Video-Interview

US-Präsidentschaftswahl: „Die Corona-Pandemie ist das bestimmende Thema“

Kai DoeringDirk Bleicker22. Oktober 2020
Kandidaten zum Anbeißen: Im Präsidentschaftswahlkampf werden Joe Biden und Donald Trump auch auf Keksen angeboten.
Kandidaten zum Anbeißen: Im Präsidentschaftswahlkampf werden Joe Biden und Donald Trump auch auf Keksen angeboten.
Die USA steuern auf eine Rekord-Beteiligung an der Präsidentschaftswahl zu. Aus Sicht des Büroleiters der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington, Knut Dethlefsen, könnte Corona die Wahl entscheiden.

Knapp zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl haben in den USA bereits mehr als 40 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben, per Brief oder an einer der Wahlstationen. „Viele gehen von einer Rekord-Wahlbeteiligung aus“, sagt Knut Dethlefsen, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington. Für viele Amerikaner*innen sei dies eine entscheidende Wahl. Vor allem die Anhänger*innen der Demokraten würden früh wählen, während die der Republikaner eher am Wahltag selbst ihre Stimmen abgeben würden.

Ein Fokus auf Corona ist für Trump nicht günstig

„Die Covid-19-Pandemie ist das bestimmende Thema des Wahlkampfs“, sagt Dethlefsen im Interview mit dem „vorwärts“ – und das nicht erst seit der Erkrankung von Präsident Donald Trump. „Die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner ist unzufrieden damit, wie die Trump-Regierung bisher mit der Corona-Pandemie umgegangen ist. Insofern ist ein Fokus darauf für Trump und seine Kampagne nicht günstig“, sagt Dethlefsen. Gerade unter den älteren Wähler*innen, die Trump 2016 maßgeblich ins Amt verholfen hätten, sei die Stimmung gekippt.

Und was, wenn Joe Biden die Wahl gewinnt, Donald Trump das Ergebnis aber nicht anerkennt, wie bereits spekuliert wird? Ein solches Szenario hält Knut Dethlefsen nicht für unwahrscheinlich. „Die Frage ist aber, wie relevant das dann ist.“ Zwar machten auch ihm die zuletzt in die Schlagzeilen geratenen rechten Milizen Sorgen, es sei aber „nicht vorstellbar, dass sie ernsthaft die öffentliche Ordnung gefährden“.

Geordneter Übergang mit viel Gezeter

„Ich gehe von einem deutlichen Wahlsieg von Joe Biden aus“, sagt Knut Dethlefsen. Für Trump werde es in einem solchen Fall auch deutlich schwieriger sein, zu behaupten, das Wahlergebnis sei nicht rechtmäßig zustande gekommen. Trotzdem erwartet der FES-Mann nach dem 3. November „eine Phase einer gewissen Unsicherheit“ für einige Wochen. Dethlefsen Prognose: „Wir werden einen geordneten Übergang erleben, um den herum es aber wahrscheinlich viel Gezeter geben wird.“

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Kommentare

Gibt es denn nicht auch die

Gibt es denn nicht auch die Korruptionsvorwürfe gegen Biden in Zusammenhang mit der Ukraine/Bursisma? Auf so etwas reagieren die US-Amerikaner ziemlich allergisch. Ebenso die Geschichte mit dem Russian-Gate aus 2016, die von den Demokraten ausging und die sich in Luft ausgelöst hat.

Wahlausgang ist einfach offen

Corona ist zunächst mal das bestimmende Thema von Politik und Medien. Ob es auch für die Wähler entscheidend ist, werden wir erst nach der Wahl sehen. Viele Politiker scheinen nicht zu begreifen, dass das Leben der Menschen in vieler Hinsicht normal weiter geht, unabhängig vom Virus.

Das zweite Duell wird wohl, so wie es gelaufen ist, keinen großen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Eben auch deshalb, weil viele schon gewählt haben. Die Skepsis in Bezug auf die Briefwahl ist in den USA weiter verbreitet, weil es eben seltener genutzt wird.

Man hätte Donald Trump von Anfang an wie einen normalen Präsidenten behandeln müssen, dann wäre seine Strategie, sich als Kämpfer gegen das Establishment zu geben, ins Leere gelaufen. Seine Versprechen in Bezug auf einen Impfstoff sind genauso unseriös wie die gleichen Versprechen der deutschen Politik. Die Häme nach seiner Infektion hat sich in Deutschland durch den Fall Spahn ja auch erledigt.

Ein Erdrutschsieg, wie vor Wochen noch angedeutet, ist völlig unwahrscheinlich. Ausgehend von den Umfragen ist ein (halbwegs) klarer Sieg von Biden gut möglich. Aber die Umfragen können falsch liegen, wie 2016.