
In einem Interview mit dem vorwärts hat Susanne Knorre als stellvertretende Vorsitzende des unternehmerischen Berufsverbands „Wirtschaftsforum der SPD e.V“. für eine Fortführung der privaten Altersvorsorge geworben. Zu einem anderen Urteil kam im März dieses Jahres die Zeitschrift Finanztest, die über die Altersvorsorge feststellte: Die gesetzliche Altersvorsorge kann sich im Vergleich zu anderen Angeboten gut sehen lassen.
Die kapitalgedeckte Altersvorsorge kann ihr Versprechen nicht halten
Tatsächlich ist eine zusätzliche Vorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung heute renditeträchtiger als die Verzinsung einer privaten Rentenversicherung. Nach Jahren, in denen die Teilprivatisierung als das Allheilmittel für die Zukunft des Rentensystems beschworen wurde, zeigt sich, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge ihr Versprechen – hohe Leistungen bei niedrigen Beiträgen – nicht halten kann. Private Vorsorge sollte die Lücke füllen, die ein sinkendes Rentenniveau, ein für viele nicht erreichbares höheres Renteneintrittsalter und gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) anteilig sinkende Ausgaben für die gesetzliche Rente gerissen haben. Inzwischen sehen wir, dass man einem sinkenden Rentenniveau nicht privat hinterhersparen kann.
Blicken wir zudem zurück auf die Entwicklung der Jahre seit den Rentenreformen zu Beginn des Jahrtausends, zeigt sich: Produktivität schlägt Demografie. Die einfache Formel „Mehr Rentenbezieher + weniger Beitragszahler = Überlastung der gesetzlichen Rente“ stimmt so nicht. Hohe Beschäftigungszahlen und eine gesteigerte Produktivität haben uns die demografische Entwicklung bisher gut verkraften lassen.
Gute Löhne sorgen für gute Renten
Eine gute Rentenpolitik beginnt deshalb am Arbeitsmarkt. Denn nur wenn eine ausreichende Zahl an Menschen am Erwerbsleben teilnimmt, und zwar mit einem Stundenvolumen und einem Lohn, von dem sie jetzt und im Alter gut leben können, legen wir die richtige Grundlage für die zukünftige Höhe der Renten. Die Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 12 Euro, vor allem aber die Stärkung von tarifgebundener und sozialversicherungspflichtiger Arbeit sorgen für gute Löhne und gute Absicherung. Es gibt zudem noch viele ungenutzte Beschäftigungspotenziale in der Bevölkerung, weswegen wir Aspekte wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gesunde Arbeitsbedingungen und altersgerechte Arbeitsplätze stärker in den Blick nehmen müssen.
Wir brauchen ein Rentenniveau, das verhindert, dass sich Rentnerinnen und Rentner immer weiter von ihrem gewohnten Lebensstandard entfernen und von der Entwicklung des Wohlstands abgehängt werden. Dazu müssen wir das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren und mittelfristig wieder auf mindestens 50 Prozent anheben. Die Finanzierbarkeit einer derartigen lebensstandardsichernden Altersversorgung ist eine politische Entscheidung und eine Verteilungsfrage.
Um die finanziellen Grundlagen des Umlagesystems zu stabilisieren und dafür zu sorgen, dass alle ihren Beitrag zur solidarischen Finanzierung der Rente leisten, müssen wir die Versichertenbasis vergrößern. Das Ziel ist eine leistungsfähige Erwerbstätigenversicherung für alle, also auch Selbstständige und Beamte, damit auch die steigende Zahl an Menschen in atypischen Jobs und Selbständigen gesetzlich abgesichert ist. Die staatliche Zuschüssen an die Rentenversicherung müssen wir verstetigen und bei Bedarf erweitern, gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mütterrente oder die Angleichung der Ostrenten aus Steuermitteln finanzieren.
Keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters
Wir brauchen aber auch ein gesetzliches Renteneintrittsalter, das für die große Mehrheit der Erwerbstätigen erreichbar ist. Gerade für Menschen mit körperlich oder psychisch hohen Arbeitsbelastungen bedeuten die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die eingeschränkten Möglichkeiten des vorzeitigen Rentenbeginns de facto eine Rentenkürzung. Eine weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze müssen wir kategorisch ausschließen. Stattdessen brauchen wir eine Diskussion über Möglichkeiten des flexibleren Renteneintritts und in Konsequenz auch über eine Rückkehr zu einer niedrigeren Regelaltersgrenze.
Die lebensstandardsichernde gesetzliche Rente ohne Angst vor sozialem Abstieg ist ein zentrales Versprechen unseres Sozialstaats. Die jungen Einzahlenden werden das System nur weiter mittragen, wenn dieses Versprechen wieder eingelöst wird.