Die Krise der regelbasierten Weltordnung hat die Debatte um eine eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik neu befeuert. Es gehört mittlerweile zum Allgemeinplatz, dass angesichts der weltpolitischen Bedrohungen und Herausforderungen Europa nicht mehr alleine, sondern nur noch gemeinsam ein relevanter Machtfaktor in einer multipolaren Welt wird bleiben können. Die ständige strukturierte Zusammenarbeit (PESCO), der Vertrag von Aachen, die Debatte über Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat und andere Initiativen belegen, dass die EU gewillt ist, den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Berlin hat Vetorecht bei Rüstungslieferungen mit Paris
In diesem Zusammenhang wird auch über gemeinsame europäische Rüstungsprojekte diskutiert und eine enge Zusammenarbeit, vor allem zwischen Deutschland und Frankreich, diskutiert. Die im Januar 2019 beschlossene politische Vereinbarung über Prinzipien der deutsch-französischen Rüstungskooperation ist ein wichtiger Schritt. Entgegen öffentlich erhobenen Vorwürfen ist die Vereinbarung kein „Geheimabkommen“. Es geht auch nicht darum, die strengen deutschen Rüstungsexportrichtlinien zu schleifen. Im Gegenteil: Frankreich erkennt erstmals in einem Regierungsdokument unsere restriktiven Rüstungsexportrichtlinien an - und Deutschland verfügt de jure und de facto über ein Vetorecht bei Rüstungsexportentscheidungen bei Gemeinschaftsprojekten. Sobald Belange „nationaler Sicherheit“ oder unsere „direkten Interessen“ betroffen sind, hat die Bundesregierung die Möglichkeit, aus politischen Gründen Exportbegehren von Militärgütern zu versagen. Auch anerkennt Frankreich den Gemeinsamen Standpunkt der EU von 2008 zum Rüstungsexport.
Nun ist es kein Geheimnis, dass sowohl Paris als auch London eine deutlich „entspanntere“ Rüstungsexportpolitik als Deutschland verfolgen. Frankreich will die vereinbarten Großprojekte wie den gemeinsamen Kampfpanzer und das europäische Kampfflugzeug auch durch umfangreiche Exporte auf dem Weltmarkt refinanzieren. Und zuletzt hat der britische Außenminister Hunt hat in einem Brandbrief an Heiko Maas den deutschen Lieferstopp an Saudi-Arabien kritisiert und die Befürchtung geäußert, dass Großbritannien seine Lieferverpflichtungen gegenüber Saudi-Arabien für den Kampfjet "Typhoon" nicht mehr erfüllen könne.
Gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik
Diese Vorlagen hat die CDU/CSU, der die strengen deutschen Richtlinien schon seit langem ein Dorn im Auge sind, dankbar aufgegriffen. So forderte Angela Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine „europäische Kultur der Rüstungsexporte“ und die Verteidigungsministerin stichelte, dass deutsche „moralische Maximalpositionen“ auf europäischer Ebene nicht vermittelbar seien.
Die SPD sieht die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Rüstungsexportpolitik als Teil einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik. Diese kann jedoch nicht darin bestehen, dass wir eins zu eins die laxe Exportpraxis der Franzosen, Briten oder gar Italiener übernehmen. Unstrittig ist auch, dass Europa durch pooling und sharing seine Rüstungsausgaben bündeln muss, um Synergieeffekte zu erzielen und international konkurrenzfähig zu bleiben.
Einhaltung europäischer Exportregeln parlamentarisch überwachen
In der Konsequenz bedeutet eine gemeinsame europäische Rüstungsindustrie aber auch, dass sich die EU auf gemeinsame verbindliche Rüstungsexportregeln wird einigen müssen. Dabei fängt man nicht bei null an. Bislang regelt ein Gemeinsamer Standpunkt von 2008 die Kriterien für Rüstungsexporte auf EU-Ebene, der allerdings nicht rechtsverbindlich ist. Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) fordert seit langem, Rüstungsexporte künftig europäisch zu regeln. Nur ein gemeinsames, auch rechtlich verbindliches Exportregime aller Mitgliedstaaten kann verhindern, dass Wettbewerbsvorteile für Rüstungsexporte den Respekt und die Achtung von Menschenrechten und internationalem Recht ausstechen. Zudem muss die Einhaltung der gemeinsamen Exportregeln von einem parlamentarischen Kontrollgremium mitüberwacht werden und die Möglichkeit zur Sanktionierung bei Verstößen gegeben sein. Der Standpunkt bildet jedenfalls eine gute Grundlage um über die Weiterentwicklung und Ausgestaltung einer gemeinsamen europäischen Rüstungsexportpolitik zu diskutieren.
Die deutsche Sozialdemokratie ist im Gegensatz zu Vertretern aus dem konservativ-liberalen Lager jedenfalls nicht bereit, Waffen und Rüstungsgüter als „normales Mittel“ der Außenwirtschaftspolitik und als Exportgut wie alle anderen zu akzeptieren. Nicht ohne Grund hat sich die rot-grüne Bundesregierung bereits 2000 in diesem sensiblen Bereich besonders strenge Regeln und eine äußerst restriktive Genehmigungspolitik auferlegt – auch wenn sie diesen zugebenermaßen in der Vergangenheit nicht immer gerecht wurde. Wir haben zudem im Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 einen Lieferstopp an diejenigen Staaten vereinbart, welche direkt in den blutigen Bürgerkrieg im Jemen involviert sind. Allerdings wurde auf Wunsch der Union eine Vertrauensklausel aufgenommen, die bereits genehmigte Lieferung, die nachweislich nur im Empfängerland verbleiben. Die Ermordung des saudischen Journalisten Kashoggi am 2. Oktober letzten Jahres hat dazu geführt, dass auf Druck der SPD die Bundesregierung ein zeitlich begrenztes Exportmoratorium verkündet hat. Wir werden uns dafür einsetzen, den Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien über den 9. März hinaus zu verlängern, da sich an den Gründen für die Verhängung des Moratoriums nichts geändert hat. Es ist bemerkenswert, dass seit Anfang Februar 2019 in einer parteiübergreifenden Initiative auch im US-Senat neue Restriktionen bei Waffenexporten an Saudi-Arabien aktuell debattiert werden.
Forderungen von CDU/CSU ein Täuschmanöver
Die Forderungen der Union nach einer Lockerung der strengen Rüstungsexportrichtlinien mit Verweis auf die weniger strikte Genehmigungspraxis unserer Partner sind nichts anderes als ein durchsichtiges Täuschungsmanöver, um die strengen deutschen Exportrichtlinien unter Verweis auf europäische Zwänge auszuhebeln.