An Volker Braun scheiden sich die Geister. Das war in der DDR so und das ist auch im heutigen Deutschland so. Es wird auch bewusst polarisiert. Nicht, weil der Verfasser zu den Unfriedlichen gehörte. Eher im Gegenteil, wie sein neues Buch „Die hellen Haufen“ zeigt.
Jeder Satz, jedes Wort will bedacht sein. Nicht nur, weil der Dichter Volker Braun nicht viele Worte macht, sondern vor allem, weil er so viel Sinn in die Worte legt, dass wir sie um- und umwenden müssen, um hinter das zu kommen, was da gesagt wird. Und doch wird Klartext gesprochen.
Volker Braun und die Arbeiterklasse
Was Braun über die tatsächlichen Vorgänge im Thüringischen Bischofferode des Jahres 1993 erzählt ist nicht neu: 81 Tage lang traten die Arbeiter des örtlichen Kalikwerks in Hungerstreik, um zu verhindern, dass es geschlossen wird. Sie blieben erfolglos, trotz aller Solidaritätsbekundungen. Am Ende standen Abfindungen, Zeit-Anstellungen in einer Stillegungsgesellschaft und Resignation. Das Unverständnis war groß, denn hier war kein marodes Unternehmen geschlossen worden, sondern eines, das produktiv arbeitete. Ein Interessierter Bieter wollte das Werk weiterführen.
In seinem Buch schreibt Volker Braun die Geschichte fort. Er fasst die Region als historischen Raum, sucht Analogien zur Ausgangssituation der Bauernkriege, des Krieges „des gemeinen Mannes“. An das ursprüngliche Gemeineigentum wird erinnert. Das verlorene Volkseigentum der DDR-Zeit wird in diesen Zusammenhang gestellt. Zu diesen historischen Gleichnissen passt, dass aus der Bibel zitiert wird.
Das Erbe der Gewaltlosigkeit
Die „hellen Haufen“ ziehen los gegen Abwickler und Fusionierer. Sie wollen nicht das Vergangene zurück, doch sie wollen die Verhältnisse der Gegenwart in ihrem Sinne ändern. Hier ist mit Volker Braun ein Schriftsteller am Werk, der Utopie und Realität auseinanderzuhalten und das Erbe der Gewaltlosigkeit zu schätzen weiß. Die Trauer um nicht Stattgefundenes ist gepaart mit dem Wissen um die Ursachen von Passivität und Mutlosigkeit. Und es gibt ein Erahnen der Traurigkeit, die sich mit revolutionärer Gewalt aufzutürmen beginnen.
Auch die Revolte des Buches scheitert und der Autor verweist auf das Wenn und Aber alles Seienden und Möglichen und darauf, dass zu trauern ist, um entgangene Geschichte. So schießt der Autor mit den Worten: „nur etwas wäre ebenso schlimm gewesen, wenn sie stattgefunden hätte.“
Volker Braun: „Die hellen Haufen“,Suhrkamp Verlag, Berlin 2011, 97 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-518-42239-7