
+++ Klingbeil: „Auf in den Kampf!“ +++
Zum Abschluss der Veranstaltung schwört Generalsekretär Lars Klingbeil die SPD-Bundestagskandidat*innen noch einmal auf einen spannenden Wahlkampf ein. Die SPD habe einen Plan, eine Idee und einen Kanzlerkandidaten für die Zukunft, sagt er. Konkret fordert Klingbeil: „Wir müssen dort präsent sein, wo sich junge Menschen informieren, aber es reicht nicht, nur gute Instagram- und gute TikTok-Stories zu machen. Es braucht auch ein gutes Programm. Das haben wir.“ Klingbeil zeigt sich kämpferisch: „Die Grenzen in der Gesellschaft verlaufen nicht zwischen Jung und Alt, sondern zwischen Arm und Reich. Das ist heute deutlich geworden. Wir wollen dieses Land verändern. Das tun wir mit Olaf Scholz an der Spitze. Also auf in den Kampf!“
+++ Kinder und Jugendliche als Leidtragende der Pandemie +++
Durch die Corona-Pandemie sind viele Probleme im Bildungsbereich sichtbarer geworden. „Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern sehen die Probleme schon seit Jahren“, sagt die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli. Durch Corona sei allerdings noch einmal sichtbarer geworden, dass die Bildungschancen hierzulande immer noch entscheidend von der sozialen Herkunft geprägt werden. „Es gibt keine Ausreden mehr in diesem Land. Wir wissen alle, was in diesem Land nicht funktioniert. Jetzt braucht es jemanden wie Olaf Scholz, der einen Plan hat und das endlich umsetzt“, sagt sie.
Auch Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, sagt: „Corona hat vieles sichtbarer gemacht, aber Bildungsgerechtigkeit war noch nie unabhängig von der sozialen Herkunft. Es ist ein strukturelles Problem, das nicht mit Corona gekommen ist und auch nicht mit Corona gehen wird.“ Magdalena Wagner, Lehrerin und SPD-Bundestagskandidatin in Bayern, fordert, auch die sozialen und psychischen Probleme von Kinder und Jugendlichen als Folgen der Corona-Pandemie in den Fokus zu nehmen. Aus eigener Erfahrung im Home Schooling berichtet sie: „Ich hätte gerne alle meine Schülerinnen und Schüler angerufen und sie gefragt, ob sie alles verstanden haben, was ich beim digitalen Unterricht gesagt habe, aber bei 30 Schülerinnen und Schülern war das nicht möglich.“
+++ CO2-Preis als Klimainstrument +++
Der Preis für eine Tonne CO2 liegt aktuell bei 50 Euro. Dadurch ist seit Anfang des Jahres der Benzinpreis um sieben Cent gestiegen, erläutert der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans. „Dahinter steht eine richtige Idee, nämlich dass das, was wir reduzieren wollen, teurer wird“, erläutert er. Dies sei allerdings mit der Einschränkung verbunden, dass diejenigen, die nicht umsteigen können, nicht zusätzlich belastet würden. Daher enthalte das Zukunftsprogramm der SPD beispielsweise Vorschläge für günstigere Antriebsformen, einen sozialen Ausgleich und Alternativen im öffentlichen Nahverkehr.
Myriam Rapior, Mitglied im Bundesvorstand der BUNDJugend, sagt: „Wir müssen unsere Lebensstile diskutieren. Die Mobilitätswende bedeutet, das Auto häufiger stehen zu lassen, sich eines zu teilen und den ÖPNV zu nutzen. Wenn Menschen mit größeren Autos und einem höheren Verbrauch mehr zahlen, ist das auch sozial.“ Lucy Schanbacher, SPD-Bundestagskandidatin in der „Autohauptstadt“ Stuttgart, betont: „Wir brauchen einen Klimakonsens, um die Wende zu schaffen. Da müssen wir alle mitnehmen. Wir müssen als Sozialdemokraten die Ideen dafür liefern.“
+++ SPD will bei Niedriglöhnen gegensteuern +++
Jede*r Fünfte in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn, im Osten der Republik ist es sogar jeder Zweite. Das kritisiert die SPD-Vorsitzende Saskia Esken deutlich: „Das ist ein großer Schmerz in unserer Gesellschaft. Das ist Armut trotz Vollzeit. Da müssen wir einfach hinschauen und gegensteuern.“ Dies würde gleichzeitig auch den Staatshaushalt entlasten. Denn die Ausgaben für Sozialhilfe haben sich laut Esken seit 2005 fast verdoppelt.
Für Natalie Pawlik, SPD-Kandidatin aus Hessen, ist es ein „Armutszeugnis für ein reiches Land wie Deutschland“, dass so viele Menschen im Niedriglohnbereich arbeiten. „Das ist ein strukturelles Problem, das eigentlich unhaltbar ist“, sagt Pawlik. Die SPD begegne diesem beispielsweise mit der Forderung nach einem Mindestlohn von mindestens zwölf Euro pro Stunde und dem Rechtsanspruch auf Qualifizierung. Der Krankenpfleger und Autor Alexander Jorde sagt: „Diejenigen, die im Niedriglohnbereich arbeiten, sind gleichzeitig diejenigen, die in der Pandemie den Laden am Laufen gehalten haben.“ Dies sei auch sozialer Sprengstoff für die Gesellschaft. Als Maßnahme würde er sich zum Beispiel eine höhere Tarifbindung wünschen. Saskia Esken betont zudem: „Mitbestimmung ist ein ganz entscheidender Teil der Demokratie.“
+++ Bezahlbarer Wohnraum als soziale Frage des 21. Jahrhunderts +++
Im ersten von vier „Future Talks“ geht es um Ideen für ein neues Wohnen. Julia Söhne, SPD-Bundestagskandidat aus Freiburg, betont: „Die Wohnungsnot in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie betrifft ganz viele Menschen, beispielsweise Familie, die einen großen Teil ihres Einkommens ausgeben müssen, um ihre Miete zu zahlen.“ Daher sei die Frage von bezahlbarem Wohnraum „eine der sozialsten Fragen, die wir haben“, weil sie die Gesellschaft spalte. Auch für Stephan Schumann, stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender und SPD-Kandidat in Dresden, betont: „Wohnen ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts, in den Städten und auf dem Land.“
„Wer möchte, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht, muss sich um den Boden kümmern“, fordert der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert. Daher sei es notwendig, die Spekulationsblase bei Grund und Boden zu stoppen sowie gemeinwohlorientiert zu agieren. Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes, spricht von einer „sehr heftigen Situation“ auf dem Wohnungsmarkt. Diese betreffe nicht nur Großstädte, sondern auch Universitäts- und Kleinstädte. Beispielsweise seien die Städte im Umland Berlins inzwischen deutlich stärker von Mietpreissteigerungen betroffen als die Hauptstadt selbst. Eine vom Mieterbund vorgeschlagene Maßnahme dagegen ist ein bundesweiter, mehrjähriger Mietenstopp. Diesen fordert auch die SPD in ihrem Zukunftsprogramm.
+++ Scholz: wichtigste Weichenstellung seit 1949 +++
„Eine ganze Generation ist mit Merkel im Kanzleramt aufgewachsen. Nun hört die Bundeskanzlerin auf und es beginnt eine neue Zeitrechnung“, betont SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in seiner Rede. Die Bundestagswahl im September sei daher aus seiner Sicht die wichtigste Weichenstellung seit 1949. „Die SPD ist eine Partei des Aufbruchs und der Transformation. Das ist Teil unserer DNA seit dem 20. Jahrhundert“, sagt Scholz. Teil der Sozialdemokratie sei die historische Mission, die Emanzipation der Arbeiter*innen innerhalb der Gesellschaft. „Das ging immer Hand in Hand mit der Modernisiereung der Gesellschaft“, sagt Scholz.
Programmatisch kündigt Scholz an, das Bafög verbessern zu wollen, damit weniger Studierende verschuldet ihr Studium beenden. „Wir wollen auch eine Kindergrundsicherung einführen. Das ist für uns ganz, ganz wichtig“, sagt Scholz. Er weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die SPD berufliche und akademische Ausbildung nicht gegeneinander ausspiele. „Das unterscheidet uns von anderen. Niemand ist wichtiger innerhalb einer Gesellschaft, nur weil er eine akademische Ausbildung hat. Diese Art der Dünke ist uns Sozialdemokrat*innen fremd“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat.
Die Wirtschaft werde im 21. Jahrhundert auch global sein, sagt Scholz. Umso wichtiger seien klare Regeln für sozial gerechte Arbeitsbedingungen. Dazu gehöre, dass überall Kinderarbeit abgeschafft werde. „Ich bin sehr froh, dass wir gegen den massiven Widerstand der Union durchgesetzt haben“, sagt Scholz. Dies sei ein kleiner Baustein für „eine Aufgabe, die uns noch viel abverlangen wird“. Er weist zudem auf die Notwendigkeit einer globalen Mindestbesteuerung hin und nennt seine eigenen Erfolge als Bundesfinanzminister bei Verhandlungen auf internationaler Ebene: „Deswegen bin ich sehr froh, dass wir nach drei Jahren beharrliche Arbeit eine Verständigung hinbekommen haben. Das wird uns Mehreinnahmen bescheren.“
„Respekt ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Dafür stehe ich ein und dafür trete ich an“, betont Kanzlerkandidat Scholz. Er weist besonders darauf hin, dass es bei dieser Wahl bundesweit mehr als 100 SPD-Direktkandidat*innen gibt, die jünge als 40 Jahre alt sind. „Ich selbst war mal Kandidat unter 40. Das war 1998. Damals waren wir 30 unter 40.“ Dass es nun so viel mehr junge Kandidierende gebe, zeige, dass die SPD eine lebendige Partei sei und die Zukunft in sich trage. An die jungen Kandidat*innen gerichtet sagt Scholz: „Ihr seid der Garant dafür, dass die Leute nichts falsch machen, wenn sie ihr Kreuz bei der SPD machen.“
Politisch notwendig seien nun die richtigen Weichenstellungen für einen sozial-ökologischen Wandel. „Wir haben einen Plan, damit das gut ausgeht“, sagt Scholz. Dazu gehöre beispielsweise die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage mit einem Gesamtvolumen von 25 Milliarden Euro. Dies bedeute für Familien mit zwei Kindern eine Entlastung von 300 bis 400 Euro pro Jahr. Mit Blick auf die jungen SPD-Kandidat*innen sagt der SPD-Kanzlerkandidat: „Wir brauchen eine Generation T, die für Transformation steht und tatsächlich Veränderung bewirkt. Die Konservativen können das nicht.“ Mit Blick auf deren zögerliche Haltung bei vielen Themen sagt er: „Regieren braucht Mut. Das ist nichts für feige Leute.“
+++ Klingbeil eröffnet Zukunftscamp +++
Pünktlich um 10.30 Uhr eröffnet Generalsekretär Lars Klingbeil das digitale SPD-Zukunftscamp. Zu Beginn weist der Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen auf die zahlreichen jungen SPD-Bundestagskandidat*innen hin. „Es gab zuletzt viele junge Abgeordnete in der Union, die bei der Maskenaffäre in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Unsere Leute haben dagegen einen programmatischen Anspruch. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir so viele junge Leute haben, die das Land verändern wollen. Diese Generation wird die SPD prägen“, hebt er hervor.
Weniger als 100 Tage vor der Bundestagswahl am 26. September sei das Rennen um das Kanzleramt vollkommen offen. „Es geht jetzt um die Frage: Wer kann es? Wer kann dieses Land führen? Wer hat die besten Ideen? Und in diesem Wettstreit werden wir jetzt eintreten.“ Auch weil die SPD regieren nicht als Selbstzweck sehe, sondern einen klaren programmatischen Anspruch verfolge: „Ich will, dass am Ende der Legislaturperiode die Pflegekräfte sagen: Es hat sich gelohnt, dass die SPD dieses Land geführt hat.“ Wichtig sei auch die aktive Rolle des Staates. Diesem falle eine zentrale Rolle zu, wenn es darum gehe, die klimaneutrale Wirtschaft voranzutreiben. „Diese große Mission wird von Olaf Scholz zentral aus dem Kanzleramt geführt werden“, sagt Klingbeil.