Frankreichs Kampf gegen Wirtschaftsspionage

Uni-Ausbildung für sympathische Netzpiraten

Lutz Hermann20. August 2013

Seit 2008 bildet Frankreich an der nordfranzösischen Universität Valenciennes Informatikexperten für die Abwehr von Hackerangriffen aus. Etwa 100 Absolventen fanden in privaten und staatlichen Unternehmen umgehend einen lukrativen Posten. Das Technologie-Institut in Maubeuge, eine Filiale von Vincennes, soll zur modernsten Einrichtung im Kampf gegen Wirtschaftsspionage aufgemotzt werden.

Die Idee, sogenannte ethische Hacker an der Universität auszubilden, kam schon im Jahre 2000 auf. Ethisch soll heißen, dass die Studenten verantwortungsvoll Hackerattacken abwehren sollen, ohne zu versuchen, in den Informatikapparat des Gegners einzudringen. Der Begründer der Piratenschule, wie manche die Forschungseinrichtung nennen, Franck Ebel, erklärt das Ziel des Studiums so: Wir müssen die Abwehrmittel haben, um Methoden und Strategien des Angreifers zu ermitteln.

Jobsicherheit für Anti-Hacker

In diesem Jahr werden in Maubeuge 26 Studenten, darunter zwei Frauen, ausgebildet. Nach zweijährigem Studium erhalten sie zum Abschluss das CDAISI-Diplom (Collaborateur pour la Défense et l´Anti-Intrusion des Systèmes Informatiques), übersetzt Mitarbeiter/Fachmann zum Schutz vor Eindringen in Informatiksysteme. Die universal ausgebildeten Experten werden begehrte PC-Experten für die französische Wirtschaft, speziell für IT-Unternehmen, sein.

Über den Unterrichtsinhalt wird nicht viel bekannt. Ein Gebiet ist der Aufbau einer virtuellen Schnüffelbastion durch Lehrkräfte, die von den Studenten bekämpft wird, in dem sie die elektronischen Lücken des Angreifers bloßlegen und so eine Attacke neutralisieren. Die Studenten müssen sich weiter für die Abwehr juristisch absichern; deshalb treten in den Hörsälen in Maubeuge Anwälte, Versicherungsvertreter, Informatikfachleute sowie Spezialbeamte des Abwehrdienstes DCRI (Direction Centrale du Renseignement Intérieure“) auf. Es liegt auf der Hand, dass sich Regierungsstellen die besten Köpfe der ethischen Hacker herausfiltern werden.

Ausbilder wehrt sich mit Trojaner

Ausbilder Franck Ebel ist selbst Opfer eines Hackerangriffs geworden. Ein Eindringling verschaffte sich in seinem Rechner seine Identität. Mit Hilfe eines Trojaners habe ich das Problem geregelt, sagt Ebel. Der Täter konnte der Polizei übergeben werden. Ein anderes Opfer eines Hackerangriffs wurde der Elyséepalast während der letzten Präsidentschaftswahl im Frühjahr vorigen Jahres. Das Präsidialamt musste die gesamte Software auswechseln. Danach ließ der Verteidigungsminister in das Weißbuch seines Amtes festschreiben, der Cyberkrieg sei das neue Schlachtfeld der nationalen Verteidigungspolitik.

Frankreich ist wie Deutschland ein Tummelplatz für Industriespionage, sagen Fachleute. Der "Spiegel“ berichtete unlängst, dass sich der Software-Konzern SAP monatlich 3.000 Hackerangriffen erwehren müsse. Eine Reihe von Großunternehmen in Frankreich glaubt, Werks- und Wirtschaftsspionage allein, also ohne fachmännische Beratung, abwehren zu können. Die sympathischen Netzpiraten von Maubeuge haben ein Beispiel wie eine Fallstudie herangezogen: Sie untersuchten die Informatik der an Automaten der Bahngesellschaft SNCF abrufbaren TGV-Fahrkarten. Ihr Befund: Jeder halbwegs clevere Hacker hätte beliebige Fahrscheine ausdrucken können.