Europawahlen

SPE: Mit diesem Programm ziehen Europas Sozialdemokraten in den Wahlkampf

Karin NinkKai Doering23. Februar 2019
Startschuss für den Europawahlkampf: In Madrid hat die SPE am Samstag ihr Wahlprogramm beschlossen.
Startschuss für den Europawahlkampf: In Madrid hat die SPE am Samstag ihr Wahlprogramm beschlossen.
Die SPE fordert einen radikalen Kurswechsel in Europa. In Madrid haben die europäischen Sozialdemokraten ihr Programm für die Europawahlen beschlossen. Diese würden „ein Kampf um die Seele Europas“, betonte Spitzenkandidat Frans Timmermans.

Die Menschen jubeln, tanzen und klatschen zu dem modernen Cover des traditionellen italienischen Partisanenlieds „Bella Ciao“. Wäre die Stimmung im Madrider „Teatro Coliseum“ am Samstag der Gradmesser, hätten die europäischen Sozialdemokraten die Europawahlen, die vom 23. bis 26. Mai stattfinden, bereits gewonnen.

SPE-Manifesto: Ein neuer Sozialvertrag für Europa

Mehr als 1000 begeisterte Delegierte und SPE-Anhänger sind in das Musical-Theater am Rande der Plaza de Espagna in Madrid gekommen, um mit zahlreichen europäischen Spitzensozialdemokratinnen und -sozialdemokraten das Wahlprogramm der SPE zu verabschieden. Eine satte Mehrheit der  Delegierten stimmt für das „Manifesto“. Mit einem „neuen Sozialvertrag für Europa“ wollen die Sozialdemokraten den Kontinent gerechter gestalten.

„Ich bin stolz, mit diesem Programm in den Wahlkampf zu ziehen“, sagt der gemeinsame Spitzenkandidat Frans Timmermans. Die gesamte SPE sei „stolz, optimistisch und selbstbewusst“, einen progressiven Wandel in Europa herbeizuführen. „Lasst unsere Kinder wieder träumen“, ruft Timmermans seinen Anhängern zu und erntete tosenden Applaus.

Der Niederländer hatte schon am Vortag deutlich gemacht, dass er einen klaren Anti-rechts-Wahlkampf führen wird: „Wir werden die Zukunft Europas schreiben und das Spiel nicht mitmachen, die Vergangenheit Europas zu beschwören“, betonte er, ohne auch nur ein einziges Mal die Parteien der extremen Rechten zu benennen. „Wir kämpfen um die Seele Europa“, sagt er auch am Samstag.

Nahles: Werden keine Mauern aus Hass zulassen

Dass der Wahlkampf kein einfacher wird und diese Wahlen Richtungswahlen für Europa sein werden, macht am Samstag auch SPE-Generalsekretär Achim Post deutlich: Ende Mai gehe es darum, ob wir künftig ein „isolierendes nationalistisches Europa“ haben, das „schwach“ ist oder ein „freies und starkes Europa unter der Führung von Frans Timmermans“.  Welches Europa er selbst will, daran lässt Post keinen Zweifel und er verspricht: „Wir werden einen Wahlkampf abliefern wie noch niemals zuvor!“

Dass die europäische Sozialdemokratie dabei auf die SPD setzen kann, daran lässt deren Vorsitzende Andrea Nahles in Madrid keinen Zweifel. „Vor 30 Jahren ist die Mauer, die Deutschland Jahrzehnte teile, gefallen, weil die Menschen Europa vertraut haben“, sagt Nahles. Nun seien die Rechtspopulisten dabei, neue Mauern „aus Rassimus und Hass“ zu errichten. „Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, dass neue Mauern gebaut werden“, verspricht Nahles unter dem Jubel der Kongress-Besucher.

Kampf gegen den Klimawandel und für Steuergerechtigkeit

Von einem „Kampf zwischen Hoffnung und Angst“ spricht Antonio Costa mit Blick auif die Europawahlen. „Es kann kein starkes Europa geben, wenn das Mittelmeer zu einem Friedhof wird“, betont der portugiesische Minsterpräsident. Und es könne kein „anständiges Europa“ geben, wenn in einigen Teilen Armut herrsche. In ihrem Wahlprogramm setzt sich die SPE deshalb dafür ein, Migration besser zu steuern und soziale Sicherheit für alle EU-Bürger zu garantieren.

„Die EU existiert für die Menschen und nicht für die Märkte“, betont so auch Schwedens Ministerpräsident Stefan Lövfen. „Wir werden die Macht nie den Extremisten überlassen, sondern ein solidarisches Europa bilden“, verspricht er. Dazu gehören für die SPE ein engagierter Kampf gegen den Klimawandel und für Steuergerechtigkeit sowie eine gerechte Ausgestaltung der Digitalisierung.

Aufbruchstimmung liegt in der Luft

„Um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen und das Leben der Menschen in der Europäischen Union nachhaltig zu verbessern, müssen wir soziale, ökologische und wirtschaftliche Faktoren konsequent zusammendenken“, fordert in Madrid Udo Bullmann. „Wir wollen ein anderes Europa mit einem neuen sozialen Vertrag“, stellt der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament klar.

Der Kongress in Madrid, drei Monate vor den Europawahlen, könnte dafür der Anfang gewesen sein. Als die Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden am Ende auf der Bühne ihren Spitzenkandidaten Frans Timmermans und Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez, der am 28. April noch eine Parlamentswahl zu bestreiten hat, umrahmen, liegt deutlich Aufbruchstimmung in der Luft im „Teatro Colliseum“.

Katarina Barley steht dabei in der ersten Reihe zwischen Timmermans und SPE-Chef Sergei Stanishev und wippt und klatscht im Takt des Abschlusslieds. Für die deutsche Spitzenkandidatin ist es der erste Auftritt auf der SPE-Bühne. Sie scheint ihn zu genießen. Der Wahlkampf kann also beginnen – in Deutschland und in Europa.

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Kommentare

Alles schon mal gehört, nur leider nirgends gesehen

Wenn die lieben "Europafreunde" allen Ernstes meinen das sie mit wahrheitswidrigen Proklamationen wie
„Die EU existiert für die Menschen und nicht für die Märkte“ tatsächlich noch punkten können wird das Wahlergebnis eher noch schlechter ausfallen als befürchtet.

TTIP,CETA und wie die Konzernermächtigungsgesetze noch alle heißen, das Korruptionstheater um Glyphosat und vergleichbare "Gesundbrunnen", die Quecksilberbomben namens "Energiesparlampe", sind einige der vielen Merkmale dafür das die EU eben NICHT für die Menschen sondern primär für die Konzerne und Banken da ist.
Achja, Reisefreiheit, Friedensprojekt, blablabla.
Diese leeren Worte sind natürlich wesentlich wichtiger in normalen Leben als Lohndumping und Erleichterung von Unternehmensverlagerung (VW, Murrplastik, Phönix, Nokia, Marston Chemicals, etc.) sowie EU-geförderte Steuervermeidung für Konzerne (Irland, Deutschland, Rumänien, etc.).

Jetzt wo ernste Probleme bestehen, die Plätze am Trog zu halten obwohl man kleinere Parteien aus dem EU-Parlament ausgeschlossen hat werden die Damen und Herren plötzlich aktiver.
Ob es gelingt, diese Postenpanik als "Sozialpolitik" zu verkaufen ?
Das glaube ich nicht.

Schmieentheater !

Es bleibt fragwürdig wie glaubhaft die politischen Ambitionen der SPE für Europa sind !
Wenn wir bedenken dass in Europa noch immer nicht die mehr als überfällige Finanztransaktionssteuer eingeführt wurde, dass noch immer Cum-Ex betrieben wird, dass die soziale und strukturelle Ungleichheit zur Bedrohung unserer Demokratie durch rechte Tendenzen geführt hat, dass Aussenpolitisch keine gemeinsame Sprache gefunden wird, müssen wir eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die EU sich komplett neu erfinden muss!°
Hinzu kommt die Frage wer eigentlich an den Hebeln der macht sitzt !
Längst wissen wir, es sind Großkonzerne, ihre Lobby-Handlanger und gigantische Berater die gleich die im Auftrag der Politik die Steuergesetze zu eigenen Zwecken entwickeln. Ein absurdes Schmierentheater !

https://www.ardmediathek.de/ard/player/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9yd...

Schmierentheater !

Im Programmentwurf der SPD zur Europawahl steht, die SPD habe bereits 2010 die Finanztransaktionssteuer gefordert. Anlässlich der Verabschiedung des Fiskalpakts im Bundestag im Jahre 2012, als die CDU/CSU mit der FDP regierte, erkaufte die Regierung sich die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt mit der Zusicherung, die Finanztransaktionssteuer einzuführen.
Seitdem sind sieben (!) Jahre, davon sechs Jahre mit der SPD in der Regierung, vergangen, geschehen ist n i c h t s !!!
Dagegen sind sind neue Forderungen nach Steuersenkungen von den Unternehmen, der FDP und natürlich vom Koaltionspartner, besonders von Altmaier, erhoben worden.
Inzwischen glaube ich eher, dass diese Steuersenkungen realisiert werden als dass nur ein Fünkchen von den SPD-Forderungen umgesetzt wird.
Fast möchte man befürchten, dass unsere Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Solidarität irgendwann sogar den Forderungen der Rüstungskonzerne untergeordnet werden. Dann Gute Nacht, SPD
Und wie steht es mit den anderen Parteien der SPE? In Spanien wird sie bald wieder aus der Regierung scheiden, in Portugal behauptet sie sich, in Großbritannien wird sie von der SPD schief angesehen, und der Rest?

Geschäftsmodell EU

Hier ein aktuelles Beispiel für das florierende Geschäftsmodell EU. Das Wort "Interessenskonflikt" dürfte bei Weitem nicht ausreichen um die Schamlosigkeit dieses Lotterladens zu bescheiben. Was setzt unsere SPD und die SPE diesen eklatanten Missständen entgegen ?
http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/foodwatch-bekaempft-coca-cola-s...

"SPE fordert radikalen Kurswechsel in Europa".

Die SPD will „neuen Sozialvertrag für Europa“und dazu „Europas Sparpolitik beenden“. Kevin Kühnert - noch radikaler - möchte „den Gerechtigkeitsbegriff neu denken“. All das ist Klasse weil dringend notwendig und vielleicht „unsere Kinder wieder träumen“ lässt - und darum vielleicht ein bisschen unfäir, darauf hinzuweisen, dass die SPD (gefühlt) schon immer in der deutschen Regierung steckte, die die Austeritätspolitik in der EU maßgeblich durchgesetzt hat.

Ich empfinde es aber als skandalös, dass in keinem der hier angedeuteten vier Artikel auch nur mit einer Silbe (- im „Manifesto“ findet sich ein kleiner Abschnitt -) „unsere gemeinsame europäische Verteidigung“ angesprochen wird und was dazu in Presse und Fernsehen permanet verzapft wird. Das macht mir Angst!!

Ich finde niemanden mehr in der SPD, der gegen das 2%-BIP-Ziel aufbegehrt. Im Gegenteil kann Frau von der Leyen unwidersprochen von den anwesenden Maas und Annen auf der jüngsten Sicherheitskonferenz sagen, das sei im Koalitionsvertrag vereinbart. Falls das stimmt, dann hat die SPD im GroKo-Vertrag eine massive Aufrüstung bewusst kryptisch camoufliert!!!

Aufstehen!!

„Unsere gemeinsame europäische Verteidigung“ -

was meint die SPD mit diesem Wahlslogan, wissen es Frau Barley, Frau Nahles, Herr Maas, Herr Scholz???

Die Bundeswehr gibt in diesem Jahr ca. 4 Milliarden mehr aus, insgesamt etwa 43 Milliarden. Entsprechend der jüngsten Vereinbarungen (1,5% vom BIP) werden es 2023/24 50 Mrd., nach Vereinbarungen mit der Nato 70 Mrd. sein. Der GroKo-Vertrag vereinbarte, auch „für Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe“ den gleiche Zuwachs (10 Mrd. bis 2024) einzusetzen. Als ich der GroKo zustimmte, dachte ich, dass die SPD Kapitel XII, 2 des Vertrages (Verteidigung : Hilfe = 1:1) aufgenommen hat, um die Rüstungswut der CDU begrenzen zu können. Ich fürchte, das Kapitel sollte mich nur ruhigstellen!
Im „Manifesto“ heißt es: „Wir werden uns an das Versprechen halten, 0,7 % unseres Bruttonationaleinkommens in offizielle Entwicklungshilfe zu investieren“. (Bei einem BIP von 3.386 Mrd. Euro 2018, ergäbe das etwa 23 Mrd..) Niemand denkt wirklich daran, das zu realisieren: Der Etat des Entwicklungsministeriums ist 2019 gerade mal 10 Mrd. groß – und das im Koalitionsvertrag vereinbarte 4 Milliarden-Äquivalent zur Militärhaushaltserhöhung ist auch nicht zu finden.

„Unsere gemeinsame europäische Verteidigung-2“

verschlingt derzeit etwa dreimal so viel Euro, wie die russische, obwohl Russland nicht nur eine sehr teure Atombewaffnung zu finanzieren, sondern auch 10.000 km Landgrenze (u. a. gegen China, ca 2.000 vor der EU) zu schützen hat; durch das 2%-BIP-Ziel werden es fünfmal so viel sein. Die Verteidigung der EU hat sich damit komplett von der (konventionellen) Bedrohung gelöst. Aber um Verteidigung geht es nicht mehr, sondern darum, „überall in der Welt als militärischer Machtfaktor wahrgenommen zu werden“(Journalist letztens auf Phönix). Diesen abenteuerlichen Großmachtfantasien und massiven Aufrüstungsabsichten, die noch um Nachdenken über „Atompotenziale“ und „atomare Erpressung durch Russland“ zu ergänzen wären, ein linkes, rein konventionelles Verteidigungskonzept, das der realen Bedrohung entspricht, entgegen zu stellen, wäre ein Leutturmprojekt für jede Wahl.
Ich muss feststellen, die SPD will das in der Sache wohl nicht.
Dann ist es aber nicht mehr meine SPD.

„Unsere gemeinsame europäische Verteidigung-2“

Verteidigung gegen wen?
Selbst in der "Qualitätspresse" ist nirgendwo ein Hinweis zu finden, dass Russland uns angreifen will. Dennoch schreibt die SPD in ihrem Programmentwurf "Für ein Europa, das zusammenhält Den Angriffen Russlands auf das Völkerrecht und die Staatssouveränität benachbarter Staaten" Dieser Satz steht ohne weiteren Zusammenhang ganz oben und hinterlässt den Eindruck, als stünde der Einmarsch der roten Armee bevor.
Im Gegensatz dazu sind es die Bundeswehr und andere Nato-Armeen, die sich absprachewidrig nach Osten und zur russischen Grenze vorgeschoben haben und dort permanent Manöver veranstalten.
Wenn unsere EU-Kandidaten solche militärischen Ziele in den Vordergrund stellen, dabei zwar eine gerechte Steuer- und Sozialpolitik alle Jahre wieder vor den Wahlen in ihr Programm schreiben, aber leider entsprechende Initiativen ins Leere laufen lassen, muss die Frage erlaubt sein, inwieweit die Wähler die Kandidaten noch ernst nehmen können. Dann ergeht es schließlich den Kandidaten ebenso wie den kritischen Mitgliedern, die hier, in Briefen und bei Veranstaltungen zwar ihre Meinung äußern, dann aber ignoriert werden.

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