Rentenversicherung

Staat vor Privat: Warum wir auf die gesetzlich Altersvorsorge setzen sollten

Michael Schrodi03. August 2020
Damit im Alter genug zum Leben bleibt, muss die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi.
Damit im Alter genug zum Leben bleibt, muss die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi.
Viele Jahre galt die private Altersvorsorge als Allheilmittel für die Zukunft des Rentensystems. Nicht erst in der Coronakrise zeigt sich, dass sie ihr Versprechen nicht halten kann. Stattdessen müssen wir die gesetzliche Rente stärken.

In einem Interview mit dem vorwärts hat Susanne Knorre als stellvertretende Vorsitzende des unternehmerischen Berufsverbands „Wirtschaftsforum der SPD e.V“. für eine Fortführung der privaten Altersvorsorge geworben. Zu einem anderen Urteil kam im März dieses Jahres die Zeitschrift Finanztest, die über die Altersvorsorge feststellte: Die gesetzliche Altersvorsorge kann sich im Vergleich zu anderen Angeboten gut sehen lassen.

Die kapitalgedeckte Altersvorsorge kann ihr Versprechen nicht halten

Tatsächlich ist eine zusätzliche Vorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung heute renditeträchtiger als die Verzinsung einer privaten Rentenversicherung. Nach Jahren, in denen die Teilprivatisierung als das Allheilmittel für die Zukunft des Rentensystems beschworen wurde, zeigt sich, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge ihr Versprechen – hohe Leistungen bei niedrigen Beiträgen – nicht halten kann. Private Vorsorge sollte die Lücke füllen, die ein sinkendes Rentenniveau, ein für viele nicht erreichbares höheres Renteneintrittsalter und gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) anteilig sinkende Ausgaben für die gesetzliche Rente gerissen haben. Inzwischen sehen wir, dass man einem sinkenden Rentenniveau nicht privat hinterhersparen kann.

Blicken wir zudem zurück auf die Entwicklung der Jahre seit den Rentenreformen zu Beginn des Jahrtausends, zeigt sich: Produktivität schlägt Demografie. Die einfache Formel „Mehr Rentenbezieher + weniger Beitragszahler = Überlastung der gesetzlichen Rente“ stimmt so nicht. Hohe Beschäftigungszahlen und eine gesteigerte Produktivität haben uns die demografische Entwicklung bisher gut verkraften lassen.

Gute Löhne sorgen für gute Renten

Eine gute Rentenpolitik beginnt deshalb am Arbeitsmarkt. Denn nur wenn eine ausreichende Zahl an Menschen am Erwerbsleben teilnimmt, und zwar mit einem Stundenvolumen und einem Lohn, von dem sie jetzt und im Alter gut leben können, legen wir die richtige Grundlage für die zukünftige Höhe der Renten. Die Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro, vor allem aber die Stärkung von tarifgebundener und sozialversicherungspflichtiger Arbeit sorgen für gute Löhne und gute Absicherung. Es gibt zudem noch viele ungenutzte Beschäftigungspotenziale in der Bevölkerung, weswegen wir Aspekte wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gesunde Arbeitsbedingungen und altersgerechte Arbeitsplätze stärker in den Blick nehmen müssen.  

Wir brauchen ein Rentenniveau, das verhindert, dass sich Rentnerinnen und Rentner immer weiter von ihrem gewohnten Lebensstandard entfernen und von der Entwicklung des Wohlstands abgehängt werden. Dazu müssen wir das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren und mittelfristig wieder auf mindestens 50 Prozent anheben. Die Finanzierbarkeit einer derartigen lebensstandardsichernden Altersversorgung ist eine politische Entscheidung und eine Verteilungsfrage.

Um die finanziellen Grundlagen des Umlagesystems zu stabilisieren und dafür zu sorgen, dass alle ihren Beitrag zur solidarischen Finanzierung der Rente leisten, müssen wir die Versichertenbasis vergrößern. Das Ziel ist eine leistungsfähige Erwerbstätigenversicherung für alle, also auch Selbstständige und Beamte, damit auch die steigende Zahl an Menschen in atypischen Jobs und Selbständigen gesetzlich abgesichert ist. Die staatliche Zuschüssen an die Rentenversicherung müssen wir verstetigen und bei Bedarf erweitern, gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente oder die Angleichung der Ostrenten aus Steuermitteln finanzieren.

Keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters

Wir brauchen aber auch ein gesetzliches Renteneintrittsalter, das für die große Mehrheit der Erwerbstätigen erreichbar ist. Gerade für Menschen mit körperlich oder psychisch hohen Arbeitsbelastungen bedeuten die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die eingeschränkten Möglichkeiten des vorzeitigen Rentenbeginns de facto eine Rentenkürzung. Eine weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze müssen wir kategorisch ausschließen. Stattdessen brauchen wir eine Diskussion über Möglichkeiten des flexibleren Renteneintritts und in Konsequenz auch über eine Rückkehr zu einer niedrigeren Regelaltersgrenze.

Die lebensstandardsichernde gesetzliche Rente ohne Angst vor sozialem Abstieg ist ein zentrales Versprechen unseres Sozialstaats. Die jungen Einzahlenden werden das System nur weiter mittragen, wenn dieses Versprechen wieder eingelöst wird.

weiterführender Artikel

Kommentare

Rente

Der Artikel weist die zutreffenden Aussagen und Vorschläge für eine zukün-droge Ausgestaltung des Rentenrechts aus. Dabei sollten auch alle Kürzungen von Beiträgen zugunsten von Privatver-sicherungen entfallen. Ferner ist die Zu-satzversicherngsrente und die Rente der
Selbständigen steuerlich der Renten pri-
vater Versicherer gleichgestellt werden.

Mittragen wird doch eh erzwungen

Der Schlußsatz zeugt von Realitätsferne.
Ich kann zwar gern entscheiden das ich irgendwas moralisch nicht unterstützen will, aber die realistische Möglichkeit, dann auch die Zahlungen zu reduzieren oder einzustellen hat der Bürger nicht einmal beim beschönigend "Rundfunkbeitrag" genannten Zwangsgeld.

Normalerweise sollte jede Form staatlicher Gewalt der Allgemeinheit dienen und Rechtsgrundsätze wie zum Beispiel die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachten. Gehen wir mal davon aus das eine Tarifbindung erzwungen werden soll die dann aber nicht in Scheintarife wie in der Leiharbeitsbranche mit den "Christlichen Gewerkschaften" enden darf. Tarifautonomie muß dazu eingeschränkt werden. Wenig realistisch, bedenkt man die massiven Widerstände in der Politik allein schon gegen den lächerlich geringen Mindestlohn.

Eine andere Möglichkeit wäre die Erhebung von Sozialbeiträgen auf Kapitaleinkünfte sowie die Abschaffung der "Beitragsbemessungsgrenzen".
Ebenfalls unrealistisch.

Die einfachste Möglichkeit wäre es vielleicht, die Situation vor "Rürup" und "Riester" wiederherzustellen. Finanzkonzerne aus Rentenbeiträgen beschenken war nie eine gute Idee.

"Die einfachste Möglichkeite

"Die einfachste Möglichkeite wäre es vielleicht, die Situation vor "Rürup" und "Riester" widerherzustellen. Finankonzerne aus Rentenbeiträgen zu beschenken war nie eine gute Idee".
Was in DE fehlt, sind Pensionskassen/Versicherungen anlog zu VBL. Ähnliche Systeme gibt es z.B. in den Niederlanden auch, wie jeder Versicherte Beiträge oder Arbeitgeber einzahlen, auch wenn ein Branchenwechsel im Laufe des Berufslebens erfolgt.
Die SPD unter Schröder mit Beteilung der Grünen haben seinerzeit aber das Geld der Bürger der Finanzwirtschaft frontal zum Fraß vorgeworfen. Für BlackRock & Co. sicher lukrativ, für die Rentensparer aber katastrophal. Mit Blick auf die Finanzlobby dürfte es schwierig sein, in diesem Lande eine vernünftige Rentenversicherung auf die Beine zu stellen und wenn dann nur unter weiterer Aushöhlung der gesetzlichen Rentenversicherung eben zu Gunsten der Finanzwirtschaft. Die letzte Aktion dieser Art war wohl das Betriebsrentenstärkungsgesetz von Frau Nahles.

Riester

..... hat für sich ausgesorgt (ist der noch in der SPD ?).
......die Erhebung von Sozialbeiträgen auf Kapitaleinkünfte sowie die Abschaffung der "Beitragsbemessungsgrenzen". Das sind Forderungen eines ehemaligen SPD Vorsitzenden aus den 1990er Jahren (er hat sich mit solchen Forderungen viele mächtige Feinde gemacht) und er konnte sich mit diesen Forderungen nicht durchsetzen. Um die sozialen Verwerfungen durch den neoliberalen Unfug (samt der Militarisierung der Außenpolitik) braucht es mehr als ein paar kleine Korrekturreförmchen. Wenn die SPD wieder "die Partei des kleinen Mannes" sein will dann braucht es schon Reformen von revolutionärer Tragweite. Die reale Produktion von Gütern zur Bedürfnisbefriedigung der Menschen muss in den Mittelpunkt gestellt werden und nicht das fiktive BIP und ein DAX mit Betrügerbilanzen. Haben die Sozialdemokraten in der SPD den Mut diese Aufgabe anzugehen ? Abschied von den BWLern ist angesagt.

aufhebung der beitragsbemessungsgrenzen

aber nur mit Aufhebung der daran anknüpfenden Leistungsbegrenzungen- wer mehr einzahlt, muss auch mehr rausbekommen. Also: verkenne bitte niemand die mit der Beitragsbemessungsgrenze einher gehende Leistungsbegrenzung.

Ich klau mal bei den Neoliberalen

Im Bereich Krankenversicherung ist die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen keinesfalls an eine höhere Gegenleistung gebunden. Mehr als Gesund machen ist nicht drin.

Einzig im Bereich Rentenversicherung hätte das Argument Gewicht, aber hier darf man die Anregung der Einkommensprüfung für die Respektlosigkeitsrente doch sicher als Anfangsidee weiterentwickeln, ggf. mit entsprechender Progression/Degression gekoppelt sofern man nicht ein paar liebgewonnene "Steuertatbestände" für auf Rentenleistungen entrichtete Einkommenssteuer einfach abschafft.

Möglichkeiten gäbe es genug, auch mit tatsächlich eingezogenen Steuern bei Großkonzernen und Banken.

da warten Sie mit

gefährlichem Halbwissen auf. Befassen Sie sich mal mit der Berechnung von Krankengeld, dann sehen wir uns wieder.

Staat vor Privat: Warum wir auf die gesetzlich Altersvorsorge se

Hab ich was verpasst? War nicht die SPD maßgeblich an der Aushöhlung der staatlichen Rente beteiligt? Und jetzt kehrt Schwenk Marsch.
Eine kleine Anfrage der Partei Die Linke aus 2013 lautete: "Wie hoch muss ein Stundenlohn sein, damit jemand nach 45 Beitragsjahren eine staatliche Rente auf Grundsicherungsniveau hat?" Die Antwort unserer Regierung: 10€.
Wohlgemerkt 2013! Wo sind wir jetzt? Auch 12€ würden nicht ausreichen, zumal viele Menschen keine Lückenlose Erwerbsbiographie haben.
Wäre es der SPD Ernst, wären ganz andere Anstrengungen nötig. Wie soll ein Prekär Beschäftigter im Niedriglohnsektor privat vorsorgen? Und wie soll er sein Verdientes anlegen in Zeiten von anhaltenden Niedrigzinsen? In Aktien? Das würde wohl nach dem nächsten Börsencrash zu steigenden Suizidzahlen führen. Nur durch eine Stärkung der Gesetzlichen Rente könnte geholfen werden, doch ist das nicht gewollt, weder von der SPD, oder irgendeiner anderen Partei, zu stark ist der Einfluss der Lobbyisten aus Versicherungen und Banken. Da wundert man sich über eine Politikverdrossenheit der Bürger? Politikerverdrossenheit würde der Wahrheit näher kommen.

Rentenversicherung stärken geht nur über "Schweizer Modell"

Es ist zwar richtig, dass Beamte und Selbständige zukünftig auch in die gesetzliche Rente einzahlen sollten - jedoch löst dieser Schritt nicht die Finanzierbarkeit - es gibt nur eine Massnahme die mehr Beiträge generiert - die Beitragsbemessungsgrenze kappen und Rentenbeiträge auf alle Einkünfte (Mieten, Aktien; Pachten usw.) müssen eingeführt werden - bei Auszahlung muss aber der Deckel drauf - wie in der Schweiz - dann würden die die mehr haben mehr Beitragen und so wäre mehr Geld in der Kasse und nur so - denn wenn mehr Einzahlen dann nehmen die ja auch Geld wieder aus - also beisst sich die Katze in den Schwanz - das Problem ist das nur auf Lohn RV-Beiträge zu zahlen sind und nicht auf alle anderen Einkünfte - dann wäre das Rentensystem Gerecht - und nur so geht es!!

Beamte sind

durch Begrenzungen der Gehaltzuwächse bereits seit Jahrzehnten an der Finanzierung ihrer Pensionen maßgeblich beteiligt. Klar, dass dies immer wieder verschwiegen wird, wer eine Neiddebatte führen will, darf es mit der Wahrheit nicht ganz so ernst nehmen.

Beamte sind

Na ja Fakt ist, dass die Pensionszahlungen mit bis zu 72 Prozent vom letzten Gehalt extrem höher sind als die von einem normalen Rentner sich die Rente nicht vom letzten Gehalt bemisst sondern jedes Jahr aufs neue Punkte gesammelt werden müssen - von daher ist der Beamte schon sehr auf der Sonnenseite des Lebens - auch wenn man jetzt verbeamtete Lehrer und nicht verbeamtete Lehrer hiernimmt die das selbe Unterrichten - geht der eine Netto aktiv mit viel mehr nach Hause wie der andere

wenn man denn

die Dienstjahre aufweisen kann für die 72 %. Wer kann das schon? Lehrer beispielsweise sind im Schnitt mit 55 Jahren gesundheitlich verbrannt- können das Limit also gar nicht erreichen