Wirtschaftspolitik

US-Präsidentschaftswahl: Warum die Gewerkschaften auf Joe Biden setzen

Knut Dethlefsen14. September 2020
US-Präsidentschaftskandidat mit Bauarbeiter*innen in Californien im Januar: Die Gewerkschaften setzen mehrheitlich auf den Demokraten und sein arbeitnehmerfreundliches Programm.
US-Präsidentschaftskandidat mit Bauarbeiter*innen in Californien im Januar: Die Gewerkschaften setzen mehrheitlich auf den Demokraten und sein arbeitnehmerfreundliches Programm.
Nur nur wegen der Corona-Krise spielt das Thema Wirtschaft eine zentrale Rolle im Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Es ist auch das einzige Politikfeld, in dem Amtsinhaber Donald Trump vor Herausforderer Joe Biden liegt. Der setzt auf ein arbeitnehmerfreundliches Programm.

Seit der Großen Depression der 30er Jahre war kein Tag der Arbeit für die Arbeiter*innen der USA von so großer Ungewissheit geprägt wie der diesjährige. Die Zukunft erscheint bedrohlich: Die USA sind politisch und gesellschaftlich polarisierter als zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem 19. Jahrhundert. Dazu kommt, dass das Coronavirus die Situation aufs Äußerste verschärft hat.

Die Trump-Regierung hat in der Krise versagt und so das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Regierung weiter untergraben. Dieses Scheitern hat die Wirtschaft in die tiefste Talfahrt seit der Großen Depression geschickt und mit beispielloser Geschwindigkeit Millionen von Menschen in die Arbeitslosigkeit gestürzt: 29 Millionen Amerikaner*innen beziehen Arbeitslosenunterstützung und mehr als drei Millionen Jobs sind während der Pandemie komplett verloren gegangen.

Entscheidende Rolle der US-Gewerkschaften

Nicht nur deshalb spielt das Thema Wirtschaft eine zentrale Rolle im Wahlkampf, dessen Endphase mit dem Labor Day am 7. September begonnen hat. Präsident Trump genießt weiterhin einen Vorsprung vor seinem Herausforderer Joe Biden, wenn es um die Frage geht, wem mehr Wirtschaftskompetenz zugetraut wird. Hier wird das Biden-Team in den nächsten Wochen hart arbeiten, um auch den letzten verbliebenen Vorsprung des Amtsinhabers zu verkleinern. Ein zentraler Partner dabei werden die US-Gewerkschaften sein. Sie spielen bei der Mobilisierung zur Stimmabgabe eine ganz entscheidende Rolle.

Wie wichtig die Mobilisierung der weißen Arbeiter*innenklasse ist, also der weißen Wählerinnen und Wähler ohne vierjährigen College-Abschluss, zeigen die vergangenen Präsidentschaftswahlen. Weiße Wähler*innen der Arbeiterklasse in den umkämpften Bundesstaaten des Mittleren Westens (wie Michigan, Minnesota, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin) waren entscheidend für Donald Trumps Sieg. Eine neue Umfrage der Blue-Green Alliance – also der Allianz aus Gewerkschaften und Umweltgruppen – zeigt, dass Joe Biden durchaus Chancen hat, die Unterstützung einer kritischen Masse dieser Wähler*innen zu gewinnen.

Bidens arbeitnehmerfreundliches Programm

Zugute kommen wird ihm dabei zum einen sein Erfolg als Sammler von Wahlkampfspenden: Fast 365 Millionen Dollar konnten Joe Bidens Wahlkampfteam und die Demokraten allein im August an Spenden einnehmen. Ein Rekord. Soviel hat selbst Obama – der Meister aller Kleinspenden – in einem Monat nicht reinholen können. Ein wichtiger Schub war sicherlich die Nominierung von Kamala Harris zur ersten afro-amerikanischen Vizepräsidentin.

Noch wichtiger aber ist Bidens arbeitnehmerfreundliches Programm. Dies ist auch der Grund, weshalb sich die Gewerkschaften mehrheitlich hinter Biden versammeln. Er kämpft genau wie sie für Maßnahmen, die tatsächlich den Arbeitnehmer*innen zugutekommen: ausreichenden Gesundheitsschutz, angemessene Bezahlung, Elternzeit, und eine nationale Strategie, um US-Arbeitnehmer*innen vor den negativen Folgen der Globalisierung zu schützen.

Während Trump 2016 mit genau diesem Versprechen angetreten war, hat er stattdessen Steuergeschenke an Reiche gegeben und desaströse Handelskriege angezettelt. Jared Bernstein, einer von Bidens wirtschaftspolitischen Beratern, sagte, dass "Biden aggressiv gute Jobs hier in Amerika verfolgen wird, während Trump vorgab, dies zu tun. Das ist der Unterschied zwischen Reality und Reality-TV."

Biden und die Gewerkschaften

Wie kommen Biden und seine politische Agenda bei den Arbeitnehmer*innen und Gewerkschaften an? Zum amerikanischen Tag der Arbeit hat Knut Dethlefsen mit Cathy Feingold gesprochen. Sie ist die Internationale Sekretärin des größten Dachverbandes der US-Gewerkschaften, dem AFL-CIO.

Der Text erschien zuerst auf der Seite der Friedrich-Ebert-Stiftung in den USA und in Kanada.

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Kommentare

Da wäre noch die Frage, wie

Da wäre noch die Frage, wie sich die Anhänger von Berni Sanders bei der Wahl verhalten werden. Wenige sind das nicht, die die Nase voll haben. Schließlich wurde Sanders schon zum zweiten Mal ausgetrickst.

Sieht man doch hier

Wie desinteressiert Parteien daran sind, vergraulte Nichtwähler zurückzugewinnen sehen wir doch hierzulande.
Abgesehen davon darf wohl daran erinnert werden das bei der Wahl des US-Präsidenten der Wählerwille vollkommen irrelevant ist, da der Präsident von "Wahlmännern" gewählt wird, die nicht dazu verpflichtet sind, gemäß der Entscheidung der Wähler zu votieren.
Das System der Wahlmänner hat historische Gründe, konnte doch in früheren Zeiten ein Präsidentschaftskandidat kaum das ganze Land bereisen und hatte auch keine Medien zur Selbstdarstellung zur Verfügung.

Leider hat auch hierzulande der Wählerwunsch keinerlei Einfluß auf die Auskungelei des Bundespräsidenten, eventuelle Häme darf man sich also sparen.

Mir wäre es auch lieben, wenn

Mir wäre es auch lieben, wenn die Bürger den Bundespräsidenten wählen könnten. Dennoch würde ich die Position des BP nicht mit dem US-Präsidenten vergleichen.

Allzu große Schieberein bezüglich der Wahlmänner nicht geben können, sonst geht da die Post richtig ab. Fragt sich jedoch, ob die Dems die Wahl überhaupt gewinnen wollen und nicht die Wahl 2024 anpeilen. Sonst hätte die doch einen anderen Kandidaten aufstellen müssen. Zeit wäre dann ja genug, sich neu aufzustellen.

Trumps Vorteil sind seine Gegner

Der nüchterne Blick auf die Umfragen zeigt, dass der Präsident weiter Chancen hat, die Wahl zu gewinnen. Da er in den letzten Jahren bewiesen hat, kaum kompetent regieren zu können, sagt das mehr über seine politischen Gegner aus als über ihn.

Der Präsident hat aber richtig erkannt (ob bewusst oder unbewusst), dass es am Ende die Wirtschaftslage ist, die den Ausschlag geben wird. Das wusste schon Bill Clinton 1992, daran hat sich nichts geändert. Den Menschen ist ihre wirtschaftliche Lage wichtiger als ein potentiell toter Senior; sie wählen nicht altruistisch.

Mit der Wahl 2016 wurde dem Status quo eine Absage erteilt. Die Demokraten scheinen dies nicht begriffen zu haben, und haben in den vier Jahren nichts am Stil der Politik geändert. Durch ihre Art, mit dem Präsidenten umzugehen, konnte Trump sich weiter als Außenseiter inszinieren, der für den "vergessenen" Mann gegen das Establishment kämpft.

Dementsprechend steht Joe Biden in den Umfragen nicht überzeugend da. Wenn er bei einem der TV-Duelle einen Aussetzer hat (was nunmal nicht unwahrscheinlich ist) dürfte das Rennen zu Gunsten des Präsidenten ausgehen.