Laut Veranstalter haben am Wochenende rund 18.000 Menschen gegen die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD demonstriert. Sie waren an der Planung beteiligt. Haben Sie mit einer so großen Resonanz gerechnet?
Wir waren von der Resonanz total überwältigt. 18.000 Menschen gegen rechts auf der Straße zu haben, ist großartig! Eine konkrete Erwartung an die Teilnehmendenzahl hatten wir nicht. Unser Ziel war, so viele Menschen wie möglich zu mobilisieren. Dass aus dem gesamten Bundesgebiet Menschen nach Erfurt gekommen sind, freut mich sehr. Wichtig war, dass es eine Großdemo wird. Und genau das ist es geworden. Damit haben wir ein klares Zeichen aus der Zivilgesellschaft an die Politik geschickt.
Welchen Einfluss kann so eine Demonstration auf die Politik haben?
Die Situation in Thüringen zeigt, dass Demonstrationen einen Effekt haben. Wenige Stunden nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten waren ja in mehreren Städten tausende Menschen auf der Straße, um dagegen zu demonstrieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass nur der Druck der Zivilgesellschaft dafür gesorgt hat, dass Herr Kemmerich einige Tage später zurückgetreten ist. Jetzt müssen wir den nächsten Schritt gehen. Es braucht weiterhin den Druck von der Straße, um geordnete Neuwahlen in Thüringen zu erreichen.
Wie lässt sich der Druck aufrechterhalten?
Natürlich wird es uns nicht gelingen, jedes Wochenende eine Großdemo auf die Beine zu stellen. Deshalb sollten wir über kleinere Aktionen in den Regionen nachdenken. Wichtig ist dabei, dass wir nicht nur demonstrieren, sondern auch informieren. Das ist gerade das Ziel der SPD und der Jusos hier in Thüringen.
Wie groß ist die Sorge vor einem weiteren Rechtsruck bei den Demonstrierenden?
Die Sorge vor einem weiteren Rechtsruck ist ein riesiges Thema bei den Demonstrationen. Ein Motto am Wochenende war ja auch „Faschismus nicht mit uns“. Diese Sorge ist aus meiner Sicht auch sehr begründet. Das zeigt auch der geschichtliche Vergleich: In Thüringen hat die NSDAP schon Ende der 20er Jahre bürgerliche Parteien unterstützt, an die Regierung zu kommen mit dem Ergebnis, dass am Ende allein die Nazis davon profitiert haben. Mit Björn Höcke sitzt nun wieder ein Faschist im Thüringer Parlament. Insofern war die Kemmerich-Wahl eine Zäsur, nach der alle demokratischen Parteien an einem Strang ziehen müssen.
Damit könnte die Wahl Thomas Kemmerichs zumindest ein Weckruf für die Zivilgesellschaft gewesen sein.
Die Wahl war ein Weckruf, aber ein sehr schmerzhafter. Die Thüringer Landesregierung funktioniert nur, weil die Staatssekretäre von Rot-Rot-Grün sie am Laufen halten. Thüringen war in der vergangenen Woche zum ersten Mal nicht in der Sitzung des Bundesrats vertreten. Das ist kein Zustand. Deshalb sollte dieser Weckruf nun wirklich angekommen sein. Einen weiteren darf es nicht geben.
Wie groß ist der Schaden für die politische Landschaft in Thüringen insgesamt?
Die Wahl Thomas Kemmerichs war ein deutlicher Vertrauensbruch zwischen den demokratischen Parteien. Ich weiß noch nicht, wie eine künftige Zusammenarbeit mit CDU und FDP aussehen kann. Die politische Landschaft in Thüringen ist ein riesengroßer Scherbenhaufen und weder Herr Kemmerich, noch Herr Mohring sind bereit dazu, diesen aufzuräumen.
Heute Abend treffen sich die Spitzen von SPD, Linkspartei, Grünen und CDU in Thüringen, um über einen Ausweg aus der Situation zu beraten. Was erwarten Sie von diesem Treffen?
Dieses Treffen wird ganz entscheidend sein, wie es in Thüringen weitergeht. Wenn sich die vier Parteien darauf verständigen, dass sie zügig Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen, ist schon vieles erreicht. Dann hätte die Zivilgesellschaft auch gewonnen. Wenn es nicht dazu kommt, wird der Druck sicher weiter zunehmen.