Bundestagswahlkampf

SPD-Wahlkampfauftakt in Bochum: Scholz‘ emotionaler Auftritt

Jonas Jordan14. August 2021
Kanzlerkandidat Olaf Scholz beim Wahlkampfauftakt der SPD in Bochum.
Kanzlerkandidat Olaf Scholz beim Wahlkampfauftakt der SPD in Bochum.
Mit einer leidenschaftlichen Rede von Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist die SPD am Samstag in Bochum in die heiße Wahlkampfphase gestartet. Unter Führung der Sozialdemokratie werde Deutschlands Zukunft gelingen, warb Scholz.

Es ist 12:18 Uhr, als Olaf Scholz die Bühne auf dem Bochumer Doktor-Ruer-Platz betritt. Der SPD-Kanzlerkandidat wirkt entspannt. Das kann er auch. Denn pünktlich zum Start in die heiße Wahlkampfphase, die die Sozialdemokrat*innen an diesem Samstag einläuten, klettern die Zustimmungswerte der Partei in Umfragen deutlich. Im ZDF-Politbarometer kommt die SPD in dieser Woche auf 19 Prozent, ein Plus von drei Prozent und der beste Wert seit fast drei Jahren.

Scholz: Steuersenkungen für Reiche unmoralisch

Kein Wunder also, dass mehr als tausend Anhänger*innen Scholz mit großem Applaus begrüßen. „Es ist schön, uns alle versammelt zu sehen“, sagt er. Das Interesse an ihm, dem SPD-Kanzlerkandidaten ist groß, weswegen Generalsekretär Lars Klingbeil immer wieder darauf hinweist, Abstand zu halten und Masken zu tragen. Dass in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes überhaupt wieder Großveranstaltungen möglich sind, ist für Scholz ein Zeichen, dass es aufwärts gehe, nachdem nun 52 Millionen Menschen in Deutschland gegen Covid-19 geimpft seien. „Weil wir zusammengehalten haben“, sagt er.

Auch der finanzielle Aufwand war groß, um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. 400 Milliarden Euro, rechnet der Finanzminister vor. Umso deutlicher erteilt er Forderungen nach Steuersenkungen für Reiche eine Absage: „Das ist nicht nur unfinanzierbar, sondern auch unsolidarisch und unmoralisch.“

Walter-Borjans und Esken mit Kritik an Laschet

Solidarität, Respekt, Zusammenhalt – das sind die großen Themen in Scholz‘ Rede. Die Unwetterkatastrophe, die große Schäden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz anrichtete, habe gezeigt, wie groß die Gewalt der Natur sei. Der gemeinschaftlich organisierte Wiederaufbau sei aber auch ein Zeichen für die Kraft der Solidarität. Scholz macht Mut: „Wir können die Zukunft gestalten. Wir müssen uns vor ihr nicht fürchten. Denn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben einen klaren Plan.“

Es gebe große Herausforderungen in den kommenden Jahren zu bewältigen, sagt er. Da helfe es nicht, sich durchzulavieren. Ein kleiner Seitenhieb auf Armin Laschet? An ihm üben die SPD-Parteivorsitzenden zuvor deutlich Kritik. „Was wir überhaupt nicht brauchen, ist einer, der wankelmütig ist. Die erste Geige dieser Republik spielt man nicht auf einer Larifari“, sagt Norbert Walter-Borjans. Auch Saskia Esken wird deutlich: „Die Menschen müssen wissen, dass Armin Laschet keinen Plan für dieses Land hat. Lasst uns die Union in die Opposition schicken!“

Mindestlohnerhöhung im ersten Jahr als Kanzler

Scholz geht hingegen kaum auf seine Kontrahent*innen ein. Es sei eine schöne Botschaft, „dass es besser wird mit den Umfragen. Viele Menschen haben das Gefühl, es gibt eine Partei, die die Probleme anpackt“. Dass er die Probleme im Land anpacken will, macht er deutlich. Er will das Kindergeld neu organisieren, damit Armut von Kindern in diesem Land verschwinde. „Das muss nicht sein“, sagt der Kanzlerkandidat treffend. Es brauche stabile Renten, gerade mit Blick auf die junge Generation. Und er will dafür sorgen, dass pro Jahr mindestens 400.000 neue Wohnungen in Deutschland gebaut werden. „Das ist kein Hexenwerk. Man muss es nur anpacken“, sagt Scholz.

Besonders wichtig ist ihm auch, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderfalle. „Niemand soll und darf sich als was Besseres fühlen“, mahnt er. Gesellschaftliche Anerkennung müsse sich aber auch bei der Bezahlung widerspiegeln. Deswegen verspricht er, schon im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen. Dies würde für zehn Millionen Menschen in Deutschland eine Gehaltserhöhung bedeuten.

Scholz: Union kostet Wohlstand und Arbeitsplätze

Grundsätzlich wolle er alles dafür tun, „dass wir in 10, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben“. Dafür sei es jetzt notwendig, die richtigen wirtschaftspolitischen Weichen zu stellen. „Das ist die große Zukunftsaufgabe. Das wollen und das werden wir packen“, sagt Scholz. Dann wird er deutlich. Er nennt es peinlich und unverantwortlich „für die Zukunft unseres Landes“, dass die Union und allen voran Wirtschaftsminister Peter Altmaier lange Zeit so getan habe, als gebe es keinen erhöhten Strombedarf in den kommenden Jahren. Es ist der emotionalste Moment in Scholz‘ Rede: „Es ist so lächerlich, aber es ist so gefährlich. Eine weitere von der CDU/CSU geführte Regierung kostet Wohlstand und Arbeitsplätze. Das darf nicht sein!“

Scholz ruft seinen Zuhörer*innen selbstbewusst zu: „Die verstehen nichts von Wirtschaft, wir aber schon!“ Der SPD-Kanzlerkandidat glaubt an einen Wahlerfolg und er glaubt vor allem daran, dass seine Partei die richtigen Antworten auf die drängendsten politischen Fragen hat. Das wird mit jeder Minute deutlicher. „Wir packen die Zukunft an. Mit uns wird sie gelingen“, sagt er und ruft die SPD dazu auf, in den verbleibenden sechs Wochen des Wahlkampfes noch einmal alles zu geben: „Ich bin ganz berührt von den Umfragen. Wir wollen den Moment nutzen, um mehr daraus zu machen. Lasst uns gemeinsam dafür arbeiten, dass Deutschland seine Zukunft anpackt. Die SPD steht dafür bereit!“

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Kommentare

Chancen bessern sich für Reform-Regierung

Leidenschaft ist sicher nicht völlig verkehrt, trotzdem geht es in der Politik um eine emotionslose, nüchterne Bewertung von Fakten. Alles andere führt zu den Zuständen, in denen sich die von Emotionen getriebenen Fr Merkel oder Hr Trump befinden.

Wir sehen in den Umfragen jetzt langsam, dass die guten Werten von Olaf Scholz auf die Partei übertragen werden. Die Personal-Ebene ist der einzig erkennbare Weg, diese Wahl zu gewinnen. Es scheint möglich, eine neue Art von sozial-liberaler Koalition mit Grünen und FDP zu begründen.

Die Politik tendiert leider dazu, Corona nicht diskutieren zu wollen. Dabei ist völlig klar, dass die neue Bundesregierung vor allem eine Corona-Regierung wird, die sich (zunächst) hauptsächlich damit befassen wird. Ob dies deshalb eine gute Strategie ist, bleibt abzuwarten.

Zentrales Thema ab dem Herbst muss sein, die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Spaltung des Landes nachhaltig zu überwinden. Dazu kommen als weitere Themen die Digitalisierung und der Klimaschutz. Außerdem geht an einer Wahlrechts- und Föderalismusreform kein Weg vorbei, nachdem Fr Merkel dazu in 16 Jahren keine Zeit gefunden hat.

Wahlkampf in Absurdistan?

Ich finden den Gedanken, mit der Lindner-FDP die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Spaltung des Landes nachhaltig überwinden zu wollen noch absurder als die Annahme, wir könnten mit der Linken wegen ihrer Ablehnung von Kampfeinsätzen im Ausland nicht koalieren.

Wahlkampf in Absurdistan?

Genau, und was bringen die Kampfeinsätze im Ausland? Afghanistan ist das beste Beispiel: viele Menschenopfer, viel Geld, aber keine poltische Veränderung im Land.

Es gab vor über 50 Jahren eine FDP, die die Freiburger Thesen aufgestellt hatte, als diese Partei noch liberal, aber nicht neoliberal war, aber ein Lindner, der die Reichen mit Steuersenkungen bescheren und die gesetzliche Rente zugunsten der Aktienmärkte abbauen will, ist weit von dieser alten FDP entfernt.

Olaf Scholz

Gerade wird er in Umfragen gehyped, ja seine Gegenkanditatinnen haben gravierende Mängel, aber wann packen die Medien und Umfrager Wirecerd, Cum-ex, cum-cum ....etc. aus ? Die Besteuerungt der Internetkonzerne hat bisher nicht geklappt.
Losgelöst von seiner Vergangenheit agiert Olaf Scholz zur Zeit als sozialdemokratische Wahlkämpfer, aber hat das auch nach der Wahl noch Bestand ? (Müntefering!!!)

Olaf Scholz

"...aber hat das auch nach der Wahl noch Bestand ?"

Leider haben wir in der Vergangenheit häufig das Gegenteil erlebt mit der Folge, dass die Partei bei den letzten Wahlen immer schlechter abgeschnitten hat. Da hilft auch nicht der ständige Hinweis auf die Koalition.

Denn in vielen Fällen hat die SPD Vorhaben der Union, die nicht Gegenstand des Koalitionsvertrages waren, abgenickt, während die Union, insbesondere unter Anweisung von Merkel und Blockade von Altmaier, viele Punkte aus dem Koalitionsvertrag verhindert hat. Andererseits hat die CSU als kleinste Koalitionspartei durch Drohungen von Seehofer immer wieder Vorhaben durchgesetzt, die die SPD in gleicher Weise hätte ablehnen müssen wie z.B. Maut, Autobahnprivatisierung, Erhöhung des Kriegsetats u.v.a.m.

Dadurch hat die SPD leider gewaltig an Glaubwürdigkeit und dadurch Wahlen verloren. Deshalb sollte sie auch nach den Wahlen die Punkte umsetzen, die sie vorher verspricht, vor allem aber positive Ziele aus dem Koalitionsvertrag.

diese Diskussion ist

absurd- geht es doch nicht darum, eine absolute Mehrheit in praktische Politik umzusetzen. Nun gaben wir, gegen alle Wetten, die Möglichkeit, den Kanzler einer Koalition zu stellen, und schon wird wieder alles madig gemacht. Ist es nicht besser, vom Guten ein wenig umzusetzen, als nur die bessere Theorie in der Schublade zu haben? In der aktuellen Situation mag Scholz ja der sprichwörtlich einäugige unter Blinden sein, aber auch dies ist doch eine Aussicht, die wir vor Wochen noch nicht hatten. Warum glaubt ihr hält sich Esken so zurück? Sie weiß, dass sie mit jeder Aktion der Chancen des Kandidaten mindern würde. So sollten es andere auch halten, sonst steht Scholz und damit wir alle zum Schluss wieder mit leeren Händen da. Opposition ist nichts

darf es auch ein bisschen mehr vom Guten sein?

Warum ist denn die Annahme, dass in einer Koalition mit den Linken etwas mehr vom "Guten" umgesetzt werden könnte als mit der FDP, absurd?

Sie haben gar nichts

verstanden, denn es geht darum, anzuerkennen, dass in eine Koalition, mit wem auch immer, nicht das 1:1 umgesetzt werden kann, was im Parteiprogramm steht oder was im Wahlkampf versprochen wurde.