Oxfam-Studie

SPD-Politikerin Kiziltepe: Wachsender Ungleichheit den Kampf ansagen

Vera Rosigkeit28. Januar 2021
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe ist überzeugt: „Wir werden für jede sozialdemokratische Errungenschaft kämpfen müssen.“
Wenn immer weniger Menschen ein immer größeres Vermögen auf sich vereinen, führt das über kurz oder lang zu sozialen Spannungen, sagt die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. Eine Vermögenssteuer würde das aus ihrer Sicht ändern.
Wenn immer weniger Menschen ein immer größeres Vermögen auf sich vereinen, führt das über kurz oder lang zu sozialen Spannungen, sagt die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. Eine Vermögenssteuer würde das aus ihrer Sicht ändern.
Eine aktuelle Oxfam-Studie zeigt, Corona verschärft soziale Ungleichheit. Für SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe ist klar, dass die wirtschaftlichen Gewinner*innen der Pandemie zur Bewältigung der Krise beitragen müssen. Wie erklärt sie im Interview.

In ihrer aktuellen Studie bezeichnet die NGO Oxfam Corona als einen Ungleichheitsvirus: Milliardäre vermehren ihr Vermögen, Arme werden ärmer – und das weltweit. Zeigt die Pandemie einmal mehr, dass wir mehr demokratisches Wirtschaften brauchen?

Auf jeden Fall! Aber: Die soziale Ungleichheit ist schon seit geraumer Zeit sehr groß – auch zwischen den Geschlechtern sowie Weißen und People of Color (PoC). Die Corona-Pandemie wirkte im vergangenen Jahr wie ein Brennglas und hat bestehende Probleme in unserem Wirtschaftssystem deutlich sichtbarer gemacht. Und damit ist noch klarer geworden: Um die tief verwurzelte Ungleichheit zwischen Arm und Reich wirksam zu verringern, müssen wir unsere Politik umfassend neu aufstellen. Dazu gehört auch, dass wir mehr Wirtschaftsdemokratie wagen müssen!

Mehr Wirtschaftsdemokratie wagen!

Unternehmen mit demokratischen Elementen kommen besser durch die Krise. Das haben zahlreiche Studien bewiesen. Doch zahlreiche demokratische Errungenschaften in unserer Wirtschaft müssen an den Wandel der letzten Jahre angepasst werden. Vor allem brauchen wir eine Stärkung der Tarifbindung, insbesondere in Branchen mit niedriger Tarifabdeckung, und Verbesserungen bei der Mitbestimmung, welche Umgehungen ausschließt und auch für die digitalisierte Wirtschaft gilt. Denn die besten Entscheidungen sind die, die den größten Rückhalt in der Organisation haben und somit Motivation und Engagement auf allen Ebenen umgesetzt werden.

Gerade Technologie- und Internetunternehmen konnten enorme Gewinne einfahren. Allen voran Tesla-Chef Elon Musk und Amazon-Chef Jeff Bezos. Trotz Gewinne seien sie wenig an Kosten für das Gemeinwesen beteiligt, kritisiert Oxfam. Wäre das jetzt der richtige Zeitpunkt für die Einführung einer höheren Besteuerung, z.b. einer Digitalsteuer?

Wir brauen eine Reform der Unternehmensbesteuerung, welche der Steuervermeidung endlich einen Riegel vorschiebt und der massiven Ungleichbesteuerung ein Ende setzt. Eine Mindestbesteuerung, die für die Tätigkeiten in allen Ländern gilt, und momentan in der OECD verhandelt wird, ist hierfür ein wichtiger Schritt. Eine Digitalsteuer halte ich auch für eine geeignete Maßnahme, insbesondere solange sich die USA schützend vor ihre Digitalkonzerne stellen und eine echte Umverteilung der Besteuerungsrechte blockieren. Andere EU-Länder wie Frankreich und Spanien haben bereits erkannt, dass eine Digitalsteuer eine brauchbare und sinnvolle Zwischenlösung ist.

Mit Kurzarbeit und Überbrückungshilfen hat Deutschland viele Investitionen getätigt, um wirtschaftlich existenzbedrohende Folgen der Pandemie abzufedern. Die enormen Ausgaben belasten Staatshaushalt und Sozialsicherungssysteme. Gleichzeitig konnten auch hierzulande die zehn reichsten Deutschen Ende 2020 eine Steigerung ihres Gesamtvermögens von rund 35 Prozent gegenüber 2019 verbuchen. Was ist zu tun?

Selbstverständlich müssen die wirtschaftlichen Gewinner*innen der Corona-Pandemie zur Bewältigung der Krise finanziell beitragen. Die SPD hat in den letzten Jahren wichtige Beschlüsse zur Besteuerung von Vermögen getroffen, die den Weg zeigen. In den kommenden Monaten und Jahren wird es darum gehen, dass wir unsere sozialdemokratischen Prinzipien treu bleiben und die Besteuerung von Vermögen auch gesetzlich durchsetzen. Dazu braucht es allerdings andere politische Mehrheiten in diesem Land. Dafür werden wir kämpfen. Neben der Vermögensteuer sehe ich vor allem Handlungsbedarf bei der Erbschaftsteuer. Die Privilegien der Erben von Betriebsvermögen im Milliardenwert müssen abgeschafft werden.

Oxfam fordert soziale Grunddienste, die keiner Gewinnlogik unterworfen sind und Unternehmen die gemeinwohlorientiert wirtschaften. Wie steht die SPD zu diesen Forderungen?

Die SPD steht für eine lange Geschichte des sozial verantwortlichen Wirtschaftens. Vor allem muss es darum gehen, den gemeinwohlorientierten Sektor zu stärken. Es gibt eine ganze Bandbreite von erforderlichen Maßnahmen dafür: Angefangen von der Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit zur stärkeren Förderung von Genossenschaften zu neuen Wegen, wie mit dem Verantwortungseigentum.

Oxfam-Studie zeigt die Handlungsnot

Dass sogenannte soziale Grunddienste, also Gesundheits- und Bildungssysteme, ebenso wie soziale Sicherungssysteme, keiner Marktlogik unterworfen sein sollen, ist eine sozialdemokratische Kernforderung.

Die Studie ist anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels in Davos erschienen. Werden die Ergebnisse Einfluss auf das virtuelle Treffen vom 25. Bis 29. Januar haben? 

Ich hoffe! Aber letztlich werden wir für jede sozialdemokratische Errungenschaft kämpfen müssen. Die Oxfam-Studie zeigt die Handlungsnot. Jetzt ist es an uns, diese Einsichten in konkrete Politik zu gießen und der wachsenden Ungleichheit den Kampf anzusagen.

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Kommentare

Deutlich

Die konkreten Probleme werden deutlich benannt, aber warum werden sie nicht angegangen ? Mit Gendersternchen und ein paar Frauen mehr in den Aufsichtsräten ändert sich für die Mehrheit der Menschen garnichts. Die Agendapolitk muss endlich rückabgewickelt werden und darüberhinaus. Aber Gleiches muss auch für den Globalen Süden gelten, denn Sozialimperialismus ist auch keine gute Sache. Ein Lieferkettengesetz, hoffentlich wird das was, kann da nur ein ganz bescheidener Anfang sein. Die ganzen "Frei"handelsverträge samt dem militärischen Interventionismus um der Resourcen willen (um Menschenrechte ging es nie) müssen weg.