Reform zum 1. Januar

Vermittlungsausschuss gibt grünes Licht: Bürgergeld kann kommen

Kai Doering23. November 2022
Der Systemwechsel: Das Bürgergeld soll zum 1. Januar Hartz IV ersetzen.
Der Systemwechsel: Das Bürgergeld soll zum 1. Januar Hartz IV ersetzen.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat am Mittwochabend dem Kompromissvorschlag zum Bürgergeld zugestimmt. Am Freitag gilt es nun noch zwei Hürden zu nehmen.

Lange war um einen Kompromiss beim Bürgergeld gerungen worden. Nun ist er da. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat am Mittwochabend dem Vorschlag zugestimmt, den Ampel und Union am Dienstag vorgelegt hatten. „Die im Vermittlungsausschuss erzielte Einigung macht den Weg für das Bürgergeld frei“, schrieb Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey um kurz nach halb neun auf Twitter. „Die Einigung ist die größte Sozialstaatsreform der letzten beiden Jahrzehnte.“

Ablösung des Hartz-IV-Systems zum 1. Januar

Auch der Unterhändler der FDP-Bundestagsfraktion, ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Johannes Vogel, bestätigte auf Twitter die Einigung. „Wir haben gerade im Vermittlungsausschuss das Bürgergeld verabschiedet“, schrieb er. Nachdem der Bundestag das Gesetz am 10. November beschlossen, der Bundesrat es aber vier Tage auf Betreiben von CDU und CSU gestoppt hatte, hatte die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen.

Mit der Einigung dort ist der Weg für die „größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“ nun frei. Am Freitag muss zunächst der Bundestag dem geänderten Gesetz zustimmen. Im Anschluss tagt der Bundesrat. Eine Zustimmung in der Länderkammer gilt als sicher. Das Bürgergeld der Bundesregierung soll zum 1. Januar 2023 das Hartz-IV-System ersetzen. Damit verbunden ist eine deutliche Erhöhung der Regelsätze, vor allem aber ein Systemwechsel hin zu mehr Qualifizierung der Arbeitssuchenden.

Den Kern des Bürgergelds nicht preisgegeben

Die Ampel-Parteien waren im Zuge des Vermittlungsverfahren auf CDU und CSU zugegangen und hatten Verschärfungen bei den Sanktionsmöglichkeiten sowie bei der Höhe des Schonvermögens zugestimmt. „Wir sind auf die Union zugegangen, ohne den Kern des Bürgergelds preiszugeben“, hatte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, am Dienstag zu der Einigung gesagt.

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Kommentare

Neue Sozialhilfe (Hartz-IV) bleibt neue Sozialhilfe (Bürgergeld)

Darüber darf man sich nicht hinwegtäuschen lassen. Die von Adenauer eingeführte und von Grünen&SPD 2005 abgeschaffte Arbeitslosenhilfe schützte einst weiterhin arbeitslose Bürger vor dem Abstieg ins Nichts. Mit einer vernünftigen Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Zuzugspolitik kam man bis in die 1970er mit der Arbeitslosenhilfe zurecht. Doch die Ölpreisexplosion der 1970er erzeugte Arbeitslosigkeit. Deshalb stoppte man Ende 1973 die Anwerbung von Nicht-EWG-Arbeitskräften. Der dennoch einsetzende Zuzug in die Sozialsysteme verstärkte die Probleme. Aber viele Mitarbeiter der Arbeitsämter wurden nie in richtiger Arbeitsvermittlung und Fort-/Weiterbildungs-beratung ausgebildet. Mit Hartz-IV raubte man den Bürgern ab 2005 das Recht auf geförderte berufliche Fortbildung, drückte sie in erbärmlich bezahlte Arbeit und entqualifizierte sie damit gleichzeitig. Mit dem Bürgergeld will die SPD ihre schlimmsten Verfehlungen "reparieren", nach geschlagenen 17 Jahren. Die zuvor genannten Probleme in der Bundesagentur für Arbeit bestehen fort und erst recht in den JobCentern. Nach wie vor fehlt eine vernünftige Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und noch mehr eine vernünftige Zuzugspolitik.