
Am Dienstag haben zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder deutsch-chinesische Regierungskonsultationen statt. Wie bewerten Sie das Treffen?
Die Beziehungen auf der Welt sind schwieriger geworden, vor allem zwischen China und den USA, aber auch zwischen Europa und China. Gleichzeitig funktionieren unsere Wirtschaften aber immer globaler, und sie sind zunehmend miteinander verwoben. Darüber hinaus sind wir auf China als Partner angewiesen, um Lösungsansätze für globale Probleme wie die Klimakrise zu finden. Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sind daher ein wichtiges Signal, dass wir nach der pandemiebedingten Isolation wieder miteinander von Angesicht zu Angesicht sprechen. Die Differenzen, die wir haben und unsere unterschiedlichen Sichtweisen müssen angesprochen werden.
Erst Anfang Juni waren Sie als neue Asienbeauftragte der SPD mit Parteichef Lars Klingbeil zu Besuch in China. Wie haben Sie das Land und seine politischen Vertreter erlebt?
China hat ein großes Selbstbewusstsein entwickelt und das ist natürlich spürbar, wenn man mit den Repräsentanten von Staat und Partei spricht. Die Gespräche waren dennoch von großer Offenheit, Ernsthaftigkeit und Interesse an unseren Positionen geprägt.
Nach Russlands Überfall auf die Ukraine und unter Präsident Xi Jinping wächst in Deutschland die Sorge auch vor China. Zu Recht?
In unseren Gesprächen ist deutlich geworden, dass die Chinesen nicht die gleiche Auffassung mit uns teilen, was den Ursprung des Ukraine-Kriegs angeht, sie sehen Russland nicht als Aggressor. Aber sie wollen auch, dass der Krieg aufhört und sie haben mit dem Sondergesandeten eine Passivität aufgegeben. Wir wünschen uns ein starkes Engagement Chinas bei der Beendigung des Krieges. Das haben wir unseren Gesprächspartnern gesagt, genauso haben wir auch deutlich gemacht, dass sich unsere Beziehungen schlagartig ändern würden, wenn China Taiwan militärisch angreifen sollte. Für mich als Asienbeauftragte ist klar, dass wir über unterschiedliche Sichtweisen reden müssen. Dialog ist immer richtig. So können wir auch deutlich unsere Kritik äußern, in Punkten, in denen wir gar nicht übereinstimmen, zum Beispiel in der universellen Gültigkeit von Menschenrechten.
Im Papier der Kommission Internationale Politik der SPD, das Grundlage für die neue außenpolitische Positionierung der Partei werden soll, werden „mehr wirtschaftliche Resilienz und Unabhängigkeit“ von China gefordert. Wie soll das aussehen?
Wir haben aus dem russischen Angriff auf die Ukraine gelernt und die wirtschaftliche Lehre gezogen, dass wir uns nicht mehr in einseitige Abhängigkeiten begeben dürfen. Deshalb lautet die Devise im Umgang mit China nun auch De-Risking. Das haben Lars Klingbeil und ich der chinesischen Seite bei unserem Besuch erklärt. Das heißt nicht, dass wir uns von China entkoppeln sollten. Es geht vielmehr um die Verringerung von Risiken, um gleichzeitig die Resilienz unserer Wirtschaft zu erhöhen, indem man neben China immer auch ein weiteres Land in der Lieferkette hat. Es bedeutet auch, dass deutsche Firmen sich nicht nur auf einen Absatzmarkt verlassen sollen, sondern auf verschiedene. Das schützt letztendlich Arbeitsplätze bei uns.
Die Bundesregierung arbeitet weiter an ihrer China-Strategie. Was ist aus Sicht der SPD dafür essenziell?
Die China-Strategie sollte die Komplexität unserer Beziehungen zu China abbilden. Sie sollte zum einen klar die Differenzen zwischen uns benennen. Ich denke an die Menschenrechtslage in China, die Versuche der Volksrepublik die internationale Ordnung zu ihren Gunsten zu gestalten oder an die Klarstellung, dass wir nur eine friedliche Lösung des Taiwan-Konflikts akzeptieren können. Zum anderen sollten die gemeinsamen Interessen, die wir mit China teilen, erwähnt werden – wie beispielsweise die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen oder die Stabilität des internationalen Systems. Die Strategie muss auch deutlich machen, was wir von China als wichtigem internationalen Akteur erwarten: Engagement bei der Lösung regionaler Konflikte, Unterstützung bei der Entschuldung von Staaten des Globalen Südens oder Fortschritte bei der Bekämpfung der Klimakrise. Gerade beim menschengemachten Klimawandel wird klar, dass wir Lösungen nur in Kooperation mit anderen finden können.
Das Interview wurde schriftlich geführt.