Kundgebungen im Internet

Trotz Corona: Wie SPD und DGB den Tag der Arbeit feiern

Kai Doering30. April 2020
GEMA1NSAM: Wegen Corona setzen SPD und DGB in diesem Jahr am 1. Mai auf das Internet.
GEMA1NSAM: Wegen Corona setzen SPD und DGB in diesem Jahr am 1. Mai auf das Internet.
Keine Demos, keine Kundgebungen: Die Corona-Krise sorgt für einen historischen 1. Mai. Doch DGB und SPD haben Wege gefunden, wie der Tag der Arbeit trotzdem gebührend gefeiert werden kann.

„Heraus zum 1. Mai!“ heißt es traditionell zum Tag der Arbeit. Doch wegen Corona lautet das Gebot in diesem Jahr: Drinnen bleiben, Abstand halten! Die Jusos haben deshalb bereits reagiert. „Hinein zum 1. Mai“ fordern sie „ausnahmsweise“ auf ihrer Twitter-Seite.

Und auch sonst ist vieles anders in diesem Jahr. Zum ersten Mal seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Jahr 1949 wird es diesmal am 1. Mai keine Demonstrationen und Kundgebungen auf Straßen und Plätzen geben. „Schweren Herzens“ habe man die 1.-Mai-Kundgebungen absagen müssen, sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. „Solidarität heißt in diesem Jahr: Abstand halten!“

1.-Mai-Demos finden im Internet statt

Und weil das am besten zuhause geht, sind die Mai-Demos einfach umgezogen. Ab 11 Uhr bietet der DGB einen Livestream auf seiner Internetseite an. Bis 14 Uhr treten Künstler*innen wie Heinz-Rudolf Kunze und „MIA“ auf; es gibt Talks mit Reiner Hoffmann, Musiker Konstantin Wecker und Schauspielerin Frederike Kempter. Das 1.-Mai-Motto lautet in diesem Jahr passend dazu „solidarisch ist man nicht alleine“.

Auch in den sozialen Medien findet der 1. Mai statt. Der DGB hat eine Social-Media-Wall eingerichtet. Wer auf Facebook, Twitter oder Instagram unter dem Hashtag #SolidarischNichtAlleine etwas postet, findet sich dort wieder. Wer möchte, kann sich sein Profilbild in den sozialen Netzwerken zudem mit dem 1.-Mai-Motto verschönern.

„#GEMA1NSAM“ heißt es bei der SPD

Denselben Service bietet auch die SPD an. „#GEMA1NSAM“ heißt es bei den Sozialdemokrat*innen zum diesjährigen Tag der Arbeit. „Es wird sich alles von dem unterscheiden, wie wir den 1. Mai kennen“, sagt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. „Diesmal werden wir eine virtuelle Demonstration erleben.“ Auch die Partei hat eine „Social Wall“ eingerichtet, auf der Videos, Fotos und Tweets aus den sozialen Netzwerken zum Tag der Arbeit erscheinen.

In den vergangenen Wochen wurden zudem 6000 Fahnen mit stilisierter Rose und dem Slogan „Solidarität. Gemeinsam was bewegen“ aus dem Willy-Brandt-Haus an die SPD-Basis verschickt. Sie sollen am Freitag an Balkonen und vor Fenstern zu sehen sein und so eine Art dezentrale Mai-Kundgebung ermöglichen. „Alle Teilnehmer werden sich als Teil einer großen Bewegung erleben“, ist Saskia Esken überzeugt.

Nächstes Jahr wieder auf der Straße

Sie selbst und Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans werden ab 15 Uhr auf dem Youtube-Kanal der SPD diskutieren. Als Gäste werden im Livestream außerdem Bildungsforscherin Bettina Kohlrausch, Gewerkschafter Manuel Bunge und Jungsozialistin Lilly Blaudszun mit dabei sein. „Der Sozialstaat ist die Basis für den Zusammenhalt in der Gesellschaft“, sagt Norbert Walter-Borjans. Das zeige nicht zuletzt die die Corona-Krise – und das gelte es am 1. Mai besonders zu unterstreichen.

Doch auch wenn sich DGB und SPD auf diesen Tag der Arbeit zuhause gut eingestellt haben – zu einer Dauereinrichtung sollte er nicht werden. „Nächstes Jahr werden wir wieder mit vielen Menschen die Straßen und Plätze füllen und den 1. Mai feiern“, kündigt DGB-Chef Reiner Hoffmann an. Es werde das weltweit größte Fest der Solidarität. „Und wir werden feiern, dass wir die Corona-Krise gemeinsam überwunden haben.“

Tag der Arbeit

Nur mit Solidarität stehen wir die Corona-Krise gemeinsam durch. Einen Text von DGB-Chef Reiner Hoffman lesen Sie hier.

Corona-Krise nicht auf die junge Generation abwälzen! Einen Text von DGB-Bundesjugendsekretärin Manuela Conte lesen Sie hier.

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Kommentare

Aber irgendwie sind die SPD

Aber irgendwie sind die SPD und der DGB in Coronazeiten doch handzahm geworden und ordnen sich den Orakelsprüchen der Kanzlerin einfach unter.

Wolfgang Merkel meint einen Glauben an den Obrigkeitsstaat zu erkennen:
https://twitter.com/merkel_wolfgang/status/1255820170855092225

Könnte es Schlimmeres für die SPD und die Gewerkschaften geben?

Bezug zur Realität geht verloren

Die Maifeiern im nächsten Jahr werden vor dem Hintergrund einer Wirtschaft in der Depression und locker 5 Millionen Arbeitslosen stattfinden. Von daher zeugen die Äußerungen des DGB-Chefs entweder von erstaunlicher Naivität oder hoffnungslosem Realitätsverlust.

Die Politik hat unsere Wirtschaft in die schlimmste Krise seit 1929 geführt, und unsere Demokratie in die größte Gefahr seit 1932/33. Die 2020er werden ein reines Krisen- und Reparaturjahrzehnt. Ähnlich wie in der Weimarer Republik wird progressive Politik unter diesen Umständen kaum bis gar nicht möglich sein.

Der 1. Mai als Feiertag wurde in der NS-Diktatur eingerichtet. Daher ist es erstaunlich, dass er nach 1945 weiter als Feiertag begangen wurde. Es wäre besser, ihn als gesetzlichen Feiertag abzuschaffen, und stattdessen den 8. Mai als Feiertag zu nutzen. Das wäre auch ein Signal zur Überwindung der strukturkonservativen Haltung der SPD.

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