
Sigmar Gabriel wirkte sichtbar entspannt als er in Wolfsburg eine Viertelstunde eher als geplant vor die wartende Presse trat. Es sei ein „richtig guter Tag für die SPD und für die Durchsetzung von Regeln in der Globalisierung“, teilte der SPD-Vorsitzende den Journalisten mit. Kurz zuvor hatten sich zwei Drittel der Delegierten des Parteikonvents nach fast fünfstündiger Debatte für ein Ja zu Ceta im Rat der EU-Wirtschaftsminister ausgesprochen – allerdings nur unter strikten Auflagen.
Umfangreiche Auflagen für Ceta
So sollen „bestimmte Teile des Abkommens“ erst „nach einer positiven Entscheidung des Europäischen Parlaments“ vorläufig angewendet werden. Zuvor soll das Europaparlament zudem kontrovers diskutierte Fragen „in einem ausführlichen Anhörungsprozess mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft“ erörtern. Die Teile von Ceta, die nationale Kompetenzen berühren, sollen davon ausgenommen sein und erst nach einer Ratifizierung durch die nationalen Parlamente in Kraft treten.
Änderungen gibt es auch beim umstrittenen „Investorenschutz“. Hier müsse sichergestellt sein, „dass keine Bevorzugung von ausländischen gegenüber inländischen Investoren“ stattfinde. Zudem müsse „unmissverständlich und rechtsverbindlich“ und möglichst vor Beschlussfassung im EU-Ministerrat im Oktober festgelegt werden, dass die EU im Rahmen des Ceta-Abkommens „in keiner Weise vom primärrechtlich verankerten Vorsorgeprinzip abweicht“. Dieses regelt, dass Schäden für Umwelt und Gesundheit im Voraus vermieden werden.
Keine Absenkung von Standards durch Ceta
Auch bei den kritisierten Schiedsgerichten gab es in Wolfsburg Nachbesserungen. So soll sichergestellt werden, dass „alle Gremien, die das das durch Ceta-Abkommen geschaffen werden (...) begrenzte Entscheidungen nur im Einklang mit den demokratisch legitimierten Vefahren der Partner treffen und nicht die Souveränität der Parlamente und Regierungen verletzen dürfen“. Zu guter letzt konkretisierte der Parteikonvent das Ceta-Abkommen in puncto Daseinsvorsorge. Im beschlossenen Antrag heißt es klipp und klar, „dass bestehende und künftig entstehende Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht vom (Ceta-)Vertrag erfasst werden“ dürfen.
„Mit Ceta gibt es keine Absenkung von Standards – im Gegenteil“, betonte Sigmar Gabriel bei der Vorstellung der Ergebnisse des Parteikonvents. Ceta sei „weit, weit besser“ als Handelsverträge, die Deutschland und die EU in der Vergangenheit geschlossen hätten. Zudem sei er sich mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland einig, mithilfe von Ceta allgemeine „Regeln für den internationalen Kapitalismus“ zu formulieren. Freeland war eigens für den Parteikonvent nach Wolfsburg gereist und sprach zu den Delegierten.
Umfangreiche Änderungen von der Parteilinken
Dass diese am Ende Sigmar Gabriel mit deutlicher Mehrheit ein Ceta-Mandat erteilten, ist auch Matthias Miersch zu verdanken. Der Sprecher der „Parlamentarischen Linken“ hatte zu Beginn des Konvents ein umfangreiche Änderungen einbebracht, die Eingang in den Leitantrag des Parteivorstands fanden. „Ich bin glücklich, dass es gelungen ist, eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Gruppen innerhalb der SPD zu schlagen“, sagte Miersch nach dem Konvent dem „vorwärts“. Die vorgenommenen Ergänzungen seien nun die Voraussetzung für die Zustimmungsfähigkeit der Parlamente. „Wir haben damit klare Maßstäbe für das kommende parlamentarische Verfahren gesetzt“, so Miersch. Die SPD habe in Wolfsburg „einen guten Weg zwischen einem einfachen Ja oder Nein gefunden“.
Nicht ganz so zufrieden zeigte sich Kevin Hönicke. „Es wäre besser gewesen, erst die Änderungen an Ceta umzusetzen und danach darüber zu entscheiden“, sagte der Konventsdelegierte aus Berlin. Deshalb habe er gegen den Antrag gestimmt. Seine Forderung: „Die SPD muss jetzt den Diskussionsprozess transparent machen, damit die Menschen verstehen, dass wir Ceta nicht per se zustimmen.“
So geht es mit Ceta weiter
Und so sieht der weitere Fahrplan für Ceta aus: Im Oktober werden die Wirtschafts- und Handelsminister der EU entscheiden, ob sie dem Vetragswerk zustimmen. Danach wird es beim EU-Kanada-Gipfel am 27. und 28. Oktober offiziell unterzeichnet. Dann schlägt „die Stunde der Parlamente“, wie Matthias Miersch im „vorwärts“-Gespräch mit SPD-Generalsekretärin Katarina Barley betonte: Zunächst wird sich das Europaparlament umfassend mit Ceta befassen. Nach dessen Zustimmung müssen die 38 nationalen (und zum Teil regionalen) Parlamente der EU Ceta ratifizieren. „Dieser Prozess wird einige Jahre dauern“, betonte Sigmar Gabriel in Wolfsburg.