Superwahljahr 2021

SPD-Wahlsieg in Rheinland-Pfalz – CDU-Desaster im Südwesten

Lars Haferkamp14. März 2021
Amtsbonus: 58 Prozent der Wähler*innen in Rheinland-Pfalz wollen laut ZDF-Politbarometer, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer – hier auf einem Wahlplakat 2021 – das Bundesland auch weiterhin regiert.
Amtsbonus: 58 Prozent der Wähler*innen in Rheinland-Pfalz wollen laut ZDF-Politbarometer, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer – hier auf einem Wahlplakat 2021 – das Bundesland auch weiterhin regiert.
Die SPD in Rheinland-Pfalz ist der klare Sieger der Landtagswahl. Malu Dreyer kann ihre Ampel-Koalition mit Grünen und FDP fortsetzen. In Baden-Württemberg könnte die SPD künftig ebenfalls in einer Ampel-Koalition regieren. Die Bundes-SPD lobt den gelungenen Auftakt ins Superwahljahr 2021.

„Es ist heute ein sehr sehr guter Tag für die SPD“, freute sich die Parteivorsitzende Saskia Esken am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus. „Das ist tatsächlich ein Auftakt nach Maß in das Superwahljahr 2021.“ Der Sieg von Malu Dreyer sei ein „ganz ganz großartiges Vorzeichen auch für den Bundestagswahlkampf, für die SPD und für die Kanzlerschaft von Olaf Scholz“. Die SPD habe gezeigt, wie man Wahlen gewinne. Das Wahlkampfmotto von Malu Dreyer „Wir mit ihr“ gelte ab morgen für die SPD als „Wir mit ihm“, also mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Esken: Großartiger Wahlsieg für Malu Dreyer

Esken gratulierte Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu ihrem „großartigen Wahlsieg“. Zum dritten Mal in Folge sei die SPD in Rheinland-Pfalz stärkste Partei geworden, weil das Land „sehr gut regiert“ worden sei. „Wir gehen als SPD mit diesem Ergebnis und mit diesem Sieg mit großer Freude gestärkt in das Superwahljahr 2021“, so die SPD-Vorsitzende.

In Baden-Württemberg habe SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch zusammen mit seiner Partei „einen sehr engagierten Wahlkampf“ geführt, sagte Esken. Stoch werde in vielen Umfragen „wesentlich besser bewertet als die Spitzenkandidatin der CDU“. Man werde schauen, was die Regierungsbildung in Stuttgart nun bringe.

Walter-Borjans hofft auf Ampel in Stuttgart

Das gesamte Präsidium der SPD sei guter Stimmung, bilanzierte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans im Willy-Brandt-Haus. Die beiden Spitzenkandidaten Dreyer und Stoch waren dem Präsidium zugeschaltet. „Wo die SPD regiert, wo sie mit überzeugenden Köpfen an der Spitze einer Regierung steht“, da überzeuge sie die Wählerinnen und Wähler. Der SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch in Baden-Württemberg habe aus der Opposition heraus „ungleich schwierigere Bedingungen gehabt“, so Walter-Borjans. Das gelte noch einmal besonders in der Corona-Pandemie.

Für den SPD-Vorsitzenden bietet sich nach Rheinland-Pfalz nun auch in Baden-Württemberg eine „progressive, fortschrittliche Regierung an, ohne CDU – es ist möglich“. Das liege in Stuttgart in der Hand des Ministerpräsidenten. „Wir sollten jetzt die Chancen nutzen, die sich für eine andere Politik ergeben“, die Klimaschutz mit sozialer und ökonomischer Verantwortung verbinde. „Ich glaube, da geht was.“

Olaf Scholz zuversichtlich: „Ich will Kanzler werden.“

Besonders erfreut zeigte sich Walter-Borjans, dass die AfD „in dieser schwierigen Phase, in der wir sind, nicht profitieren konnten, auf keinen Fall gewonnen haben, wahrscheinlich schwächer werden“. Das sei auch gut so für Deutschland. Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF liegt die AfD sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz klar hinter ihrem Wahlergebnis von vor fünf Jahren.

Hoch erfreut über das Abschneiden der SPD zeigte sich am Wahlabend auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Im ARD-Fernsehen sagte der Bundesfinanzminister, der Wahltag im Südwesten sei für die SPD „ein guter Tag, weil er auch zeigt, dass Regierungsbildung ohne die CDU möglich ist in Deutschland“. Scholz zeigte sich zuversichtlich bezüglich der Aussichten der SPD im Superwahljahr 2021: „Es ist viel möglich, und ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden. Auch das ist heute sichtbar geworden, dass das geht.“ Zur Frage, ob er nun auch im Bundestagswahlkampf auf eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP setze, sagte der SPD-Kanzlerkandidat: „Sichtbar ist, dass es Optionen gibt. Und in der Tat ist jetzt sehr viel Bewegung in das Spiel gekommen.“ Im ZDF sprach Scholz von „Rückenwind für die Bundestagswahl und für unser Ziel, ins Kanzleramt zu kommen.“

Mainz: Malu Dreyer kann weiter regieren

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommen in Rheinland-Pfalz die SPD auf 35,7 Prozent, die CDU auf 27,7 Prozent, die Grünen auf 9,3, die FDP auf 5,5 und die AfD auf 8,3 Prozent. Die Linke scheitert mit 2,5 Prozent an der 5-Prozent-Hürde. Die Freien Wähler haben diese Hürde mit 5,4 Prozent genommen haben.

Damit könnte Ministerpräsidentin Malu Dreyer ihre Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP fortsetzen. Alle drei Parteien haben sich vor der Wahl offen für eine Fortsetzung des bisherigen Regierungsbündnisses gezeigt.

Stuttgart: Will Kretschmann die Ampel?

In Baden-Württemberg erreichen laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis die Grünen 32,6 Prozent, die CDU 24,1 Prozent, die SPD 11,0  Prozent, die FDP 10,5 Prozent und die AfD 9,7 Prozent. Damit gelingt es der SPD den dritten Platz von der AfD zurückzuerobern. Die Linke scheitert mit 3,6 Prozent an der 5-Prozent-Hürde.

Nach diesem Ergebnis könnte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Regierungsbündnis mit der CDU fortsetzen. Er könnte aber auch zusammen mit SPD und FDP in einer Ampel-Koalition regieren. Nach Rheinland-Pfalz wäre dies dann aktuell das zweite Ampel-Bündnis auf Landesebene. Kretschmann kündigte am Wahlabend an, er werde Sondierungsgespräche mit CDU, SPD und FDP führen. Eine eindeutige Präferenz ließ er dabei – auch auf mehrfache Nachfrage – nicht erkennen.

Wahlen unter Corona-Bedingungen

Die Wahlprognosen am Sonntag basierten auf den Nachwahlbefragungen der Wähler*innen nach dem Verlassen der Wahllokale. Die Briefwähler*innen wurden dabei nicht erfasst. Ebenso basierten die ersten Hochrechnungen auf den Urnenwahlergebnissen. Das hat entgegen den Befürchtungen der Wahlforscher nicht dazu geführt, dass im Laufe des Wahlabends die Zahlen der Institute deutlich stärker nachkorrigiert werden mussten, als dies in den letzten Jahren üblich war.

In der Pandemie hat sich der Anteil der Briefwähler*innen deutlich erhöht. Eine mögliche Folge der Briefwahl: Ereignisse kurz vor dem Wahlsonntag, wie etwa die Masken-Affäre der Union, könnten geringere Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben, da viele Briefwähler*innen ihre Stimme bereits abgegeben hatten, ehe die drei Bundestagsabgeordneten der Union ihr Mandat niederlegten und der Skandal die Schlagzeilen bestimmte.

Erste Landtagswahlen seit Corona-Ausbruch

Bereits im Wahlkampf waren die Folgen der Corona-Pandemie deutlich zu spüren. So verlief das Werben um Stimmen weitgehend digital. Direkte Begegnungen zwischen Politiker*innen und Wähler*innen, wie etwa an Wahlkampfständen, fanden kaum statt, Massenveranstaltungen auf Marktplätzen oder in Hallen ebenso nicht.

Die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren die ersten Landtagswahlen in Deutschland unter Corona-Bedingungen und der Start in das Superwahljahr 2021, mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl. Die letzte Landtagswahl in Deutschland zuvor war die zur Hamburgischen Bürgerschaft am 23. Februar 2020. Sie fand kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie noch unter Normalbedingungen statt. Die SPD wurde mit 39,2 Prozent stärkste Partei und klarer Wahlsieger.

Stabile SPD-Hochburg Rheinland-Pfalz

Bei der letzten Landtagwahl in Rheinland-Pfalz im Jahr 2016 wurde die SPD mit 36,2 Prozent stärkste Partei. Die CDU kam auf den zweiten Platz mit 31,8 Prozent. Damals verlor Rot-Grün die Mehrheit. Ministerpräsidentin Malu Dreyer bildete deshalb eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen – die aktuell einzige in einem Bundesland.

Die SPD regiert Rheinland-Pfalz seit 30 Jahren. Von 1991 bis 1994 unter Ministerpräsident Rudolf Scharping, von 1994 bis 2013 unter Ministerpräsident Kurt Beck. Beide waren zwischenzeitlich auch Parteivorsitzende der SPD. Malu Dreyer, zeitweise stellvertretende SPD-Vorsitzende, regiert Rheinland-Pfalz seit 2013. Das Land gilt als sozialdemokratische Hochburg, nachdem es von 1946 bis 1991 stets von der CDU regiert wurde.

Baden-Württemberg keine CDU-Hochburg mehr

Bei der Wahl in Baden-Württemberg 2016 wurden die Grünen mit 30,3 Prozent erstmals stärkste Kraft in einem deutschen Landtag. Sie lösten damit die CDU ab, die nur noch auf 27,0 Prozent kam. Die SPD erreichte vor fünf Jahren 12,7 Prozent. Die grün-rote Landesregierung verfügte damit nicht mehr über die Mehrheit. Die Grünen regierten mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann nun mit der CDU als Koalitionspartner. Seit 2011 führt Kretschmann das Land. Zuvor war es seit 1953 eine Hochburg der CDU.

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Kommentare

Wahl in Ba.-Wü.

Leider ist das Wahlergebnis für die SPD in Ba.-Wü. nicht berauschend:

Ein Verlust von 1,7 Prozent insgesamt, der Wahlkreis Göppingen, der lange Jahre vom ehemaligen Innenminister Frieder Birzele, danach vom ehemaligen Staatssekretär Peter Hofelich gehalten werden konnte, ging verloren.

Wie bei der letzten Wahl konnte leider auch hier ein AfD-Kandidat als Zweitkandidat in den Landtag einziehen. Dabei war der vorherige AfD-Abg. nach der Wahl nie mehr im Wahlkreis zu sehen. Er musste zwei mal von der Polizei aus dem Plenarsaal entfernt werden. Dieser Umstand hätte im Wahlkampf offensiv dargestellt werden müssen.

Die Frage ist nun, ob somit weiterhin das Bürgerbüro der SPD in Göppingen weiterhin gehalten werdn kann.

Spitzenkandidaten entschieden Wahl

In beiden Ländern haben beliebte Ministerpräsidenten ihren Parteien über die Runden geholfen. Fr Dreyer und Hr Kretschmann haben sich das Vertrauen der Leute über Jahre erarbeitet; dies geht in einer Krise nicht so schnell verloren.

Auf Bundesebene gibt es Stand jetzt keine Spitzenkandidaten, die so gut angesehen sind. Deswegen erscheint es aus heutiger Sicht gut möglich, dass keine Partei über 30% kommt, und die Regierungsbildung entsprechend schwierig wird. Olaf Scholz hat aber am ehesten das Potential, von den Menschen als Kanzler-tauglich wahrgenommen zu werden.

Klar ist: durch das Impfstoff-Debakel steht die ganze politische Klasse auf Bewährung. Es besteht ein großes Wut-/ und Frustationspotential, was sich durchaus im Herbst entladen kann. Genrell befinden wir uns nicht auf dem Weg zur Normalität, sondern am Anfang einer krisenhaften Entwicklung, die Jahre andauern wird. Eine Rückkehr zu vor Corona wird es für die Politik sicher nicht geben.