
Wie ist die Entwicklungen in Sachen Tarifvertrag für die Altenpflege in diesem Jahr vorangekommen?
Ver.di und die 2019 gegründete Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) haben im September ein Zwischenergebnis zum Tarifvertrag Altenpflege erzielt. Bei klassischen Tarifverhandlungen würden wir von einem Abschluss sprechen, aber das ist in diesem Fall ja alles etwas anders. Unser Verhandlungsergebnis haben wir nun zur Anhörung an die arbeitsrechtlichen Kommissionen von Caritas und Diakonie weitergeleitet, damit sie sich zu unserem Zwischenergebnis äußern können.
Warum müssen Kirchen beteiligt werden?
Mit dem Pflegelöhneverbesserungsgesetz hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil im vergangenen Jahr die Voraussetzung geschaffen, dass ein Tarifergebnis vom Bundesarbeitsministerium über das Arbeitnehmerentsendegesetz auf die gesamte Pflegebranche erstreckt werden kann. Die kirchlichen Verbände sind eine große Trägergruppe unter den Betreibern von Pflegeheimen und sie haben sich mit dem sogenannten Dritten Weg ein eigenes System zur Aushandlung der Arbeitsbedingungen geschaffen. Deshalb sieht Paragraph 7a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes explizit vor, dass Kommissionen von Caritas und Diakonie im Verfahren durch eine Anhörung durch die Tarifvertragsparteien zu beteiligen sind.
Ihre Arbeitsrechtlichen Kommissionen können zwar nicht entscheiden, ob wir mit dem BVAP den Tarifvertrag abschließen oder nicht, das unterliegt der Tarifautonomie. Doch wenn der Bundesarbeitsminister diesen erstrecken soll, braucht es die Zustimmung dieser Kommissionen. Deshalb braucht es jetzt den Austausch zu unserem Zwischenergebnis.
Wie sehen die konkreten Vorschläge von ver.di und BVAP aus?
Ein Tarifvertrag, der nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz erstreckt werden wird, kann leider kein umfassendes Regelwerk sein, wie es üblicherweise unsere Tarifverträge sind. In den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zum Beispiel haben wir ein Tarifgitter mit Einstufungen nach Berufsjahren, das ist nun in diesem System leider nicht möglich. Wir konnten nur eine Stufe vorsehen, aber immerhin drei Gruppen: für Pflegekräfte ohne Ausbildung, für Pflegekräfte mit mindestens einjähriger Ausbildung und für die dreijährig ausgebildeten Pflegefachkräfte. Pflegehilfskräfte würden danach bei 13 Euro einsteigen, einjährige Pflegehilfskräfte bei 13,75 Euro und Fachkräfte bei 16,50 Euro. In drei Schritten sollen die Gehälter angehoben werden, sodass Pflegehilfskräfte ab Januar 2023 mindestens 14,15 Euro, Pflegekräfte mit ein- bis zweijähriger Ausbildung 15 Euro und Fachkräfte mindestens 18,50 Euro pro Stunde erhalten würden. Bei einer 39-Stunden-Woche ergäbe das für Fachkräfte dann einen Bruttoverdienst von 3.137 Euro im Monat. Wir meinen, dass das ein Wert ist, der sich sehen lassen kann.
Gibt es weitere Vereinbarungen?
Wichtig ist uns, dass von Anfang an, in Ost und West gleich entlohnt wird. Wir haben uns auf ein Urlaubsgeld von 500 Euro bei Vollzeit und einen Anspruch auf 28 Urlaubstage pro Jahr verständigt. Wenn der flächendeckende Tarifvertrag kommt, bleiben vorhandene günstigere tarifvertragliche Regelungen unberührt. Das heißt: Wer mehr Lohn oder Urlaub hat, behält diesen natürlich.
Wie geht es jetzt weiter?
Unser Ziel ist, das wir – also Arbeitgeberverband BVAP und ver.di – spätestens Anfang des Jahres unseren Tarifvertrag zum Arbeitsministerium schicken. Dementsprechend würden wir es sehr begrüßen, wenn die Kommissionen von Caritas und Diakonie sich bald zu einem Anhörungstermin entschließen würden. Alle Beteiligten sollten sich jetzt ins Zeug legen, damit der Tarifvertrag zum 1. Juli 2021 flächendeckend gilt.
Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Pflege braucht dringend bessere Arbeitsbedingungen, damit mehr Menschen für diese sinnstiftende Arbeit gewonnen werden können. Altenpflege ist ein wunderbarer Beruf, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. Die tariflichen Regelungen über Mindestbedingungen in der Altenpflege müssen dann auch die Arbeitgeber einhalten, die bislang sehr niedrige Löhne zahlen und schlechte Arbeitsbedingungen bieten. Ein bundesweit geltender Tarifvertrag mit rechtlich verbindlichen Mindestbedingungen sichert das Lohnniveau nach unten ab und schützt auch die Arbeitgeber vor einem ruinösen Wettbewerb. Dafür ist es allerhöchste Zeit.