Einzelhandel

ver.di kritisiert: Handelsverband will Kassierer*innen das Gehalt kürzen

Vera Rosigkeit02. April 2020
Gehören derzeit zu den Held*innen des Alltags: Kassier*innen im Supermarkt
Der Vorschlag des Handelsverbandes, Kassierer*innen keine Lohnerhöhung zu zahlen, stößt auf massive Kritik. Es sei nicht seriös, in der Krise Gelder auf Kosten der Beschäftigten einzusparen, urteilt die Gewerkschaft ver.di.

1,8 Prozent mehr Gehalt sollte den Kassierer*innen laut 2019 vereinbarter Tariflohnerhöhung zum 1. Mai zustehen. Doch der Handelsverband Deutschland (HDE) will die Zahlung nun mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Unternehmen im Einzelhandel eigenmächtig umwidmen und sie als kleine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nutzen.

Lohnerhöhung für viel gelobte Kassierer*innen ein Muss

Die Gewerkschaft verdi reagiert mit scharfer Kritik und lehnt den vom HDE in der Öffentlichkeit geäußerten Vorschlag ab. Die vereinbarte Lohnerhöhung sei eine vertragliche Abmachung und könne gar nicht einseitig aufgekündigt werden, erklärt Günter Isemeyer, Sprecher beim ver.di-Bundesvorstand. Sie sollte auch den derzeit viel gelobten Kassierer*innen zustehen, denen stattdessen eine Gehaltskürzung drohe.
 
Man sei immer bereit zu verhandeln, wenn ein Einzelunternehmen in die Schieflage gerät, ergänzt Isemeyer. Für diese Situation gebe es Sanierungstarifverträge. Dabei wird zunächst geprüft, ob ein Unternehmen wirtschaftlich eine Zukunft habe. Dann würde gemeinsam mit den Beschäftigten beziehungsweise Betriebsräten beraten, ob und wo eingespart werden kann, wie lange die Maßnahme dauern soll und zu welchem Zeitpunkt der Tarifvertrag wieder in voller Höhe zur Anwendung kommt. Ergebnis ist ein gemeinsamer Zukunftsplan von Arbeitgebern und Arbeitnehmer*innen.

Gelder auf Kosten der Beschäftigten einzusparen

Das nun der Handelsverband die Gelegenheit nutzen will, um in der Krise Gelder auf Kosten der Beschäftigten einzusparen, sei „nicht sonderlich seriös“, sagt Isemeyer. Er würde zudem die Bemühungen der Bundesregierung unterschlagen, die Milliarden in Einzelhandelsunternehmen investiere, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise aufzufangen. Dazu bekämen die Unternehmen bei Kurzarbeit ihre Sozialabgaben zu 100 Prozent ersetzt.

Bereits am Mittwoch hatte verdi kritisiert, dass der Handelsverband eine bundesweite Regelung zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes im Einzelhandel auf 90 Prozent ablehnt. Die Einkommensreduzierung durch das Kurzarbeitergeld auf 60 bzw. 67 Prozent für Beschäftigte mit Kindern stürze viele Einzelhandelsbeschäftigte in existenzbedrohende Notlagen, so die Befürchtung. „Unternehmen im Handel, die nur Geld nehmen, aber nicht auch Verantwortung für die Beschäftigten übernehmen, dürfen aus meiner Sicht keine staatliche Unterstützung erhalten“, betonte hierzu ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Es sei „unverantwortlich vom Handelsverband Deutschland, die Beschäftigten in dieser Situation mit 60 Prozent des Gehaltes im Regen stehen zu lassen und die eigene Verantwortung auf die gesamte Gesellschaft abzuwälzen“.

Umso erfreulicher sei es, dass viele Unternehmen der Branche wie Primark, H&M, Zara, Walbusch oder Fielmann bereits eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 und 100 Prozent vereinbart haben.

 

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Kommentare

Als wenn es "nur" Der Einzelhandel wäre

Da sieht man mal wieder das großspurige Werbeworte in der Realität wert sind.

Währenddessen wirkt die "Krise" nahezu vollständig zum Schaden von Kleinunternehmern, Arbeitnehmern und Selbständigen. Kein Wunder, ist doch der Großteil der politischen Maßnahmen allein auf Verhinderung einer Profitreduzierung von Großkonzernen ausgelegt.

Jetzt kombiniert sich die Agenda-Zumutung ("Bester Niedriglohnsektor Europas",Löhne nahe der Armutsgrenze, Lohnniveau auch für besser Qualifizierte unterirdisch mies) mit der politisch gewollten und geförderten Kurzarbeit.
Die Corona-Ausrede wird auch genutzt uim Betriebsversammlungen zu untersagen oder sogar Betriebsratssitzungen verhindern zu wollen.

Wie wäre es stattdessen mit der Ausweitung des Überbrückungsgeldes ? Dann muß man nicht scheinheilig auf "Gespräche der Tarifpartner" verweisen sondern kann unzähligen Kleingewerblern, Selbständigen und in nicht tarifgebundenen Betrieben Unterbezahlten direkte Unterstützung zukommen lassen.

Ich hoffe das alle Geschädigten bei der Nächsten Wahl sämtlichen neoliberalen Parteien die Quittung verpassen