Zu Gast in der Hansestadt

#unsereSPD in Hamburg: Die Kandidierenden und ihre Visionen für den Parteivorsitz

Jonas Jordan19. September 2019
Beim 13. Stopp von „#unsereSPD – die Tour“ am Mittwochabend in Hamburg ist die V-Frage gestellt worden. In einer Minute formulierten die Kandidierenden für den SPD-Vorsitz ihre Visionen hinsichtlich der künftigen Ausrichtung der Partei.

Es ist Mittwochabend, 18.30 Uhr und bereits eine halbe Stunde vor Beginn kommt keiner mehr rein. „Die Halle ist voll“, schallt es aus den Lautsprechern im Foyer des Kulturzentrums Kampnagel in Hamburg. Heute macht dort „unsereSPD – die Tour“ Halt und beim 13. Termin wollen mehr als 800 Menschen dabei sein. Schon am Vortag in Berlin hatten sich etwa 3.000 Menschen angemeldet. Inzwischen haben weit mehr als 10.000 Genossinnen und Genossen an „unsereSPD – die Tour“ teilgenommen. Diese Partei lebt. Das meint auch Melanie Leonhard, die Hamburger SPD-Vorsitzende. „Die Tour hat die Partei enorm gestärkt und macht Mut für die Zukunft“, sagt sie.

Die V-Frage

Dieser Abend hält etwas Besonderes bereit. Zum dritten Mal ist bei einem Tourtermin eine bekannte Persönlichkeit vor Ort und darf eine Frage an die Kandidierenden richten. Diesmal ist es Christian Rickens, Wirtschaftsjournalist beim Handelsblatt. Er hat bereits vor elf Jahren ein Buch geschrieben mit dem Titel „Links – Comeback eines Lebensgefühls“. Doch die SPD habe bisher nicht von linken Debatten profitieren können, sagt Rickens. Er moniert: „Mir fehlt die mitreißende Vision. Eine Utopie, die mich begeistert, die man in drei Sätze fassen kann und die dann auch jeder versteht.“ Entsprechend will Rickens von den Kandidierenden ihre Vision für die SPD und das Land wissen. In einer Minute.

Das Los entscheidet, dass Ralf Stegner beginnen darf. Er tritt an diesem Abend alleine auf. Seine Partnerin fehlt aus familiären Gründen. „Gesine Schwan ist eine ganz tolle Frau. Ich wünschte, sie wäre heute hier“, sagt Stegner und knüpft in seiner Vision an Willy Brandt an. Die SPD müsse die Partei der globalen Gerechtigkeit sein, fordert er. „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir hier gut leben und anderswo die Menschen flüchten müssen. Es reicht nicht, wenn es den Deutschen gut geht.“

Klara Geywitz, die im Tandem mit Olaf Scholz für den Parteivorsitz kandidiert, definiert den Klimawandel als das „Mega-Thema unserer Zeit“. Sie fordert daher: „Wir Sozialdemokraten müssen es schaffen, dieses Thema zu nehmen und die Gesellschaft wieder zusammenzuführen.“ Denn aktuell drifte diese angesichts des Klimawandels auseinander. Sie spalte sich in diejenigen, denen der Kampf gegen den Klimawandel nicht schnell genug gehe und diejenigen, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Diese beiden Parteien gelte es zu versöhnen. 

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken plädieren für eine stärkere Wirtschaftspolitik. „Der Markt ist nur dann ein gutes Instrument, wenn er sich an Werte hält“, sagt Walter-Borjans. Deswegen sei es die Aufgabe sozialdemokratischer Politik, dem Markt ein Wertegerüst zu geben. „Sonst kommt eine Situation zustande, in der die Menschen von allem den Preis, aber von nichts den Wert kennen“, sagt der 67-Jährige.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius kandidiert zusammen mit der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping. „Wir halten es mit Willy Brandt, der gesagt hat, dass wir ein Volk der guten Nachbarn sein wollen, nach innen wie nach außen“, sagt Pistorius und fügt an: „Wir müssen eine solidarische Gesellschaft schaffen mit einem sozialdemokratischen Leitbild.“ Dieses beinhalte Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Fairness im Umgang miteinander.

Karl Lauterbach und Nina Scheer legen in ihrer Vision den Fokus auf die Energiewende. „Die SPD ist immer die Partei des Fortschritts und der Zukunft gewesen“, sagt Lauterbach. Er fordert daher, dass der Klimawandel und die Energiewende nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Gelegenheit wahrgenommen werden müsse. „Wenn wir die ersten sind, die die Erneuerbaren Energien zum Kernbestandteil einer modernen Volkswirtschaft machen und gleichzeitig die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft beseitigen, dann wird Deutschland ein Vorbild für viele andere sein.“

„Unsere Vision ist, dass die Menschen wieder mehr Zeit haben. Für Kinder, für die Familie und für das Ehrenamt“, sagt Christina Kampmann, die mit Michael Roth zusammen kandidiert. Viele Menschen fühlten sich überfordert von der Globalisierung, dem Kapitalismus und einer immer schneller werdenden Digitalisierung. Deswegen müsse die SPD – ähnlich wie in der Industrialisierung – gemeinsam mit starken Gewerkschaften an der Seite der Beschäftigten stehen und für kürzere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn einstehen.

„Wir sind die erste Generation, die die Armut bekämpfen könnte und die letzte Generation, die den Klimawandel stoppen kann“, zitiert Hilde Mattheis, die mit Dierk Hirschel antritt, den früheren UN-Generalsekretär Ban-Kii Moon. Die SPD stehe national wie international in dieser Verantwortung. Hirschel fügt an: „Die zentrale Frage ist die soziale Frage. Was wir erleben in den letzten Jahrzehnten, ist eine Rückkehr der Klassengesellschaft.“ Dem müsse sich die SPD entgegen stellen.

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Kommentare

Die Zeichen stehen auf Links...

... nicht nur weil rechte Ignoranz u. Abschottung keine konstruktiven Beiträge leisten kann, die unsere Lebensgrundlagen schützt und die Gesellschaft wieder zusammenbringt und ihr auch keine neuen positiven Impulse bringen kann. Das die langjährige sogenannte "Realpolitik" der Mitte die für all die Notstände, Personalmangel, kaputte Infrastruktur, den Ausverkauf der Daseinsvorsorge und die Spaltung der Geselschaft in Arm und Reich, Stadtkonzentration und Landflucht, sowie aktuell auch noch Spaltung von älterer verantwortungsloser Generation und junger Generation, mit zunehmend verbauter Zukunft, verantwortlich ist, bedarf sicherlich keiner Diskussion. Das ist so klar wie die berühmte Kloßbrühe! Außer dem Vertreter des "Weiterso in die falsche Richtung" gibt es durchaus einige Kandidatenpaare die jeweils wichtige linke Themen transportieren. Die Aufgabe der neuen SPD-Spitze sollte es sein, diese Themen in eine mitreißende Erzählung zu packen, die einen konkreten Fahrplan des Richtungswechsels aufweist, Gemeinwohl wieder in den Vordergrund stellt und entspr.Verhalten belohnt und.die Arbeitsmarktpolitik zuk.nicht auf dem Buckel von Beschäftigten und Lebensgrundlagen macht !

"Visionen für den Parteivorsitz".

"Die SPD als Friedenspartei wiederbeleben": Am 13.9. Michael Müller und Peter Brandt, vor kurzem Eppler und Vogel (u. a.). - nichts davon bei den Kandidaten um den Parteivorsitz. Ich begreife nicht, warum die SPD dieses Thema nicht besetzt. Solidarität und Frieden sind doch die beiden Seiten der gleichen Medaille - und wären (ausgearbeitet) ein großartiges Narrativ für unsere Partei.

"Visionen für den Parteivorsitz (2)".

Die Betonung des Friedens ist auch angesichts der immer offensiver in der Öffentlichkeit vorgetragenen militärischen Lösungen von Problemen eine unverzichtbare Notwendigkeit. Frau Merkel hat sich in den letzten Haushaltsberatungen wiedermal als Klimaretterin ("Menschheitsaufgabe"), auch von Presse und Fernsehen so wahrgenommen, geriert; begonnen aber hat sie ihre Rede mit der bedingungslosen Treue zur Nato, zum 2%-Ziel und zur robusten Sicherung der weltweiten Handelswege durch die EU. Sie bedauerte, dass die EU, wir, nicht genug Präsenz in Libyen und Syrien zeigen und meinte, Europa müsse mehr tun.
Andere Politiker der christlichen Union verlangen ganz selbstverständlich, dass nicht nur die Straße von Hormus, sondern auch die Ölbestände der arabischen Halbinsel uns/der Welt zur freien Verfügung offenstehen müssten. Die Verteidigungsministerin drängt die "europäischen Verbündeten" geradezu, die Straße von Hormus militärisch zu "sichern": "Wir sind bereit, uns zu beteiligen".
Wir nicht!!

AKK: "Wir sind bereit, uns zu beteiligen"

Kann ein vernünftiger Mensch annehmen, die (z. B.) Straße von Hormus könne militärisch durch eine Weltmacht gesichert werden? Heute sind Raketen oder vergleichbare Flugkörper, die eine Bordwand durchschlagen können, von Einzelkämpfern zu handeln. Gezielt eingesetzte Selbstmordattentäter könnten die Tanker, ihre Mannschaften oder Verladestationen ständig unsicher machen. Es gibt keine andere dauerhafte Sicherheit in der Straße von Hormus, außer die Anrainer sind damit ehrlich einverstanden. Selbst Trump scheint das inzwischen zu verstehen – Kanonenboot-Politik geht nicht mehr.

SPD als Friedenspartei

In dem Punkt muss ich Ihnen widersprechen. Einige der Kandidierende haben das bei mehreren Tourterminen immer wieder betont. In Hamburg erinnere ich mich beispielsweise spontan an entsprechende Statements von Christina Kampmann und Ralf Stegner.

Widerspruch

Warum steht dann in Ihrem Bericht über Hamburg davon kein einziges Wort?! In den anderen Berichten über die Kandidatenvorstellung suche ich dieses Thema auch vergebens.
Hätte ich den Kandidaten Unrecht getan, weil Sie/der Vorwärts Frieden für nicht erwähnenswert halten? Ich kann das gar nicht glauben!!

Artikel

Leider lassen sich mehr als zweieinhalb Stunden lebhafter Debatte nicht ohne Weiteres in 4.500 Zeichen abbilden. Dafür bietet die SPD den wunderbaren Service, sich die Videoaufzeichnung einfach nochmal in Gänze anzuschauen: https://unsere.spd.de/tour/hamburg/