Schwierige Partnerschaft

SPD-Vize Rehlinger: „Wir sind auf China als Partner angewiesen.“

Kai Doering21. Juni 2023
SPD-Asienbeauftragte Anke Rehlinger: Dialog ist immer richtig.
SPD-Asienbeauftragte Anke Rehlinger: Dialog ist immer richtig.
Deutschland sollte sich nicht von China abkoppeln, sich aber auch nicht abhängig machen, meint die Asien-Beauftragte der SPD, Anke Rehlinger. An die China-Strategie der Bundesregierung stellt sie klare Anforderungen.

Am Dienstag haben zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder deutsch-chinesische Regierungskonsultationen statt. Wie bewerten Sie das Treffen?

Die Beziehungen auf der Welt sind schwieriger geworden, vor allem zwischen China und den USA, aber auch zwischen Europa und China. Gleichzeitig funktionieren unsere Wirtschaften aber immer globaler, und sie sind zunehmend miteinander verwoben. Darüber hinaus sind wir auf China als Partner angewiesen, um Lösungsansätze für globale Probleme wie die Klimakrise zu finden. Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sind daher ein wichtiges Signal, dass wir nach der pandemiebedingten Isolation wieder miteinander von Angesicht zu Angesicht sprechen. Die Differenzen, die wir haben und unsere unterschiedlichen Sichtweisen müssen angesprochen werden.

Erst Anfang Juni waren Sie als neue Asienbeauftragte der SPD mit Parteichef Lars Klingbeil zu Besuch in China. Wie haben Sie das Land und seine politischen Vertreter erlebt?

China hat ein großes Selbstbewusstsein entwickelt und das ist natürlich spürbar, wenn man mit den Repräsentanten von Staat und Partei spricht. Die Gespräche waren dennoch von großer Offenheit, Ernsthaftigkeit und Interesse an unseren Positionen geprägt.

Nach Russlands Überfall auf die Ukraine und unter Präsident Xi Jinping wächst in Deutschland die Sorge auch vor China. Zu Recht?

In unseren Gesprächen ist deutlich geworden, dass die Chinesen nicht die gleiche Auffassung mit uns teilen, was den Ursprung des Ukraine-Kriegs angeht, sie sehen Russland nicht als Aggressor. Aber sie wollen auch, dass der Krieg aufhört und sie haben mit dem Sondergesandeten eine Passivität aufgegeben. Wir wünschen uns ein starkes Engagement Chinas bei der Beendigung des Krieges. Das haben wir unseren Gesprächspartnern gesagt, genauso haben wir auch deutlich gemacht, dass sich unsere Beziehungen schlagartig ändern würden, wenn China Taiwan militärisch angreifen sollte. Für mich als Asienbeauftragte ist klar, dass wir über unterschiedliche Sichtweisen reden müssen. Dialog ist immer richtig. So können wir auch deutlich unsere Kritik äußern, in Punkten, in denen wir gar nicht übereinstimmen, zum Beispiel in der universellen Gültigkeit von Menschenrechten.

Im Papier der Kommission Internationale Politik der SPD, das Grundlage für die neue außenpolitische Positionierung der Partei werden soll, werden „mehr wirtschaftliche Resilienz und Unabhängigkeit“ von China gefordert. Wie soll das aussehen?

Wir haben aus dem russischen Angriff auf die Ukraine gelernt und die wirtschaftliche Lehre gezogen, dass wir uns nicht mehr in einseitige Abhängigkeiten begeben dürfen. Deshalb lautet die Devise im Umgang mit China nun auch De-Risking. Das haben Lars Klingbeil und ich der chinesischen Seite bei unserem Besuch erklärt. Das heißt nicht, dass wir uns von China entkoppeln sollten. Es geht vielmehr um die Verringerung von Risiken, um gleichzeitig die Resilienz unserer Wirtschaft zu erhöhen, indem man neben China immer auch ein weiteres Land in der Lieferkette hat. Es bedeutet auch, dass deutsche Firmen sich nicht nur auf einen Absatzmarkt verlassen sollen, sondern auf verschiedene. Das schützt letztendlich Arbeitsplätze bei uns.

Die Bundesregierung arbeitet weiter an ihrer China-Strategie. Was ist aus Sicht der SPD dafür essenziell?

Die China-Strategie sollte die Komplexität unserer Beziehungen zu China abbilden. Sie sollte zum einen klar die Differenzen zwischen uns benennen. Ich denke an die Menschenrechtslage in China, die Versuche der Volksrepublik die internationale Ordnung zu ihren Gunsten zu gestalten oder an die Klarstellung, dass wir nur eine friedliche Lösung des Taiwan-Konflikts akzeptieren können. Zum anderen sollten die gemeinsamen Interessen, die wir mit China teilen, erwähnt werden – wie beispielsweise die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen oder die Stabilität des internationalen Systems. Die Strategie muss auch deutlich machen, was wir von China als wichtigem internationalen Akteur erwarten: Engagement bei der Lösung regionaler Konflikte, Unterstützung bei der Entschuldung von Staaten des Globalen Südens oder Fortschritte bei der Bekämpfung der Klimakrise. Gerade beim menschengemachten Klimawandel wird klar, dass wir Lösungen nur in Kooperation mit anderen finden können.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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Kommentare

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„China hat ein großes Selbstbewusstsein entwickelt, ...

spürbar, wenn man mit (seinen) Repräsentanten ... spricht“.

Wenn die Maus über den Löwen voll Erstaunen, ja, ungläubiger Verwunderung, einen solchen Satz ausspricht, wissen wir, wir befinden uns in der Welt der Fabeln. Sagt ein Mitstreiter in „Die Anstalt“ den Satz, dann ist er bittere Ironie, Satire, die den Satz und seinen Sprecher aufs Korn nimmt. Von einer nicht ganz unbedeutenden SPD-Politikerin verbreitet, müsste ihr Klingbeil entgegenhalten, „(An)erkennen der Realität“ ist der „Anfang des (politischen) Handelns“ oder Sprechens. Allerdings würde er mit seiner Mahnung kaum durchdringen, denn Frau Rehlinger glaubt ja auch, sie und die deutsche SPD könnten die „Volksrepublik“ davon abbringen, „die internationale Ordnung zu ihren Gunsten gestalten“ zu wollen - das behält sie sich und den demokratischen Staaten vor.

Interview von Kai Doering mit SPD-Vize Rehlinger, 21.6.2023

Schwierige Partnerschaft SPD-Vize Rehlinger: „Wir sind auf China als Partner angewiesen.“ – Ein gutes Interview, gerade während des offiziellen Besuches vom chinesischen Ministerpräsidenten Li Qing in Deutschland.

Auch ich_1

bin für die „universelle Gültigkeit von Menschenrechten“.

Europa hat Jahrhunderte lang weite Teile der Welt beherrscht. Im Reich Karls V. (1. Hälfte des 16. Jahrhunderts), Habsburger, ging die Sonne nicht unter. Es war aber nur eine Winzigkeit, gemessen am britischen Empire, das zu seinem Herrschaftsbereich Canada, Indien, Australien und große Teile Afrikas zählte und erst mit dem Zweiten Weltkrieg zerfiel. Solche Imperien schafft man nicht mit „universeller Gültigkeit von Menschenrechten“ oder feministischer Außenpolitik. Auch das Deutsche Reich, dem Europa nur wenige Kolonien zubilligte und dann nach dem 1. Weltkrieg auch noch wegnahm, konnte sie nur mit Krieg erobern, kleine Völkermorde inklusive. 1900 verabschiedete Kaiser Wilhelm II. seine Soldaten die in China für Ruhe sorgen sollten: "Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht! ... dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen."

Auch ich _2

Nach zwei Weltkriegen und zwei Atombomben-Abwürfen waren die USA die neue Weltmacht, die sie in Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak und vielen anderen Kriegen verteidigte – auch dabei spielte die „universelle Gültigkeit von Menschenrechten“ keine nennenswerte Rolle. Historisch haben wir, hat der Westen, keinen guten Leumund, wenn es um die Menschenrechte geht. Und so ganz deutlich werden sie auch nicht, wenn KIP hervorhebt, dass „Deutschland wie kaum ein anderes Land von einer regelbasierten internationalen Ordnung und einer globalisierten und vernetzten Welt profitiert, und darum glaubhaft eine Führungsrolle einnehmen kann, um diese Grundsätze zu verteidigen.“
Dennoch bin ich für die „universelle Gültigkeit von Menschenrechten“. Wir sollten sie vorleben. Wir können sie anmahnen. Wir sollten sie aber nicht gegen den Willen der Partner durchsetzen wollen, das wäre Imperialismus mit anderen Mitteln - natürlich auch nicht durchsetzbar, schon gar nicht gegen China.