Kritik an schleppender Finanzhilfe

SPD-Reaktionen zu Lockdown-Verlängerung: Von Dreieck bis Dreiklang

Benedikt Dittrich11. Februar 2021
Dürfen ab dem 1. März unter strengen Hygieneregeln wieder öffnen: Friseursalons.
Dürfen ab dem 1. März unter strengen Hygieneregeln wieder öffnen: Friseursalons.
„Wir sehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt SPD-Parteivorsitzender Norbert Walter-Borjans. Er sieht die Lockdown-Verlängerung als nötig an und spricht von der Balance in einem „Dreieck“. Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sieht einen Corona-„Dreiklang“.

Gastronomie und weite Teile des Einzelhandels bleiben zu, die Kontaktbeschränkungen im Privatbereich werden verlängert, nur Friseur-Salons sollen ab März wieder öffnen dürfen sowie Kitas und Schulen ihr Betreuungsangebot schrittweise wieder ausweiten. Das sind zusammengefasst die Beschlüsse der Bund-Länder-Videokonferenz zum aktuellen Umgang mit der Corona-Pandemie.

Von Seiten der SPD werden die Beschlüsse lobend aufgenommen, allerdings mit einigen Warnhinweisen versehen. So appellierte unter anderem SPD-Parteichef Norbert Walter-Borjans vor allem an Peter Altmaier: „Der Wirtschaftsminister muss in die Puschen kommen.“ Denn es gebe gerade ein leises Sterben in der Gastronomie und dem Einzelhandel – nicht aus Mangel an finanzieller Unterstützung, sondern weil das Geld nicht ankäme. Ein Mangel in der Umsetzung der Hilfen.

Ergebnisse des Corona-Gipfels im Überblick

In der Bund-Länder-Schalte am Mittwochabend hatten sich Bundesregierung und die Ministerpräsident*innen der Länder grundsätzlich auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März verständigt. Allerdings gibt es auch einige Änderungen:
  • Die Öffnung der Bildungseinrichtungen hat Priorität, obliegt aber allein den Bundesländern, allgemeine Absprachen gab es Mittwochabend bei dem Thema nicht. So kündigten einige Bundesländer bereits Öffnungsstrategien für den Bildungsbereich an, umn wieder Betreuung in den Kitas und Präsenzunterricht in den Schulen zu ermöglichen
  • Friseursalons dürfen ab dem 1. März wieder öffnen – begründet wird dies mit dem Verweis auf die notwendige Körperhygiene, vor allem bei älteren Menschen. Allerdings gilt auch hier ein strenges Hygienekonzept
  • Weitere Lockerungen sollen erst ab einer „stabilen“ Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Personen möglich werden. Begründet wird der niedrigere Wert damit, dass über die Verbreitung der teils infektiöseren Mutationen des Coronavirus in Deutschland noch keine Klarheit herrscht
  • Ausgeweitet werden soll die Anwendung von Schnelltests, die auch bald ohne Anleitung anwendbar sein sollen – außerdem soll geprüft werden ob Lehrer*innen und Erzieher*innen früher geimpft werden können

SPD-Chef: Abwägungen im „Dreieck“

Die Verlängerung des Lockdowns verteidigte er allerdings im Deutschlandfunk – und sprach dabei von einem Dreieck, in dem abgewogen werden müsse: „Wir müssen alles tun, um unser Gesundheitswesen nicht zu überlasten und Menschenleben zu retten. Wir müssen auch darauf achten, dass die Wirtschaft funktioniert, denn sie ist die Stütze dafür, dass wir uns so gut durch diese Krise bewegen können. Und das dritte ist, dass der Bildungsbereich ein ganz empfindlicher ist.“

Die Souveränität der Bundesländer, wie sie am Mittwochabend noch einmal betont wurde, findet er ebenfalls richtig: Es sei schließlich kein Nachteil auf die unterschiedlichen Situationen in den Ländern entsprechend eingehen zu können. „Wir sollten nicht so tun, als ob wir jeden Tag unsere Kinder in einem anderen Bundesland in die Schule schicken würden“, so Walter-Borjans weiter. Es könne niemand ein Interesse daran haben, dass ein Teil der Kinder in Deutschland zurückfällt und die Langzeitfolgen möglicherweise jahrelang nicht aufholen könnten – deswegen sprach sich auch Walter-Borjans dafür aus, schrittweise die Schulen und Kitas wieder zu öffnen.

Weitere Lockerungen sieht er hingegen skeptisch – in der „Rheinischen Post“ warnte er davor, den Fuß zu schnell von der Bremse zu nehmen, denn dann drohe eine Fortsetzung der Schussfahrt mit einer Überlastung des Gesundheitssystems und vielen vermeidbaren Todesopfern.

Vom „Dreieck“ zum „Dreiklang“

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zeichnete ein anderes Bild, sprach dabei aber ähnlich wie der Parteichef von einem „Dreiklang“. Das schrittweise öffnen der Bildungseinrichtungen, die Ausweitung der Schnelltests, die mögliche Hochstufung des pädagogischen Personals beim Impfen – das ist für die SPD-Ministerin der richtige Weg, um die Folgen des Lockdowns im Bildungsbereich einzudämmen und trotzdem vorsichtig zu agieren. MIt den Beschlüssen sei nun eine Perspektive in dem Bereich geschaffen.

Besonders begrüßte sie die Überlegung, das pädagogische Personal in eine höhere Impf-Kategorie einzustufen. „Gerade die Erzieherinnen und Erzieher, die mit den ganz kleinen Kindern arbeiten, können sich eben nicht in gleichem Maße schützen“, betonte sie die Problematik im Kita-Bereich. Allerdings unterstrich sie auch, dass die Entscheidung darüber nicht getroffen wurde: Über die Einstufung muss noch im Bundesgesundheitsministerium entschieden werden, die Vereinbarung am Mittwochabend ist nur eine Empfehlung, ein Prüfauftrag. Die Sozialdemokratin hofft außerdem auf eine baldige Zulassung der Corona-Schnelltests für Laien, um in der Fläche mehr Sicherheit durch die Tests zu bekommen.

Für die Länder hatte bereits der Vorsitzende der Ministerpräsident*innenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, am Mittwoch betont, wie wichtig eine Öffnungsperspektive für Kitas und Schulen für die Eltern und Kinder sei. „Wir sehen auf der einen Seite was beim Gesundheitsschutz passieren muss und wir sehen auf der anderen Seite die sozialen Folgen, wenn Schulen, wenn Kindertagesstätten über Monate geschlossen sind.“  Er differenzierte außerdem: „Wir reden hier über ein schrittweises Hochfahren.“ Die Situation sei nicht mit dem Frühjahr 2020 vergleichbar, „auch mit Wechselunterricht, mit Abstandsregeln, mit Lüftungsgeräten, mit Verstärktem Einsatz von Tests, natürlich auch für die Kinder.“

Das alles zusammen sieht Vizekanzler Olaf Scholz im Fernsehsender „ntv“ am Donnerstagmorgen als eine gute Perspektive. Er bemühte sich um einen positiven Ausblick: „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“. Der erste Schritt sei jetzt gemacht, so der Finanzminister. Er warnte aber gleichzeitig vor zu schnellen Lockerungen. Auch für die Beschaffung von Impfdosen versprach er die nötigen Finanzhilfen, ebenso für die Bereitstellung von Schnelltests.

Der Gesundheitsökonom und Arzt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, lobte die Ergebnisse als einen „Sieg der Vernunft“ im Kampf gegen eine mögliche dritte Welle der Virus-Pandemie. „Lockerung ist kein Automatismus“, warnte er mit Blick auf die Verbreitung der Mutationen.

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Kommentare

Konzentration auf Schulen

Mit der Öffnung für Frisöre hat die Politik sich keinen Gefallen getan. Nachvollziehbar ist der Schritt nicht, und gerade die Begründung von Hr Söder ("Würde") muss man als obskur bezeichnen.

Eine reine Konzentration auf das Thema Schulen wäre der bessere Ansatz gewesen. Insgesamt wird der Lockdown sicher noch bis weit nach Ostern gehen müssen. Der Wunsch nach "Perspektiven" ist verständlich, aber von der Politik nicht zu leisten. Dafür ist die Lage zu unklar, außerdem hat die Politik es schlicht versäumt, Pläne zu entwickeln.

Die fehlende Einheitlichkeit und das Ausscheren einzelner Länder wird auch zunehmend ein Problem. Warum dürfen die Zoos in Schleswig-Holstein öffnen, der (angeschlagene) Tierpark in Hamburg muss zu bleiben? Hier fehlt Logik und Nachvollziehbarkeit für die BürgerInnen.

Hr Lauterbach merkt nicht, dass keiner ihn Ernst nimmt, außer Fanboys bei Twitter. Von den Medien wird er als eine Art "Äffchen" gehalten, wohl auch, ohne es zu begreifen. Das ist schon eine persönliche Tragödie, die man mit Bedauern und Mitleid zur Kenntnis nehmen muss.

es geht nicht darum , ob es

sinnvoll, rechtmäßig oder was immer ist. das ist wie mit dem Stück Schokolade von der Oma- eine kleine Belohnung wird uns zuteil, sind wie dankbar dafür. unverständlich, dass hier im Kommentarbereich nun wieder abgelästert wird. Nestbeschmutzer, elende sag ich dazu

Ja, so wird es auch in der

Ja, so wird es auch in der Hundererziehung gemacht mit Leckerlies. Aber wer sich mit Leckerlies oder Schocki zufrieden stellen lässt, ist auch ein bequemer desinteressierter Langweiler.

Friseure

Kann mir bitte jemand erklären was an einer Frisur lebensnotwendig ist.

Über Leben und Tod

Über Leben und Tod entscheidet eine Frisur sicher nicht. Aber dennoch trägt es nicht zum Wohlbefinden bei, wenn die Fransen wie eine Gardine vor den Augen hängen. Und es gibt genügend alte und behinderte Menschen, die sich die Haare/den Kopf nicht selbst waschen können. Diejenigen und andere ohne Kontakte zum Schwarzmarkt waren wohl in den letzten Wochen die Leidtragenden, nicht die mit Beziehungen und Hinterhoffrseur oder die s.g. Szene, die stets mit exzaktem Haarschnitt und Styling sich öffentlich zeigte.

ja, das ist die

Stunde der Glatzköpfigen- ich merke das selber auch- "ja, du, du bist ja nicht betroffen!" "- richtig, sage ich dann . Leider ist das so", mit entsprechender Mimik und dazugehörendem Gestus

Der Bürger wird sich fragen,

Der Bürger wird sich fragen, nachdem ja immer vom Indienzwert von 50 gesprochen wurde und nicht 35, welcher Wert denn nun bei der nächsten Sitzung festgelegt wird. Nachvollziehbar ist das für die Bürger nicht, macht er fassungslos.

Eine derart chaotische Handlungsweise stärkt eher die rechten Chaoten.

Dauerlockdown offenbar gewollt

Mein subjektiver Eindruck ist eindeutig, das jedes Mal wenn die "Gefahr" besteht das der ewige Lockdown abgemildert bzw. aufgehoben werden muß, ein neuer heiliger Wert bzw. eine entsprechende Änderung des vorher als "richtig" behaupteten Wertes erfolgt.
Man mag sich erinnern das der fragwürdige "Inzidenzwert" keinerlei medizinische Relevanz hat sondern an den behaupteten "Nachverfolgungskapazitäten" der Gesundheitsämter aufgehängt wurde.
Aus einer Reduzierung eben dieses Wertes kann also nur geschlossen werden das die Kapazitäten der Gesundheitsämter genauso reduziert wurden wie die Kapazitäten des Gesundheitswesens mit den Klinikschließungen letztes Jahr oder das die Politik außer Lockdown keinerlei Konzepte vorzuweisen hat.

Es ist nun sehr leicht, hier die Absicht zu unterstellen, das alles getan wird um den Lockdown und damit den Grundrechtsentzug/Ausnahmezustand zum Dauerzustand zu machen und ich kann nirgends sehen das bis auf unglaubwürdige Aussagen tatsächliche Maßnahmen durchgeführt werden um aus dem Lockdown-Irrsinn herauszukommen bzw. das ein realistisches Konzept zum Ende der Maßnahmen überhaupt erarbeitet wurde.