
1. Die AfD schafft sich ihre Bühne selbst
Dass beim Kanzlerduell oder in Talkshows häufig die Themen Asyl und Migration präsent sind, ist schädlich. Wo es möglich ist, sollte die AfD und ihre Thematik auf die hinterste Bank verwiesen werden. Dass man ihr im großen Fernsehen nicht die Pointen zuschanzen darf, heißt aber nicht, dass, sie vor Ort zu ignorieren oder zu boykottieren, eine kluge Strategie ist. Die AfD kann sich mit ihren fremdenfeindlichen Sprüchen, Symbolen und Aktionen selbst eine Bühne schaffen. Entscheidend ist: Steht dann jemand daneben, der vehement widerspricht, der eine Falschaussage entlarvt, der ein anderes Bild der deutschen Gesellschaft zeichnet – oder eben nicht? Als ein Rechter in Jüterbog anmerkte, Deutsche mit doppeltem Pass seien in der Bundeswehr fehl am Platz, widersprach Simon Vaut. Er forderte die Anwesenden eindringlich zu Respekt und Anstand gegenüber den Kameraden auf. Das saß. Nachdenkliche Gesichter sind in solchen Sälen Gold wert. Momente, die das abgeriegelte Weltbild stören, sind der Anfang der Abkehr.
2. Rechtes Gedankengut verschwindet nicht einfach
Fremdenfeindlichkeit ist in Deutschland kein Nischenphänomen, sondern reicht bis in die Mitte der Gesellschaft. 36 Prozent der Deutschen denken, Ausländer kämen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen. Für einen Menschen wie mich, dessen Eltern nach Deutschland kamen und seit Jahrzehnten hart arbeiten, ist das ein Schlag ins Gesicht. Solche Ideen dürfen nicht ignoriert, sondern müssen aktiv bekämpft werden. Das haben wir auch in Jüterbog erlebt. Die hässlichsten Formen nahm die Fremdenfeindlichkeit dann an, wenn mehrere „besorgte Bürger“ hintereinander redeten. Eine chauvinistische Rampe, die nach oben hin keine Grenze hat. Simon Vauts Interventionen gaben dem Raum Sachlichkeit und Maß. Stellen wir uns mit der AfD auf eine Bühne, kann es passieren, dass ihre Botschaften salonfähig werden. Nämlich dann, wenn man die eigenen Argumente ungeschickt anführt oder schlecht verpackt. Wenn die Rechten aber eigene Bühnen haben und ihre Ideen dort unwidersprochen bleiben, werden sie ganz sicher salonfähig. Echokammern, in denen sich die AfD frei austoben und hasserfüllte Keime in die Köpfe setzen kann, dürfen wir nicht zulassen. Ich wünsche mir, dass linke Organisationen in der Debatte in Sälen denselben Schlachtruf haben wie auf den Straßen: „Keinen Zentimeter!” „Wehret den Anfängen” ist kein Aufruf zur Passivität – nicht auf Demonstrationen, aber eben auch nicht in Debatten.
3. Die AfD nimmt die Opferrolle mit Handkuss
Der Versuch, die AfD zu marginalisieren, indem man sie ausgrenzt, wird von der Partei dankend in eine „Wir gegen alle“-Erzählung umgemünzt. Noch schlimmer wird es, wenn Linke versuchen, durch Störaktionen Veranstaltungen der AfD zu verhindern. Da reiben sich die AfD-Funktionäre die Hände, denn am nächsten Tag stehen sie mindestens in den Lokalzeitungen – bekommen eine weit bessere „Bühne” und stehen sogar gut da. Hier die besorgte Partei, die nur reden will, dort die Radikalen, die uns nicht lassen. Das zieht. Dabei gibt es doch echte Mittel gegen die rechten Poltergeister.
4. AfD Exposed
Es gibt Themen, bei denen die AfD mit offenem Mund da sitzt und sich selbst in die Kinderecke stellt: „Die AfD ist ja eine junge Partei…”, sagte der Vorsitzende Alexander Gauland in einem Interview. So klingen ertappte Kinder, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Auch beim Thema Migration wird schnell klar, dass die AfD nur Unsinn fordert. Weder sind ihre Vorschläge umsetzbar noch wünschenswert. Da muss man nicht mit dem Argument kommen, dass einfache Botschaften prinzipiell immer gegen komplexere Botschaften gewinnen. Ein solch tiefgreifendes Misstrauen gegenüber dem Wähler und der eigenen Gesellschaft ist himmelschreiend undemokratisch und darf keine Handlungsanweisung für uns sein. Deshalb: Scheinwerfer an und die AfD von allen Seiten beleuchten, statt sie in den Schatten zu drängen!
5. Seit wann sind Emotionen schlimm?
Das Bild, das die AfD von Deutschland zeichnet ist grotesk und lächerlich. Die meisten Menschen in Deutschland wissen das intuitiv, denn sie leben in diesem Land und kennen die Schauermärchen nur aus den Horror-Postings der AfD. Nicht was wir in Deutschland hassen, sondern was wir schätzen, macht uns als Gesellschaft stark. So ist es auch falsch, der AfD die Emotionen zu überlassen und zu denken, man könne nicht mit den Bürgern reden, weil diese angeblich überemotional seien. Die SPD ist nicht nur die Partei des Sachverstands, sie ist auch die Partei, die mit Leidenschaft und Pathos für eine Zukunftsvision kämpft. Der Angst, die die Rechten propagieren, setzen Sozialdemokraten Optimismus und Hoffnung entgegen. Nur wenn die AfD unwidersprochen hetzen darf, kann sie ihre eigene Realität stricken.
Fazit
Streit und Debatte gehören zu einer Demokratie ohne Wenn und Aber dazu. Das gilt auch für abwegige Dummheiten und gezielte Lügen. Die rhetorischen Tricks der AfD müssen wir dekonstruieren, ihre Lügen aufdecken und ihr Gesellschaftsbild anfechten. Das ist anstrengender und auch schwieriger als sie auszuschließen – aber effektiver. Vielleicht müssen wir diese harte und frontale Debattenkultur wieder kollektiv erlernen. Demokraten gewinnen ihren Kampf im Streit und im Schlagabtausch. Weil wir die Demokraten sind, ist das unsere Disziplin und wir haben nichts zu befürchten. Erst wenn wir uns wegducken, geben wir den Aufwieglern von rechts freie Bahn.