Noch kein Ende der Pandemie

Trotz Corona-Impfstoff: Auch 2021 müssen wir noch Abstand halten

Benedikt Dittrich10. November 2020
Erleichterung in der Gesellschaft: Dass bald ein Impfstoff gegen Sars-Cov-2 zur Verfügung stehen könnte, verbreitet Hoffnung. Doch die ist trügerisch. Wir werden noch sehr lange Rücksicht, Solidarität und Vorsicht brauchen – und Regeln.

„BNT162b2“ verbreitet Hoffnung. Der Impfstoff, den „Biontech“ aus Deutschland und „Pfizer“ aus den USA gemeinsam entwickeln, hat am Montag Optimismus verbreitet, dass die Pandemie bald besiegt sein könnte. Doch dieser Optimismus täuscht. Denn selbst wenn aus dem Zwischenstand Gewissheit wird, wenn der Impfstoff viele Menschen gut schützen kann, wenn er zugelassen wird und wenn die Verteilung noch vor Jahresende beginnen kann – und das beinhaltet schon vier Mal ein „wenn“ – werden wir noch sehr lange Rücksicht nehmen müssen. Die Party, mit der wir das Ende der Pandemie feiern können, wird noch lange auf sich warten lassen.

Selbst Biontech und Pfizer dämpfen mit anderen Zahlen die Erwartungen von einer frühen Rückkehr zur Normalität: Bis Jahresende könnten, wenn alles klappt, 50 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Da für eine Impfung zwei Dosen nötig sind, würde diese erste Tranche also nur für 25 Millionen Menschen reichen. Das ist keine besonders große Zahl für einen Impfstoff, auf den Milliarden Menschen auf der ganzen Welt warten.

Sollte der Impfstoff bald tatsächlich zur Verfügung stehen, dürften zunächst Risikogruppen geimpft werden. Also die, deren Leben vom Virus akut bedroht ist. Doch auch in Deutschland sind in diesem Jahr schon Menschen an Covid-19 verstorben, die jung und gesund waren, die keine Vorerkrankung hatten und auch sonst keiner Risikogruppe angehören.

Auch junge Menschen können sterben

Wir müssen also auch 2021 noch aufpassen, mit oder ohne Impfstoff. Denn wenn zu viele sich zu Beginn des Jahres 2021 wieder so verhalten wie jetzt im Oktober, wenn zu viele zu nachlässig werden, sich umarmen, gemeinsam auf engem Raum feiern, werden die Infektionen wieder zunehmen. Dann gibt es vielleicht weniger ältere Menschen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, trotzdem wird es weiterhin Covid-19-Patient*innen geben. Sie werden nur jünger.

Selbst wenn in den Bevölkerungsgruppen ohne Risiken nur ein schwerer Verlauf auf 10.000 Infizierte kommt: Es ist nur eine Frage der Menge, ab wann die Intensivbetten wieder knapp werden, wann andere Operationen verschoben werden müssen und das Krankenhauspersonal wieder ans Limit gerät. Die Grenze des Zumutbaren liegt nur eben etwas höher.

Die Virologin Isabella Eckerle warnte vor einer solchen Übergangsphase, ebenso ihr Kollege Christian Drosten, dass trotz Impfungen in Risikogruppen in anderen Gruppen die Infektionen ansteigen könnten. Die schweren Verläufe seien in der Altersgruppe zwar seltener, aber sie existierten, so Drosten. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Epidemiologe Karl Lauterbach geht im Gespräch mit dem „vorwärts“ davon aus, dass das ganze Jahr 2021 hindurch geimpft werden muss: „Daher ist noch kein Grund zur Entwarnung gegeben.“

Wir brauchen also weiterhin Geduld, Abstand und Rücksicht aufeinander. Wie schwer uns das als Gesellschaft fällt, konnten wir im Spätsommer sehen: Als die Infektionszahlen auf niedrigem Niveau verharrten, machte sich Sorglosigkeit breit. Obwohl Virolog*innen und Ärzt*innen schon warnten, dass das Virus weder weniger gefährlich noch langsamer geworden war. Als die Menschen im Herbst und Winter dann enger zusammenrückten, wurde daraus Gewissheit: Ohne deutliche Einschränkungen kommen wir offenbar nicht hin.

Ein Marathon der Solidarität

Diese Gewissheit gilt auch für die kommende Phase. Selbst wenn bald ein Impfstoff am verfügbar sein sollte und wir damit Risikogruppen besser schützen können: Ohne Rücksicht, ohne Distanz, ohne Solidarität werden wir auch 2021 nicht auskommen. Wenn wir uns gegenseitig schützen wollen, wenn wir als Gesellschaft Leben retten und Krankenhauspersonal entlasten wollen, werden wir die Corona-Regeln und Maßnahmen noch sehr, sehr lange beherzigen müssen.

weiterführender Artikel

Kommentare

Optimismus ?

Aus den Marketingverlautbarunen von Pharmakonzernen Optimismus zu schöpfen ...... also ich bin mir da nicht so sicher.
Die Erfahrung zeigt doch, daß Pharmafirmen andere Interessen verfolgen als den Schutz vor und die Heilung von Krankheit. (arte-doku: Big Parma; vor ca. 1 Monat).
Natürlich ist das Bestreben dieser Firmen nach Profit, um daraus auch noch Gewinn zu schlagen, unter dem bestehenden Wirtschaftssystem vollkommen legitim.
Ethische Fragen spielen unter der kapitalistischen Produktionsweise bekanntlich keine Rolle (siehe auch Waffenproduktion, Umweltgifte ....).

Wir könnten uns aber auch

Wir könnten uns aber auch noch mal daran erinnern, daß die Schweinegrippeimpfung vor Jahren ein Rohrkrepierer war:
https://www.bdi.de/politik-und-presse/nachrichten/ansicht/article/uebers...
https://www.aerzteblatt.de/archiv/134836/Schadensverdacht-nach-Schweineg...

Corona-Impfstoff

Dass der Corona-Impfstoff das Allheilmittel darstellen soll, kann ich mir auch nicht vorstellen. Natürlich fährt der Pharma-Lobbyist Spahn voll auf diesen Impfstoff ab und muss nachher eingestehen, dass damit vermutlich nur ein Teil des Problems gelöst werden kann.

In den Nachrichten am 10.11. war nichts weiteres zu hören und zu lesen als die Einführung des Impfstoffs, wobei es sicherlich noch die unterschiedlichsten Varianten geben wird, wer als Erste geimpft werden soll oder darf. Wieviele Menschen hatten sich in den vergangenen Jahren gegen Grippe impfen lassen und sind stärker erkrankt als andere.

Deshalb halte ich Abstand und Maske sowie die Verhinderung von Saufpartys und Demos von "Querdenkern" als eines der wirksamsten Mittel gegen die Corona-Pandemie.

In vielen Gaststätten wurde peinlichst auf Abstand und Hygiene geachtet, wobei hier auch die wenigsten Fälle aufgetreten sind, und diese müssen jetzt zusehen, wie sie ihre Existenz retten können. In Baden-Württemberg erhielt bisher nur ein verschwindend geringer Anteil von Kleinunternehmern die versprochene staatliche Hilfe, während Steuerhinterzieher wie Amazon & Co. von der Krise profitieren.

Wahlen werden Lockerungen erleichtern

Ob ein Impfstoff im nächsten Jahr zur Verfügung steht wissen wir nicht. Nur, dass es möglicherweise einen Erfolg bei der Forschung gibt. Die dazu gehörenden Daten sind aber nur vom Unternehmen, nicht unabhängigen Stellen geprüft worden. Wie unreflektiert gerade auch die SPD hier Unternehmen zujubelt ist erstaunlich. Warum diese Forschung dem Privatsektor und dem Markt überlassen wird sowieso fraglich.

Je mehr Impfstoff zur Verfügung steht, und je weniger Infizierte es gibt, desto schwieriger wird es für die Politik, Einschränkungen der Grundrechte zu rechtfertigen. Das Verfassungsgericht wird da irgendwann auch nicht mehr mitmachen, sollte es Klagen geben.

Am Ende ist die Sache aber wesentlich einfach: Je näher die Wahlen kommen, desto panischer und verzweifelter werden die Politiker werden. Daher werden wir im Laufe des nächsten Jahres recht schnell "Lockerungen" erleben, sollte es einen Impfstoff geben (was nicht sicher ist). Für uns als SPD geht es um das blanke Überleben. Man kann nur hoffen, dass das die Parteiführung rechtzeitig begreift, statt vom Kanzleramt zu träumen.