
In den Großen Saal von Schloss Bellevue hat der Bundespräsident geladen zu einer Matinee in Erinnerung an Reichspräsident Friedrich Ebert. Vor Frank-Walter Steinmeier sitzen zahlreiche Politiker: aktive, wie der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann, aber auch ehemalige, wie Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und der ehemalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck. Mit ihnen in der ersten Reihe sitzt auch Alexander Gauland, der Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD.
Steinmeier warnt vor neuem Nationalismus
„Die Demokratie muss sich immer und überall behaupten“, sagt Steinmeier in seiner Würdigung des sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Er nennt die AfD nicht beim Namen, aber jeder im Publikum dürfte ahnen, wer gemeint ist, als Steinmeier fortfährt: „Mit Kräften, die auf Lautstärke setzen statt auf Argumente, denen Wahrhaftigkeit und Vernunft in der politischen Auseinandersetzung nicht besonders viel wert sind, damit haben wir es auch heute zu tun; Kräfte, die die parlamentarische Demokratie und ihre Institutionen verächtlich machen und die vielleicht auch von einem neuen Nationalismus träumen. Wir beobachten sie in vielen Staaten, auch bei uns in Deutschland.“
Vielleicht sei es das, was den Deutschen die Weimarer Republik in ihrem 100. Jubiläumsjahr wieder näher bringe und was ein neues Interesse für diese Zeit und für die Verteidiger der Republik erzeuge. Am 11. Februar 1919 wurde mit Ebert erstmals in der deutschen Geschichte ein demokratisch legitimiertes Staatsoberhaupt ins Amt gewählt.
Von Weimar lernen
Auch wenn klar sei, so Steinmeier, „wir haben keine Weimarer Verhältnisse“, weder gebe es heute einen Versailler Vertrag, noch eine vergleichbar hohe Massenarbeitslosigkeit in Deutschland. Die Beschäftigung mit Weimar sei dennoch gut, „weil sie auch lehrt, dass Demokraten in großer Bedrängnis mit Würde für die Republik einstanden“. An Friedrich Ebert zu erinnern heiße, sich bewusst zu machen, dass eine Demokratie nur stabil sein könne, wenn sich ihre Bürger zu ihr bekennen und bereit seien, für sie einzutreten.
„Friedrich Ebert ist einer der Großen der deutschen Demokratiegeschichte“, betont der Bundespräsident. „Er ist ein Beispiel für eine aufrechte demokratische Haltung und er ist ein Vorbild. Ebert lehrt uns, für die Freiheit einzutreten und sie zu verteidigen. Wir brauchen diese republikanische Leidenschaft.“
Ebert als Hassobjekt der Extremen
Steinmeier erinnert daran, „wie abschätzig Friedrich Ebert – ganz rechts wie ganz links – beurteilt wurde. Noch über seinen Tod hinaus wurde er von den einen angefeindet, von anderen bestenfalls ignoriert“. Er zeigt sich froh, dass es heute ein differenzierteres, treffenderes Bild von Ebert gebe. „Mögen ihn auch seine Gegner von links und rechts als „Verräter“ geschmäht haben, heute wissen wir: Friedrich Ebert war tatsächlich einer der Väter der deutschen Demokratie und vor allen Dingen ihr Verteidiger in wahrhaft schwierigsten Zeiten.“ Ebert sei Republikaner aus Leidenschaft gewesen. „Wir verdanken ihm viel, sehr viel – auch 100 Jahre später noch.“
Trotz widrigster Umstände habe Ebert Deutschland in die Demokratie und in die Moderne geführt. Er habe gewusst, dass dafür die Einbindung aller gesellschaftlichen Kräfte nötig sei. „Kompromiss, das war für Ebert eben kein Schimpfwort, sondern eine Notwendigkeit in der Demokratie – gerade in der Not und Zerrissenheit der damaligen Gesellschaft“, so Steinmeier. „Die Deutschen mit sich und der neuen Staatsform auszusöhnen, die enormen Gräben zu überwinden, die das Land zerrissen, das sah Ebert als seine wichtigste Aufgabe als Präsident.“
Angriffe auf Präsident und Republik
Steinmeier würdigt den Mut und die Standhaftigkeit, mit der Ebert für die Demokratie und gegen ihre Feinde gekämpft habe. „Antidemokratische Kräfte von beiden Seiten übergossen ihn mit Hohn, Häme und Hass. Die Angriffe galten nicht nur ihm persönlich. Jeder Angriff auf Ebert war zugleich ein Angriff auf die Republik, auf die Demokratie – und von den meisten war es auch genau so gemeint!“
Die Angriffe auf Ebert, auch und gerade von ganz links, thematisiert auch Henning Scherf in seiner Rede, der frühere Bürgermeister Bremens und heutige Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg. Ebert „war nicht der Spalter, das ist eine bösartige kommunistische Interpretation“, betont Scherf. Friedrich Ebert habe Karl Liebknecht eingeladen, in die Regierung einzutreten. Liebknecht aber habe abgelehnt, weil er keine parlamentarische Demokratie wollte.
Scherf: Kommunisten wollten keine Wahlen
Scherf würdigt die große Energie, mit der Ebert die ersten allgemeinen freien Wahlen in Deutschland, die Wahlen zur Nationalversammlung 1919, durchgesetzt habe. „Er kannte nur eine demokratische Legitimation, die Wahl.“ Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg dagegen wollten genau diese Wahlen verhindern, sie „hielten Wahlen für reaktionär“.
Je älter er werde, räumt Scherf ein, umso weniger Verständnis habe er für die damaligen Arbeiter- und Soldatenräte. Er erinnert daran, dass die Arbeiter- und Soldatenräte in Bremen erst den Senat abgesetzt hatten, um ihn dann doch zu bitten, wieder die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, weil die Revolutionäre selbst sich dazu außerstande sahen. Scherf endet mit einem Zitat von Johannes Rau, der einmal über Ebert gesagt habe: „Er hat die Demokratie gewagt, so dass viel später andere sagen konnten: Wir wollen mehr Demokratie wagen.“
Eberts Erbe: das Deutschlandlied als Nationalhymne
Die Matinee im Schloss Bellevue endet mit der Nationalhymne, dem Deutschlandlied. Es war Reichspräsident Friedrich Ebert, der es am 11. August 1922 zur Hymne der deutschen Demokratie machte. Auch sie zeigt, wie lebendig das Erbe Eberts noch heute ist.