbekannt. Insofern ist es für Nicht-Amerikaner immer wieder erstaunlich, dass der Präsidentschaftswahlkampf sich in der Regel auf weit weniger als die Hälfte der 50 Staaten der USA
konzentriert.

Der Grund ist, dass zwischen Wahlvolk und Präsidentenamt das sogenannte Wahlmännergremium ("Electoral College") geschaltet ist und diese Wahlmänner (und -frauen) ebenfalls nach relativer
Mehrheitswahl in den 50 Staaten plus Washington, D.C., besetzt werden. Das heißt, der Gewinner der relativen Mehrheit in einem Staat erhält die Stimmen aller Wahlmänner dieses Staates. Die Zahl
der Wahlmänner ergibt sich aus der Summe der Abgeordneten und Senatoren des Repräsentantenhauses dieses Staates. Insgesamt gibt es 538 Wahlmänner - die Summe aus 100 Senatoren, 435 Abgeordneten
und 3 Wahlmännern aus Washington, D.C.

Mit weniger Stimmen die Wahl gewinnen

Da jedem Staat unabhängig von der Bevölkerungszahl zwei Senatoren und mindestens ein Abgeordneter zustehen und weitere Abgeordnete nach der Bevölkerungszahl vergeben werden, sind
bevölkerungsreiche Staaten wie Kalifornien und Florida mit ihren vielen Wahlmännerstimmen sehr attraktiv für die Kandidaten, bevölkerungsarme Staaten aber haben ein relativ größeres
Stimmengewicht. So kann der Fall eintreten, dass ein Kandidat zwar die Mehrheit der im Land abgegebenen Stimmen auf sich vereint, im Wahlmännergremium, wo es einer absoluten Mehrheit von
mindestens 270 Stimmen bedarf, dennoch unterliegt - auf diese Weise verlor Al Gore im Jahr 2000 gegen George W. Bush, nachdem letzterem vom Obersten Gerichtshof der umstrittene Sieg in Florida
bestätigt wurde.

Angesichts knapper Ressourcen konzentrieren sich die Wahlkämpfer der beiden Kandidaten in der Regel auf Staaten, in denen der Sieg möglich, aber nicht sicher ist. Manche Staaten sind dafür
bekannt, dass ihrer Wähler mal der einen, mal der anderen Partei die Mehrheit geben: Dies sind die sogenannten "swing states". In anderen Staaten zeigen frühe Umfragen, dass es ein Patt gibt oder
nur einen knappen Vorsprung für einen Kandidaten. Diese Staaten werden zu den Schlachtfeldern des Wahlkampfs, zu den "battleground states".

Altbekannte Schlachtfelder des Wahlkampfs

Staaten, in denen Sieg bzw. Niederlage sicher sind, fallen aus dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gewöhnlich fast ganz heraus bzw. dienen vornehmlich zur Geldbeschaffung. So können
Demokratische Kandidaten in der Regel auf die bevölkerungsreichen Staaten Kalifornien und New York setzen und nutzen Wahlkampfauftritte dort im wesentlichen dafür, Gelder für den Wahlkampf
anderswo im Land zu sammeln. Republikaner sind seit einigen Jahrzehnten in den Staaten des "alten Südens" erfolgreich wie z.B. in Texas und im Mittleren Westen.

Mittel- bis langfristig sorgen demographische Veränderungen dazu, dass die Präferenzen von Wählerinnen und Wählern in den Staaten sich ändern. So wird erwartet, dass einige Staaten im
Grenzgebiet zu Mexiko durch die Einwanderung aus Lateinamerika für die Demokraten wieder zu gewinnen sein könnten. Aktuell sorgt vor allem der große finanzielle Vorteil von Barack Obama und die
große Begeisterung seiner Basis dafür, dass einige Staaten umkämpft sind, von denen auch Experten dies nicht erwartet hätten - z.B. Colorado und Virginia, die lange Hochburgen der Republikaner
waren. Andere Staaten zählen immer wieder zu den Schlachtfeldern des Wahlkampfs - so auch diesmal: Florida und Ohio, Hauptschauplätze der großen Auseinandersetzungen 2000 und 2004, stehen wieder
im Mittelpunkt.

Thomas Greven ist Gastprofessor für die Politik Nordamerikas am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin.

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