Grundsätze sozialdemokratischer Kulturpolitik

Vielfalt und Teilhabe

Wolfgang Thierse28. Januar 2015
Kultur für alle? Wie muss sich sozialdemokratische Kulturpolitik in Zeiten von knappen Kassen und Digitalisierung positionieren?
Kultur für alle? Wie muss sich sozialdemokratische Kulturpolitik in Zeiten von knappen Kassen und Digitalisierung positionieren?
Globalisierter Markt und digitaler Kapitalismus tendieren dahin, auch den Bereich der Kultur vollends in den Griff zu bekommen. Wir dürfen aber die öffentliche Verantwortung für Kunst und Kultur nicht aufgeben oder als bloße kommerzielle Dienstleistung organisieren.

Seit ihren Anfängen war die Arbeiterbewegung und mit ihr die Sozialdemokratie immer auch eine Bildungs- und Kulturbewegung: Teilhabe an Bildung und Kultur galt ihr als ein notwendiges Moment von sozialer Gerechtigkeit.

Ein kurzer Rückblick

Insbesondere das „goldene Jahrzehnt“ der Sozialdemokratie, die Ära Brandt/Schmidt der 70er Jahre, war eine Zeit großer sozialdemokratischer Kulturpolitik. Aus ihr stammen die Losungsworte „Kultur für alle“, „Bürgerrecht Kultur“, „Kulturpolitik heißt ermöglichen“. Die Ziele waren: Demokratisierung der Kultur, Kultur von unten, Stärkung der Soziokultur, Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik. Den Menschen als kulturell aktives Subjekt ernst zu nehmen und kulturpolitische Planung auf ihn auszurichten, darum ging es in dem, was man „Neue Kulturpolitik“ nannte.

Damals galt der Ausbau der staatlichen Infrastruktur gegen die „öffentliche Armut“ als entscheidende Dimension von Gerechtigkeit. Diese „Neue Kulturpolitik“ hatte gewissermaßen zwei Seiten: Sie war einerseits etatistisch, weil sie mit der Prämisse eines wohlfahrtsstaatlichen Versorgungsdenkens verbunden war, und sie hatte andererseits eine eher bürgerschaftlich-zivilgesellschaftliche Seite, insoweit die Kommunen die Hauptakteure waren und die frei-gemeinnützige Kulturszene als förderungswürdig anerkannt wurde.

Die Definition dessen, was Kulturpolitik ist, kennen wir seitdem: Staatliches und kommunales Handeln im Bereich Kunst und Kultur in Form ihres Schutzes sowie der Sicherung und Gestaltung ihrer politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Auch die Warnung vor der Instrumentalisierung von Kunst durch politische und ökonomische Macht ist nicht neu und bleibt richtig. Kulturpolitik soll der Autonomie der Kunst dienen, deren Selbstzwecksetzung.

Veränderte Bedingungen

Anders als in dem die sozialdemokratischen Vorstellungen von Kulturpolitik prägenden Jahrzehnt können heute hohe Wachstumsraten und Haushaltszuwächse kulturpolitische Verteilungskonflikte nicht mehr lösen. Zumal auch Ernüchterung eingetreten ist. Trotz aller Anstrengungen erscheint die kulturelle Spaltung wie versteinert: 50 % (Viel-)Nutzer und 50 % Nichtnutzer öffentlicher Kunst- und Kulturangebote.

Neben dem geringeren (öffentlichen) finanziellen Spielraum ist es der demographische Wandel, der Veränderungen in Nachfrage und Angebot, in kultureller Infrastruktur verlangt und bewirkt. Vor allem aber ist es der umgreifende Prozess der Globalisierung, der die Bedingungen von Kultur und Kulturpolitik radikal verändert: Widersprüchliche Pluralität von Kulturen, Religionen, sozialen Lagen, die durchaus konfliktgeladene Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen; Digitalisierung der Kommunikation, der Produktion und Rezeption von Kultur; Veränderung der Konkurrenzbedingungen und Forcierung neoliberalen Denkens; demokratiepolitische Ambivalenz und Risiken des digitalen Kapitalismus. Das alles verändert die Handlungsspielräume nationaler Kulturpolitik, ja stellt sie infrage (TTIP!).

Leitbilder für sozialdemokratische Kulturpolitik heute

Was kann angesichts dessen „Kulturpolitik heißt ermöglichen“ heute bedeuten? (Neue) Entscheidungen sind (wieder) notwendig. Kulturpolitik muss mehr denn je Kommunikation sein, besteht mehr denn je aus Aushandlungsprozessen.

Notwendig scheint mir wiederum eine Phase kulturpolitischer Neuorientierung. Worin liegen Alternativen zur bloßen Entlastung des Staates von Aufgaben und Kosten, letztlich also zum bloßen Kulturabbau? Wie kann verhindert werden, dass das Soziale gegen das Kulturelle ausgespielt wird? Wie kann angesichts der Digitalisierung kulturelle Vielfalt erhalten bleiben? Das Anknüpfen an Debatten der letzten 25 Jahre – um Zivilgesellschaft, Modernisierung des staatlichen Handelns, bürgerschaftliches Engagement, vorsorgender und aktivierender Staat, schrumpfende Städte und Regionen – kann dabei hilfreich sein.

Häufig jedoch wird Kulturpolitik auf Fragen der finanziellen Kulturförderung konzentriert und reduziert. Das ist der kulturpolitische Alltagskampf, denn mit der Unterfinanzierung von Haushalten wird nicht nur der Sozialstaat, sondern auch der Kulturstaat in Frage gestellt. Die Haltung, in der Defensive das Schlimmste zu verhindern, ist verständlich, aber nicht ausreichend. Die Erfahrung seit der deutschen Einheit zeigt: Man wird nichts wirklich retten, wenn als Alternative zur sofortigen Schließung nur die schleichende Auszehrung etablierter Kulturinstitutionen durch finanzielle Austrocknung, Reformverweigerung und inhaltliche Stagnation treten würde!

Ich plädiere für eine Einstellungsveränderung: Öffentliche Finanznöte, demographischer Wandel, Globalisierung mit ihren widersprüchlichen Folgen nicht vor allem oder nur als Bedrohung zu sehen, gegen die es sich zu wehren gilt, sondern auch als eine Chance. Auch in der Kulturpolitik sind wir eben gezwungen, grundsätzlich über diese selbst nachzudenken und alles Eingefahrene auf den Prüfstand zu stellen. Welche Prioritäten sind uns eigentlich wichtig? Eine (Rück-) Besinnung auf kulturpolitische Werte und Leitideen steht an. Wir werden den Kampf um das knapper werdende Geld jedes Mal verlieren, wenn wir Werte und Leitideen nicht klar formulieren können.

Erstes Leitbild sozialdemokratischer Kulturpolitik: Vielfalt

In den weltpolitischen Auseinandersetzungen und Gefährdungen der Gegenwart spielen Kulturfragen eine außerordentliche Rolle. Dialog der Kulturen und kulturelle Integration sind Aufgaben, nicht nur der Auswärtigen Kulturpolitik, sondern vor allem auch im eigenen Land.

Die sozialen, ökonomischen und kulturellen Folgen der Einwanderung werden nicht zu bewältigen sein, wenn wir kulturelle Vielfalt mit inhaltlicher Beliebigkeit und Standpunktlosigkeit verwechseln. Vielfalt wird nur möglich sein, wenn wir uns unserer geistigen Wurzeln aus Humanismus, Aufklärung und christlich-jüdischer Tradition versichern. Nur ein gleichzeitig wertefundiertes wie tolerantes Kulturverständnis kann sich gegen einen eindimensionalen Kulturbegriff behaupten, der Kultur und Religion zur Begründung von Ausgrenzung missbraucht. Der interkulturelle Dialog auf der Basis humanistischer Grundwerte ist Voraussetzung für das Gelingen kultureller Integration.

Das Leitbild Vielfalt meint also ganz grundsätzlich die Bereitschaft, zweierlei miteinander zu verbinden: Offenheit für Veränderung, für Neues, für (bisher) Fremdes und die Fähigkeit zu wertbegründeten Entscheidungen.

Der Kampf um Schutzmechanismen und gewachsene Fördersysteme für Kultur und Medien, um nicht alles der Liberalisierung und Deregulierung anheimfallen zu lassen (daher TTIP als kulturelles Problem), und deren notwendige Anpassung an die Digitalisierung (wie beim Urheberrecht) - das sind heute Schlüssel-Aufgaben von Kulturpolitik.

Vielfalt zu ermöglichen und zu verteidigen heißt, sich auf die Seite dessen zu stellen, was ohne Unterstützung und Förderung keine Chance hat oder verloren zu gehen droht. Es geht also darum, Balancen zu wahren: zwischen Repertoire und Innovation, zwischen Sinnlichkeit und Reflexion, zwischen Lebenswelt und „Artworld“ und zwischen Projekt und Institution, zwischen öffentlich geförderter und kommerziell getragener Kultur, zwischen Bund und Ländern, zwischen Metropole und Region.

Zweites Leitbild sozialdemokratischer Kulturpolitik: Teilhabe

Ernüchtert müssen wir feststellen: Die Vorstellung, es entstünde eine Kulturgesellschaft, wenn nur das Angebot der Künste weiter ausgebaut werde, gehörte offenbar zu den großen illusionären Versprechungen der Vergangenheit. Der Einbezug aller in das kulturelle Leben ist heute in größerer Ferne denn je. Die anhand sozialer Kriterien bestimmbaren Spaltungen der Bevölkerung haben zutiefst eine kulturelle Dimension. Darauf müssen Sozialdemokraten reagieren!

Exklusion ist gleichermaßen ein soziales wie ein kulturelles Phänomen. Es geht um die in der Schule Zurückgebliebenen, die weniger Gebildeten, um viele mit Migrationshintergrund, um Viertel und Stadtteile, die zu sozialen Brennpunkten wurden, um Parallelgesellschaften ganz unten, um enttraditionalisierte Arbeitermilieus mit apathischer bis aggressiver Distanz zur Mehrheitskultur, um Langzeitarbeitslose, um die typischen Hartz-IV-Karrieren, manchmal bereits in der dritten Generation. Sozialtransfers allein werden die Situation nicht verbessern, es kommt vielmehr auch auf kulturelle Bildung und musische Erziehung an: Diese werden entscheidende Aufgaben teilhabeorientierter Kulturpolitik und zu einem Schlüssel für die Zukunft sozialer Gerechtigkeit. Kulturelle Bildung ist eine sozialpolitische Aufgabe geworden, eine Aufgabe von Gerechtigkeitspolitik, bei deren Lösung gerade auch die Chancen der Digitalisierung zu nutzen sind (ohne deren Gefahren zu übersehen).

Drittes Leitbild sozialdemokratischer Kulturpolitik: Öffentliche Verantwortung

Globalisierter Markt und digitaler Kapitalismus tendieren dahin, auch den Bereich der Kultur vollends in den Griff zu bekommen. Wir dürfen aber die öffentliche Verantwortung für Kunst und Kultur nicht aufgeben und Kunst und Kultur nicht als bloße kommerzielle Dienstleistung organisieren.

Der Begriff öffentlicher Güter bietet dafür einen strategisch richtigen und fruchtbaren konzeptionellen Ausgangspunkt. Viele öffentliche Güter sind volkswirtschaftlich Infrastrukturgüter. Klassisch gehören Straßen und Brücken, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser dazu, aber auch die gewachsene institutionelle Kulturlandschaft und Kunstförderung, wie auch die Wissenschafts- und Forschungsförderung, die sowohl der privaten Wirtschaft, als auch dem Erwerbstätigen, dem einzelnen Bürger zugute kommen. Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit einer erfolgreichen modernen Wirtschaft hängen künftig immer mehr vom Niveau öffentlicher Investitionen in das Arbeitsvermögen (dem „Humankapital“) der Gesellschaft ab, in den nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, in die sozialen - Familie und Kinder, deren Bildung und kulturelles Niveau fördernden - Strukturen.

Wenn dies - Investitionen in öffentliche Güter - als ökonomisch sinnvolle Strategie akzeptiert ist, sollte sich nicht mehr die Frage stellen, ob der Staat sich diese Investitionen ökonomisch leisten kann: Wenn er sie sich nicht leistet, wird ihm künftig mehr als das fehlen, was er heute spart. Eine humane Gesellschaft ist nur möglich, wenn öffentliche Güter ausreichend und in großer Vielfalt bereitgestellt werden. Dies schafft den kulturellen und sozialen Zusammenhalt, der für eine vitale Demokratie unverzichtbar ist und stützt das Kooperationsgefüge der Bürgerschaft.

Der Reichtum kultureller, sozialer, demokratischer Güter macht die Lebensqualität unserer Städte und Gemeinden aus. Privatisierung und Kommerzialisierung zerstören dagegen tendenziell öffentliche Räume und damit urbane Qualität. Öffentliche Museen, Theater, Volkshochschulen und Stadtbibliotheken sind Güter, an denen alle Bürger ein gemeinsames Interesse haben. Eine große Mehrheit der Bevölkerung ist bisher immer noch bereit, ihren finanziellen Beitrag zu leisten, um ihre Bildungs- und Kultureinrichtungen auf hohem Niveau zu erhalten.

Unser Weg

Es gilt, Kulturpolitik neu als Vermittlungsaufgabe zu verstehen, wozu es einerseits der Öffentlichkeit verpflichtete selbstbewusste Vermittlungsinstitutionen bedarf, die jedoch andererseits in der Lage sein müssen, vielfältige Akteursnetzwerke, mit ihren Mechanismen der Selbstkoordination und Vereinbarung, zu spinnen. Gerade die Kulturpolitik ist ein hoch fragmentiertes Gebilde aufgrund der föderalen Kompetenzverteilung, angesichts unterschiedlicher Ressortzuständigkeiten, des Bedeutungsgewinns der Verbände, der Delegation von Aufgaben an Mittlerorganisationen und intermediäre Instanzen.

Die Alternative ist eben nicht Verstaatlichung oder Privatisierung, vielmehr geht es um die Neujustierung des Verhältnisses von staatlicher bzw. kommunaler Politik, gesellschaftlicher Selbstverantwortung und marktwirtschaftlichen Mechanismen. Öffentliche Güter meint nicht automatisch nur staatliche oder gar verstaatlichte Güter, sondern meint gemeinschaftliche, eben politische Verantwortung für ihre Zugänglichkeit. Öffentliche Verantwortung ist nicht notwendig nur Staatshandeln. Politisches Handeln ist nicht per se mit dem Staat gleichzusetzen. Die „Selbstorganisation des Politischen“ (Ulrich Beck) tritt hinzu, etwa durch die verstärkte Einbindung ehrenamtlich-bürgerschaftlichen Engagements in die kulturellen Aktivitäten oder durch die „Verantwortungspartnerschaft“ bei Finanzierung und Trägerschaft von Kultureinrichtungen.

Kultur für alle?

weiterführender Artikel

Kommentare

Mehr Mut in der Kulturpolitik

Teilabe und Vielfalt - die kulturelle Spaltung überwinden: Wichtige Stichworte, die in den Artikeln zur sozialdemokratischen Kulturpolitik gefallen sind.
Aber WIE geht das konkret vor Ort in den Gemeinden?
Ein Beispiel aus dem Leben:
Junge Leute (Laien) wirken bei der Inszenierung geeigneter Stücke von Oper und/oder Schauspiel mit. Sie bringen ihre eigene Sprache und Ästhetik ein - und natürlich auch ihre Lebensthemen.
Dazu braucht man natürlich Stücke, die geeignet sind für die Zusammenarbeit von Professionellen und Laien und die es auch erlauben, neue, eigens dafür geschaffene Rollen ins Drehbuch aufzunehmen.
Und: Es braucht neue Kooperationen z.B. zwischen den „klassischen Bühnen“ und der Jugendarbeit / Jugendbildungsarbeit.

Klingt utopisch? Ist es auch, aber machbar:
Das aktuelle forum in Gelsenkirchen arbeitet derzeit an dem Projekt „Oper meets Hiphop“, das im vergangenen Jahr mit der Inszenierung der Oper „Gegen die Wand“ nach dem gleichnamigen Film von Fatih Akin gestartet ist. Mehrere Aufführungen hat es gegeben … und begeistertes (junges !!) Publikum. Intendant und Chefdramaturgin, Regisseur und Komponist - alles haben sich für dieses Projekt eingesetzt.
D.h.: Man muss es wollen!

Ohne Geld geht’s natürlich auch nicht. Finanziert wird das Projekt vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.

http://www.aktuelles-forum.de/projekte/aktuelle-projekte/oper-meets-hip-...

In diesem Jahr geht das Projekt weiter:

http://www.aktuelles-forum.de/neuigkeiten/article/oper-meets-hiphop-dies...

Hätten wir mehr solche „mutigen Macher“, sähe es um die kommunale Kulturpolitik vielleicht anders aus.

Das aktuelle forum ist ein Träger der Jugend- und Erwachsenenbildung - gegründet vor über 40 Jahren von Sozialdemokraten und Falken aus dem Ruhrgebiet (Gründungsvorsitzender war Johannes Rau).

bruno neurath-wilson
Mitglied des Vorstandes des aktuellen forums

Kulturelle Bildung nicht vernachlässigen

Wolfgang Thierses Hinweis, lediglich 50 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger seien Besucher von kulturellen Angeboten, ist sehr ernst zu nehmen. Daraus folgen kann nur eine intensive Beschäftigung mit den Aufgaben kultureller Bildung, um möglichst viele Kinder und Jugendliche an Theater, Konzerte, Museen heranzuführen. Viele Kids wissen schon heute nicht mehr um den Unterschied eines Filmerlebnisses auf Handy oder Tablet im Vergleich zur großen Leinwand. Gleiches gilt für die Live-Atmosphäre im Theater- wie im Konzertsaal. Aber es ist gerade mit Blick auf Kinder und Jugendliche mehr als das: die über Film, Theater, Musik transportierten Inhalte sind Impulse für den demokratischen Dialog unserer Gesellschaft. Wie lange wollen wir noch zuschauen, dass bei den Studienanfängern aktuell nur noch 30 Prozent politisches Engagement für wichtig halten, gleichzeitig aber 30 Prozent unserer Jurastudenten die Todesstrafe für diskutabel halten? Gerade im Umfeld des Holocaust-Gedenktages ist das Ergebnis der Bertelsmann-Studie schmerzlich, dass 81 Prozent der Deutschen die Geschichte der Judenverfolgung „ hinter sich lassen“,
58 Prozent sogar definitiv einen „Schlußstrich“ ziehen wollen. Die fremdenfeindlichen Einstellungen vieler Pegida - Anhänger zeigen, dass viel zu viele Menschen aus der Geschichte nichts gelernt haben.

Burkhard Jellonnek ist Mitglied im Bundesvorstand des Kulturforums der Sozialdemokratie, im Brotberuf Leiter des Landesinstituts für Pädagogik und Medien des Saarlandes

NEU MINISTERIUM - Für Einwanderung- UND Kultur

1. Ja, dass klingt paradox und schizophren. Aber dennoch. Die politischen, sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Vorteile UND Synergien wären enorm ---

2. Es wird ein Super-Ministerium mit zwei großen Bereichen und zwei "Vize-Minister" (quasi als Minister) - Bundesamt für Migration UND Staatminsterium für Kultur werden also zusammen gelegt ---

3. Aufbau 2018 - 2020. Start mit zusätzlichenen 3 Mrd. aus den Soli (Umtaufen zum "Zukunfts-Beitrag"). ---

4. SPORT raus aus dem InnenMin (wie kam es nur rein?) rein ins Kulturbereich. ---

5. Einwander-Angelegenheit ebenao raus aus der "Kriminalitäts- und Sicherheits-Ministerium" (!!). ---

6. KULTUR-BEREICH kümmert sich um deutsche Kultur (so vielfältig und reichhaltig) und die neuen, vielfältigen und spannenden Kulturen. "In Vielfalt vereint". ---

7. EIWANDERUNGS-BEREICH kümmert sich um die "neuen Bürger in Deutschland" - in die Kultur und Gesellschaft. ---

8. Als Kompensation: Außen- und Entwicklungsministerium werden - nach der gleichen Philosophie oben - zusammengelegt. Ausserdem werden viele Teile bald von Europa übernommen.

Fazit & Zwei Ziele: A) Kultur macht sich fit und stark - auch für Einwanderer. 2. Neubürger werden fit gemacht - auch für die Kultur und Gesellschaft.

Subventionen endlich massiv abbauen und wirtschaftlicher Handeln

Ich bin ein großer Kultur-Fan (Musik, Theater, Ausstellungen) und finde die gewachsenen historischen Institutionen unseres Landes (Opernhäuser, Musikensembles, Orchester,Schlösser, Burgen, historische Bauten usw.) müssen erhalten und für alle erhalten und erfahrbar sein und auch bleiben...

Allerdings beobachte ich in den letzten Jahren,dass das Verhältnis absolut nicht mehr stimmt - wenn 50 Prozent der Menschen Kultur nicht mehr "nutzen" dann läuft etwas falsch in unserem Lande -und das liegt zuerst an den Schulen - es wird viel zu selten in die Theater und zu historschen Stätten gegangen und somit fehlt den Kindern und Jugendlichen der Zugang zur "Hochkultur" - das muss sich dringend ändern...

Ich bin ein großer Musicalfan und gehe nur in die Oper um die "alte Musik" traditonsgemäß mal zu hören...

Wenn ich sehe, dass eine Bayerische Staatsoper in München jährlich 56 Mio Euro an staatlichen Subventionen bei einer Auslastung von 97 Prozent erhält - allerdings auch Preise bis zu 180€ verlangt - dann stimmt etwas in unserem Lande nicht mehr- auch in Sachsen-Anhalt - ich bin froh, dass der dortige solzialdemokratische Minister massiv die Subentionen - die fehlgeleiteteten abgebaut hat (man sehe folgendes Beispiel: "RING DES NIBELUNGEN - die teurste mögliche Opernproduktion wird in Halle an der Saale aufgeführt und parallell im 60 km entfernten Dessau ebenfalls - Besuch: 2 Prozent der Bevölkerung - es wird also in den Theatern am Publikum vorbeiproduziert - das sieht man auch am Regietheater- die Menschen grad die Ältern die Hauptsächlich in die Oper gehen möchten noch ein bisschen was "ursprüngliches vom Stück sehen und nicht spinnerte, Erneuerungen eines Regisseurs die absolut die Handlung der Oper verfälschen und absolut nicht mehr wiederspiegeln...

Ich bin froh, dass es in Deutschland auch anders geht - und ich bin glücklich, dass JOOP VAN DEN ENDE (ein Holländer) seine Vision hier umgesetzt hat - als Milliardär hat er die STAGE ENTERTAINMENT gegründet - den grössten privaten Musical- und Theaterkonzern der Welt und dieser produziert die grossen Shows der Welt und zwar ohne einen Euro an staatlicher Subvention zu erhalten - im Gegenteil - für die deutschen Städte ist die STAGE ein Segen - Beispiel Hamburg: 4 grosse Musical-Theater bringen mehr als 3 Mio Übernachtungsgäste und Touristen in die Stadt -der Tourismus und das Musical grad "DER KÖNIG DER LÖWEN" rangieren in Deutschland wenn man die Menschen nach Hamburg fragt noch vor dem Hamburger Hafen als Wahrzeichen und beschert der Stadt Hamburg Milliarden an Einnahmen....ohne irgend etwas dafür zu tun...

Die STAGE hat jetzt gerade für 50 Mio Euro ihr neues STAGE THEATER AN DER ELBE eröffnet - im plan - 3 Jahre Bauzeit - und im Kostenrahmen - gegenüber steht die Elbphilharmonie - davon brauchen wir nicht mehr zu reden wie viel öffentliche Steuermittel hier verplempert werden....

Man sieht wenn man gute Shows und auch hochwertige Musical-Stücke produziert kommt das Publikum und eine Subvention ist bei guten, richtigem Umgang nicht mehr oder kaum mehr nötig - siehe die Musicalbranche - die Oper von heute leider haben es viele Deutsche Theater- Leute und Feulletonisten noch immer nicht in ihre HIrne bekommen...

das Musical ist genauso Kunst und Kultur wie die Oper oder Ballett oder das Schauspiel - in den USA treten die berühmten Hollywoodstars wie Glenn Glose und Catherine Zeta Jones auch als Musicalstars in den Shows in Erscheinung - es ist ganz nomal Schauspiel, Gesang und Tanz zu vereinen...

viele Operndirektioren und Schauspieldirektoren wollen immer mehr Geld (z.B. Herr Barenboim in Berlin - und er hats auch noch bekommen)!! anstatt dass sie sich mal fragen warum sie nicht wirtschaftlich handeln können und trotzdem gutes Theater und Musik machen können das die Leute anlockt.

mit Musicals wird in den Staatstheatern das Geld "verdient" was man mit Oper- und Schauspielproduktionen wieder verbrennt....

deswegen plädiere ich dazu wie in Sachsen-Anhalt genau hinzuschauen was wirklich gefördert werden muss -in München werden Mega-Stars wie Netrebko und Co verpflichtet und dafür kommt dann auch noch der Steuerzahler auf - ich sage - bei 97 Prozent Auslastung und diesen Preisen!! muss man mit dem Geld auskommen und nicht noch 56 Mio € vom Staat jedes Jahr noch zusätzlich einstecken...

Kultur erhalten und bewahren ja - Steuergeld für übertriebene Ansprüche der Direktorenzunft zum Fenster hinauswerfen - NEIN DANKE...

Es geht auch anders -siehe STAGE ENTERTAINMENT - und dieser Konzern zahlt auch noch Steuern und zwar nicht wenig zusätzlich zu der Wohltat die er Hamburg, Berlin, Oberhausen und Stuttgart erweist....

Die Angst der Deutschen & Angst der Minderheiten

ZWEI ÄNGSTE:
Die berechtigte Angst der Deutschen (Mehrheits-Kultur) vor ÜBERFREMDUNG - und die berechtigte Angst der Einwanderer (neue Kulturen) vor AUSGRENZUNG.

1. Die Angst der Deutschen (Gastgeber) vor Überfremdung hat im Kern drei Ursachen;

- (1) Angst vor Masseneinwanderung/ 1. Überfremdung.

- (2) Angst vor Verlust der Identität durch Vernachlässigung und "Multi-Kulti"/ 2. Überfremdung.

- (3) Angst vor Verlust der Lebensqualität und des Fortschritts: Terror, Islamismus, Ausländer-Kriminalität, "Gemüse-Laden" (Qualität!), Einstellung zu wichtigen Themen des Fortschritts: Aufklärung, Geleichberechtigung, Toleranz, Religion, Modernität, etc.

-- 2. Die Angst der Einwanderer (Gäste) hat ebenso im Kern drei Ursachen.

- (1) Angst vor Rassismus und Verfolgung. Weit bekannt (NPD, Pegida). Anschläge auf Ausländer, Hetzjagt, etc.

- 2) Angst und Unsicherheit, da eben in der Fremde (Entwurzlung) bzw. alles neu: Sprache, Erfahrung, etc.

- (3) Angst vor Benachteiligung aufgrund Herkunft. Bereits erforscht und erwiesen.

Der feine Unterschied: die Mehrheits--Gesellschaft ist stärker und im Vorteil. Die Minderheiten sind schwächer und im Nachteil.

Die Herausforderung also: Schutz der Einwanderer (Minderheiten) sowie Förderung ihrer Kultur und Schutz der Deutschen (Mehrheit) sowie Bewahrung ihrer Kultur. Durch ein neues Kutur- und Einwanderungsministerium. Evtl. braucht es doch zwei Ministerien.

KULTURELE VIELFALT - statt Multi-Kulti

Es gibt in Deutschland über 300 Kulturen

Sie müssen:

1. identifiziert werden - falls sie ein einsames Dasein führen.

2. organisiert werden - falls noch vereinzelt nicht geschehen.

3. UND massiv gefördert werden: "ERHALTUNG & ERNEUERUNG".

Weg von Fokus Religion - erstmal!
Hin zum Fokus Kultur.

Neue Philosophie:
"In Vielfalt vereint" (gemeinsam) statt Multi-Kulti (Mischmasch).

Für eine Kultur der Demokratie

Kultur findet statt in der Stadt!
In seinem einleitenden Rückblick erinnert Thierse an die 1970er Jahre, als sich unter den SPD-Kanzlern Brandt und Schmidt und in den SPD-regierten Ländern die Teilhabe an Bildung und Kultur durchsetzte, so dass sich die seinerzeit in den Kommunen entstandenen „freien Szenen der Soziokultur“ gegen den Widerstand des „Establishments“ entwickeln konnten. Inzwischen sind sie allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, in der kommerzialisierten Popkultur aufgegangen und so selbst mit Massenveranstaltungen und der Pflege des Starkults zu einer zweiten „hochkulturellen“ Säule geworden, die, ähnlich wie der Profi-Fußball, der staatlichen Unterstützung nur noch in Form des Polizeischutzes bedarf.

Aber mittlerweile gibt es auch in den nachwachsenden Generationen wieder eine zunehmende Bereitschaft zu kulturellem Engagement in den Kommunen. Es finden immer wieder Menschen zueinander, die kulturell zivilgesellschaftlich etwas „aushecken“ und bewegen wollen und dazu selbst die Initiative ergreifen. Man muss sie eigentlich nur lassen und ihnen helfen, geeignete Arbeits- und Präsentationsräume zu finden oder ihnen die Kooperation mit kommunalen Kultureinrichtungen zu ermöglichen. Solche Hilfestellungen könnten Aufgabe lokaler oder regionaler Kulturforen sein. Vielleicht ließe sich dabei ja sogar etwas vom Geist der sozialen Demokratie vermitteln.

Die Welt von heute ist eine andere als vor 30,40 oder gar 50 Jahren. Deshalb ist der offene Weg, wie ihn Wolfgang Thierse beschreibt, richtig. Die politische Bildung war einmal ein Schwerpunkt innerpar-teilicher Basisarbeit für die SPD-Mitglieder. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Aber wir die Kultur der Demokratie braucht Kommu-nikationsräume für Menschen verschiedener kultureller Herkunft, um mit ihnen friedlich zusammenzuleben und konkrete Probleme, wie das Entstehen von Parallelgesellschaften, gemeinsam anzupacken und zu lösen. Das aber geht nur im gegebenen kulturellen und sozialen Umfeld „vor Ort“ – in der Kommune, im Stadtteil oder im Quartier. Eine unserer „Zukünfte“ wird wahrscheinlich die Verstädterung sein. Darauf muss schon jetzt der politische Blick gerichtet werden, um Voraussetzungen zu schaffen, damit die Kommunen ganz konkret ihre Funktion im Sinne von Kultur der Demokratie für das Gemeinwesen erfüllen können. Wenn nicht in den Kommunen mit den zivilgesellschaftlichen Potenzialen, wo sonst?

H. Peter Rose
ehemals Beigeordneter für Bildung und Kultur, Jugend und Soziales in Gelsenkirchen

Kultur ist nicht nur Beethoven...

Im Gegenteil, beim Begriff Kultur wird immer vergessen, dass es eigentlich die Kreativen sind, welche die Kultur überhaupt erst ermöglichen!
In Deutschland wird immer nur von Frauen und Migranten gesprochen und dass diese Diskriminiert werden, sicherlich ist da viel wahres dran, dass will ich gar nicht abstreiten aber in Wirklichkeit wird ein Kreativer Mensch in diesem Land noch viel mehr diskriminiert, weil er nicht die Parteilobbys von Union bis ganz nach links, hinter sich hat! Diskriminierungen sind hier an der Tagesordnung und keiner interessiert sich dafür im Gegenteil, es werden Nationalsozialistische Parolen auf den Index geschrieben, die da heißen, der soll was arbeiten, der hat ja nichts gelernt, die soll mal sehen wie es früher war!!

Der "weite Kulturbegriff". Wann wird er endlich relevant?

Wie schon bereits im Leitantrag des Parteivorstands „Kultur ist unsere Zukunft“ auf dem SPD-Bundesparteitag 2007 wird in der aktuellen Initiative von Wolfgang Thierse zur Kulturpolitik ein „weiter Kulturbegriff“, wie er auch von der UNESCO in ihrer Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik vertreten wird, dem Nachdenken über sozialdemokratische Kulturpolitik zugrunde gelegt. Kultur in diesem Sinne meint gemäß des Textes der UNESCO „ die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte …, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen;“. Für unsere Gesellschaft müsste noch Philosophie, Wissenschaften, Technik, demokratische Verfasstheit u.v.m. ergänzt werden. Der Gang der kulturpolitischen Diskussion in den letzten Jahren, die praktische Kulturpolitik in Bund, Länder und Gemeinden sowie auch die Diskussionsbeiträge zur gegenwärtigen Initiative von Wolfgang Thierse lassen nicht erkennen, dass der „weite Kulturbegriff“ einen nennenswerten Einfluss auf das kulturpolitische Denken gewonnen hat. Diskussion und praktische Politik kreisen weitgehend um den Begriff der Kunst in all seinen Bezügen und Belangen. Alle anderen Bereiche von Kultur, vielleicht mit Ausnahme von Geschichte als Erinnerungskultur, sind in der kulturpolitischen Diskussion und Praxis marginalisiert.
Hier liegt m.E. auch die Ursache dafür, dass die Sinnhaftigkeit von großen Teilen der gegenwärtigen Kulturpolitik weiten Kreisen der Bevölkerung nicht mehr zu vermitteln ist, sie in ihren erfahrbaren Auswirkungen nicht wirklich erreicht, für die Bewältigung ihres Lebens nicht als hilfreich wahrgenommen wird .
Eine Kulturpolitik, die sich an einem „weiten Kulturbegriff“ orientiert, der unsere zivilisatorische Lebensweise als Ganzes meint, eröffnet Argumentations- und Sinnzusammenhänge, die für jeden direkt relevant und verstehbar werden können. Um das kreative Potential dieses „weiten Kulturbegriffs“ für ein kulturpolitisches Praxisfeld zu konkretisieren, ist es jedoch erforderlich eine dezidierte Prozesssicht auf Kultur einzunehmen. Dabei lassen sich zwei Hauptprozesse mit jeweils eigenen inhaltlichen Schwerpunkten identifizieren, die der kulturpolitischen Gestaltung und Förderung bedürfen:
1. Reproduktion unserer Kultur und die ihr zugrundeliegenden Werte durch Erziehung, Bildung und Integration.
2. Weiterentwicklung unserer Kultur in Künsten, Politik, Technik, Wissenschaften und Alltag.
Die angesprochenen Felder werden heute in hohem Maße politisch einseitig nach Maßgabe ökonomischer Effizienz gestaltet. Ein „weiter Kulturbegriff“ bietet die argumentative Möglichkeit dem aus einer umfassenderen Perspektive, die auch andere Notwendigkeiten als wirtschaftliche ins Zentrum rückt, entgegenzusteuern. Kulturpolitik muss aus der Nische raus und einen umfassenderen Gestaltungsanspruch geltend machen!