
Ende des Jahres 2018 wurde in Südafrika ein Mann zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er im weltbekannten Kruger-Nationalpark auf einen Helikopter von Wildtierschützer*innen geschossen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten Wilderei und Trophäenjagd in Afrika einen neuen Höhepunkt erreicht. Nach Angaben der Organisation „Save The Rhino“ töteten Wilderer*innen in jenem Jahr allein 892 Nashörner. Deren Hörner hängen sich „Tierfreunde“ in Europa und Nordamerika gerne an die Wand, in Ostasien werden ihnen magische Kräfte nachgesagt.
Der juristische Erfolg gegen den Schützen vom Kruger-Nationalpark war vor allem Ansie Venter zu verdanken. Seit Jahren kämpft die Staatsanwältin gegen die verbotene Jagd auf geschützte Tiere. Vor der Kamera erzählt sie, welcher Gefahr sie sich damit aussetzt. Schließlich stehen hinter der Jagd im Zeichen des Konsums mächtige Interessengruppen, und zwar weltweit. Venter ist eine von vielen Protagonist*innen, die in „On The Wild Side“ von ihrem Kampf gegen das weltweite Phänomen der Jagd berichten, der Menschen allein zum Vergnügen oder aus reinen Kommerzgründen nachgehen.
Ein Film mit kompromisslosem Standpunkt
Man könnte an vielen zeitgenössischen Dokumentarfilmen kritisieren, dass sie eine klare Haltung vermissen lassen. „On The Wild Side“ steht für das genaue Gegenteil. Der Fokus des Films entspringt einer kompromisslosen Haltung, die der italienische Dokumentarfilmer und Aktivist Giacomo Giorgi gleich zu Beginn seiner Bilderreise durch mehrere Kontinente deutlich macht: Die Jagd, jedenfalls im Sinne einer pervertierten Auffassung von Sport und aus reinem Profit, muss gestoppt werden. Nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch, um unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten.
Giorgis Film beschränkt sich allerdings nicht aufs Appellieren und Anklagen. Vielmehr wirbt er um die Empathie der Zuschauenden. Nicht nur für seine Botschaft, sondern vor allem für jene Geschöpfe, die Wilderer*innen und Hobbyjäger*innen zum Opfer fallen. Kann es Anmutigeres geben als eine Giraffe, die völlig angstfrei und gemächlich durch die afrikanische Savanne im Abendrot tippelt? Wem geht nicht das Herz auf, wenn kleine Schwarzbären in einem Wald irgendwo in Florida herumtollen? Die völlig kitschfreien Bilder von der Schönheit der Natur und der Tiere, die völlig bei sich sind, entfalten eine Wirkung, der man sich schwer entziehen kann. Das gilt allerdings auch für jene Aufnahmen, die man lieber nicht sehen würde. Wen macht es nicht wütend, wenn ein eingeflogener Tourist aus nächster Nähe ein Nashorn niederstreckt und dieses qualvoll verendet?
Ob schöne oder grausame Situationen gezeigt werden: Die Tonalität sitzt und je mehr wir sehen, desto intensiver wird das Erlebnis. Das gilt auch für die Szenen, die die Jagdgegner*innen in Aktion zeigen. Diese kämpfen an vielen Fronten. Häufig lässt sich manches bewirken, indem man Öffentlichkeit herstellt. Andere versuchen es mit politischem Engagement – davon berichtet etwa der deutsche Europaabgeordnete Stefan Bernhardt Eck. „Wir rennen gegen Betonwände“, resümiert der Politiker von der Ökologisch-Demokratischen Partei bitter.
Einsatz zu Lande, zu Wasser und in der Luft
Die Jagd verhindern: Viele Aktivist*innen nehmen die Parole wörtlich. Der Film lässt uns daran teilhaben, wie sie es zu Lande, zu Wasser und in der Luft mit Trophäenjäger*innen aufnehmen. Gerade in diesen Momenten tankt Giorgis Erzählung ein deutliches Quantum Spannung. Immer wieder ist zumindest von regionalen Erfolgen zu erfahren. Beispielsweise führten Sitzblockaden dazu, dass die Freizeitballerei auf Grizzlybären in British Columbia eingestellt wurde und die indigenen Kanadier*innen wieder unbehelligt von Hobbyjäger*innen ihrer traditionellen Jagd zum Eigenbedarf an Fleisch nachgehen können.
Dass dieser mit Eigenmitteln und Spenden finanzierte Film einzig der Tierschützer*innen-Perspektive folgt, ist Teil des Konzepts. Giorgi engagiert sich bei der Sea Shepherd Conservation Society und versuchte auch als Fotograf, die Öffentlichkeit für Tierrechte und die Umweltbewegung zu sensibilisieren. Immerhin entwirft ein Interviewpartner eine Psychologie von Jäger*innen und des Jagens, dem er mittlerweile abgeschworen hat. Trotz seiner Einseitigkeit ist „On The Wild Side“ ein sehr berührender und auch aufwühlender Film, der subtil mit Emotionen und Atmosphäre spielt.
„On The Wild Side – weltweit gegen die Jagd“ (Italien 2019), ein Film von Giacomo Giorgi, 90 Minuten, OmU, FSK ab 16 Jahre Ab sofort als Video on DemandZum Film