Wer wird der oder die nächste Bundeskanzler*in Deutschlands? Diese Frage ist am Sonntagabend logischerweise noch nicht entschieden worden. Doch beim ersten TV-Triell der Kanzlerkandidat*innen von SPD, CDU/CSU und Grünen bei RTL und ntv wurde deutlich, wer von den dreien durch die Meinungsumfragen der vergangenen Tage und Wochen im Aufwind ist: Olaf Scholz. Der SPD-Kanzlerkandidat zeigte sich sachlich, souverän und in sich ruhend. Armin Laschet und Annalena Baerbock gingen hingegen offenbar mit der Strategie in dieses Aufeinandertreffen, sich aggressiv und angriffslustig zu zeigen. Letztlich führte das allerdings dazu, dass sich die beiden immer wieder in Wortgefechte verwickelten.
Streitereien zwischen Baerbock und Laschet
Beispielsweise hielt Laschet seiner Kontrahentin vor, dass die Bundestagsfraktion der Grünen der Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan im März dieses Jahres nicht geschlossen zugestimmt habe. „Ist das für Sie Klarheit?“, fragte er. „Wenn Sie nicht nur Ihren Sprechzettel vorlesen würden...“, konterte Baerbock. „Ich lese keinen Sprechzettel vor“, sagte Laschet kleinlaut.
Der CDU-Vorsitzende griff Baerbock immer wieder persönlich an, auch als es um Wege zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes ging. „Frau Baerbock, jetzt mal ganz langsam, Sie haben da ein paar Dinge in die Luft geworfen. Das einzige, was Sie gefordert haben, ist das Verbot des Verbrennungsmotors und eine Solarpflicht“, schloss er an Ihre Ausführungen. Die Grünen-Vorsitzende giftete zurück: „Da haben Sie mir nicht zugehört!“ Daraufhin behauptete Laschet: „Das Kunststück ist, nicht Sprüche zu machen, sondern Reformen vorantreiben.“ Baerbock nahm das später auf und sagte in Richtung Laschet: „Es ist sehr lustig. Sie haben immer regiert. Es ist offensichtlich, Sie haben keinen Plan.“
Scholz hat einen konkreten Plan
Einen sehr konkreten Plan für die Zukunft des Landes hat hingegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Das wurde an diesem Abend wieder einmal deutlich. „Wir schaffen ein klimaneutrales Land", stellte er klar. „Mit unseren Ingenieurinnen und Ingenieuren und unserer Wirtschaftskraft sorgen wir dabei dafür, dass wir unseren Wohlstand erhalten. Das wird die nächste ökonomische Erfolgsgeschichte unseres Landes.“ Der Weg zur Klimaneutralität sei vor allem ein Industrieprojekt, hob Scholz hervor und kündigte an: „Wir werden das schaffen und zwar so, dass wir unseren Wohlstand sichern und gute Arbeitsplätze schaffen.“
Doch er will noch mehr: die Renten auf einem stabilen Niveau sichern, die EEG-Umlage abschaffen, um den Strompreis zu senken und den Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen, wovon mehr als zehn Millionen Menschen direkt profitieren würden, viele davon in Ostdeutschland. Die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West ist ihm besonders wichtig, machte der SPD-Kanzlerkandidat deutlich: „Ich bin in den 90er Jahren ein junger Anwalt gewesen, habe für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Osten Sozialpläne durchgesetzt", blickte Scholz im TV-Triell zurück. „Deswegen ist es für mich etwas besonderes, heute im Osten zu leben. Wir brauchen einen Aufbruch Ost.“
Scholz gewinnt das Triell
In vielen Punkten waren sich die drei Kontrahent*innen einig, wie zum Beispiel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie: keinen erneuten Lockdown, keine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, aber mehr Werbung für Impfungen und wenn möglich die 3G-Regel für den Fernverkehr. Deutliche Unterschiede förderten hingegen die drei Schlussstatements zu Tage. Olaf Scholz bewies erneut seine Stärken und führte ruhig, sachlich und souverän aus: „Es geht um Sie bei der kommenden Bundestagswahl und es geht um die Zukunft unseres Landes. Wir haben in den vergangenen Monaten gezeigt, wie man Solidarität zeigt. Ich möchte, dass wir in einer Gesellschaft des Respekts leben.“
Laschets Statement wirkte hingegen geradezu grotesk, wenngleich auch entwaffnend ehrlich. Er spüre Gegenwind, sagte er. „Spüren wir nicht alle den Wind der Veränderung, der uns ins Gesicht bläst?“, fragte er. Seine Antwort auf diesen „wind of change“ ist jedoch nicht, sich davon tragen zu lassen oder ihn als Rückenwind zu nutzen. Nein! Der Kanzlerkandidat der CDU/CSU versprach: Mit ihm ändert sich nichts. Wörtlich sagte er: „Das ist mein Angebot und das der Union: Stabilität und Verlässlichkeit.“
Kommt das an bei den Menschen in Deutschland? Offenbar nicht! Denn eine Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa unter 2.500 Befragten zeigte deutlich: Eine Mehrheit von 36 Prozent ist der Meinung, dass Olaf Scholz das TV-Triell für sich entschieden hat, 38 Prozent fanden zudem den SPD-Kanzlerkandidaten von den drei Kontrahent*innen am sympathischsten. 47 Prozent trauen Scholz am ehesten zu, das Land zu führen. Für 46 Prozent der Befragten war er im Triell der Sachkundigste und Kompetenteste. Damit siegt Scholz in allen vier von Forsa abgefragten Kategorien deutlich vor Laschet. Während der SPD-Kanzlerkandidat damit seinen Vorsprung festigte, verpasste CDU-Konkurrent Laschet eine wichtige Chance, aufzuholen und die Stimmung für die Union zu drehen.