Rechtsterrorismus

Vier Jahre NSU: Özoğuz räumt Mängel bei Aufklärung ein

Robert Kiesel04. November 2015
Aydan Özoğuz
Staatsministerin Aydan Özoğuz fordert anlässlich des vierten Jahrestages der Enttarnung des NSU eine rückhaltlose Aufklärung der rechtsextremen Terrorserie.
Der 4. November 2011 gilt als der Tag, an dem die Mordserie der als NSU bezeichneten Gruppe um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt enttarnt wurde. Vier Jahre später sind wesentliche Fragen noch immer nicht geklärt. Und schon zieht neues Unheil durch das Land.

Vier Jahre nach Enttarnung der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hat Aydan Özoğuz eingeräumt, dass „wesentliche Fragen“ rund um die „unfassbaren menschenfeindlichen Verbrechen“ der Gruppe noch immer nicht geklärt sind. „Es sind auch heute noch wahnsinnig viele Fragen offen“, erklärte die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration am Rande einer Tagung zum Thema NSU in Berlin. So sei noch immer nicht geklärt, warum und nach welchen Kriterien die zehn Opfer der Mordserie des NSU ausgewählt worden seien. Auch über die hinter der Zelle agierenden Netzwerke aus Unterstützern und Mitwissern sei zu wenig bekannt, so Özoğuz weiter.

Özoğuz zu NSU: Versprechen vollständiger Aufklärung muss eingelöst werden

„Solange das so ist, müssen wir jedes Jahr wieder darauf hinweisen und darüber hinaus die Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses umsetzen“, forderte Özoğuz. In dieser Hinsicht sei zwar schon einiges, „aber noch lange nicht genug“ geschehen. Es stehe weiterhin das Versprechen der Bundeskanzlerin gegenüber den Angehörigen der Opfer im Raum, alle zur Aufklärung der Mordserie zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Daran müssten sich die Aufklärungsbemühungen messen lassen.

Hoffnungsfroh zeigte sich Özoğuz hinsichtlich der noch im Novenber anstehenden Einsetzung eines zweiten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Sie räumte ein, dass „der erste Untersuchungsausschuss sehr viele Fragen offen gelassen“ habe, insbesondere in Bezug darauf, ob es eine gezielte Unterstützung des Terrortrios gegeben habe oder nicht. „Das konnte bislang weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden“, kritisierte Özoğuz. Eine Antwort auf diese und andere Fragen sei man zuallererst die Angehörigen der Opfer schuldig.

Enttarnung als „Befreiung“ für Angehörige der Opfer

In Vertretung der Opfer und ihrer Angehörigen nahm Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige, an dem Treffen teil. Auch sie betonte, dass die vielen offenen Fragen rund um die „einmalige rechtsradikale Mordserie“ Angehörigen der Opfer bis heute schwer belasten. „Außerdem schaffen sie Raum für Vermutungen und Spekulationen, berechtigte wie unberechtigte“, so John. Mehrfach betonte sie die zentrale Bedeutung des 4. November 2011 für die Familien der Opfer. Die Enttarnung der mutmaßlichen Rechtsterroristen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt habe vielen Angehörigen zu einem „neuen Leben“ verholfen, frei von Verdächtigungen und Vorverurteilungen.

John wie Özoğuz erinnerten daran, dass die Aufarbeitung der Taten des NSU nicht die aktuelle Situation in Deutschland aus dem Blick geraten lassen dürfe. „Wir können nicht nur zurückblicken sondern müssen auch schauen, was heute in unserem Land los ist“, mahnte Özoğuz. In Bezug auf den jüngst durch Pegida-Frontmann Lutz Bachmann gezogenen Vergleich zwischen Justizminister Heiko Maas und Joseph Goebbels sprach sie von „geistiger Brandstiftung“ und forderte: „Solche Stimmungen dürften keine Unterstützung erfahren.“ Erschüttert zeigte sie sich angesichts der Vielzahl von Bedrohungen gegenüber Bürgermeistern, Landräten oder freiwilligen Unterstützern von Flüchtlingen. Wann immer so etwas auftrete, müsse sich der Rechtsstaat zeigen, auch um das Vertrauen in den Sicherheitsapparat des Staates nicht zu ruinieren.

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